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Annabell Paris ist die Einsamkeitsbeauftragte des Bezirks Reinickendorf. Der Job ist deutschlandweit einmalig – noch.

© dpa/Jörg Carstensen

„Kein kleines Randthema“: Berliner Bezirk beschäftigt Deutschlands erste Einsamkeitsbeauftragte

Allein vor dem Fernseher oder beim Abendessen: Einsamkeit betrifft viele Menschen. Reinickendorf möchte etwas dagegen tun – andere Bezirke sollen womöglich folgen.

Einsamkeit, das sei „kein kleines Randthema, das man mal nebenbei bearbeiten kann“, sagt Annabell Paris vor einem Dutzend Pressevertretern. Sie wird sich dem Thema in Zukunft nicht nebenbei, sondern rund um die widmen, als Einsamkeitsbeauftragte von Reinickendorf. Als erster Ort in Deutschland hat der Berliner Bezirk dafür eine Vollzeitstelle geschaffen.

Etwas zurückhaltend ist die frisch gebackene Beauftragte am Freitag noch vor den Kameras und Journalisten. Sie sei sich der Größe der Aufgabe bewusst, sagt Paris. Denn Einsamkeit betreffe viele Menschen. Wichtig sei es deshalb, die Gesellschaft für das Thema insgesamt zu sensibilisieren, erklärt die studierte Kommunikationswissenschaftlerin. Bevor sie die neue Stelle antrat, war die 39-jährige gebürtige Berlinerin als Bildungsbegleiterin tätig.

„Wir wollen Einsamkeit enttabuisieren“, erklärt Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU). Die Problematik dürfe nicht nur kurz vor Weihnachten auf die Agenda gesetzt werden, wenn man sich an die Einsamen und Bedürftigen erinnere.

Jeder zehnte Berliner ist nach Angaben des Bezirksamts von Einsamkeit betroffen. In Reinickendorf sind es noch einmal mehr, vermutet Demirbüken-Wegner. Denn im Bezirk leben überdurchschnittlich viele ältere Menschen, bei denen die Gefahr der Vereinsamung besonders hoch sei. Betroffen seien aber auch junge Menschen, was erst seit der Corona-Pandemie in den Fokus der Öffentlichkeit geriet.

Die neue Beauftragte soll nach dem Wunsch der Bürgermeisterin in einem Rahmenkonzept erarbeiten, wie mit dem Thema Einsamkeit im Bezirk umzugehen ist. „Wenn wir keine Strukturen schaffen, wird es immer bei einzelnen Projekten bleiben“, erläutert sie.

Erstes großes Projekt von Paris wird sein, im Dezember einen Einsamkeitsgipfel auszurichten. Dafür stehen ihr nach Angaben des Bezirksamtes 10.000 Euro zur Verfügung.

„Wenn man die Einsamkeit effektiv bekämpfen will, muss man zunächst erkunden, wo die betroffenen Menschen leben“, sagt die neue Beauftragte. Dazu werte sie aktuell Daten aus den einzelnen Kiezen aus, um die sozialen Angebote in der Nähe passgenau zu vermitteln.

Weitere Bezirke wollen wohl nachziehen

Eine Herausforderung für Paris ist es, die Betroffenen überhaupt zu erreichen. In Arztpraxen sieht Bezirksbürgermeisterin Demirbüken-Wegner eine Chance vor allem mit älteren Menschen in Kontakt zu treten, die unter Einsamkeit leiden. Ärzte hätten schon längst festgestellt, dass sich Einsamkeit nicht mit Medikamenten behandeln lasse, sagt sie. Aus ihrer Sicht sollte man niedergelassenen Ärzten ermöglichen, Rezepte für Maßnahmen zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe auszustellen, die über die Krankenkassen abgerechnet werden können.

Hier bleibt es bei Appellen an Bund und Land, denn darüber kann der Bezirk nicht entscheiden. Auch das Geld für weitere Projekte müssten Senat oder Bundesregierung zur Verfügung stellen, räumt Demirbüken-Wegner ein. Parteiübergreifend sei dort längst gefordert worden, Einsamkeit gezielt anzugehen. Passiert ist aus ihrer Sicht zu wenig. Laut der Bezirksbürgermeisterin ziehen bereits zwei weitere Bezirke nach und wollen ihrerseits bald Einsamkeitsbeauftragte einzustellen. Welche das sind, verriet sie nicht.

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