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Franziska Giffey (l, SPD), Regierende Bürgermeisterin, und Ulrike Gote (Bündnis90/Die Grünen), Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, nach der Sitzung des Berliner Senats im Rotes Rathaus.

© Foto: dpa/Joerg Carstensen

Update

Berlins Gesundheitssenatorin verteidigt Maskenpflicht: „Können Augen nicht vor immer dynamischerem Infektionsgeschehen verschließen“

Soll es wieder eine Maskenpflicht in Innenräumen geben? Giffey reagiert zurückhaltend auf den Vorstoß. Unterstützung bekommt Gote vom Marburger Bund.

| Update:

Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hat ihren Vorstoß für eine Maskenpflicht am Donnerstag mit deutlichen Worten verteidigt. Sie sagte dem Tagesspiegel: „Wir können die Augen nicht vor einem immer dynamischeren Infektionsgeschehen verschließen, sondern müssen jetzt präventiv handeln.“ Gote wehrte sich gegen den Vorwurf, eine unerwartete Entscheidung getroffen zu haben: „Wir haben schon im Sommer gesagt, dass wir im Winter als mildestes Mittel wohl Masken brauchen werden.“

Sie habe den Vorschlag einer Maskenpflicht auch nicht allein getroffen. „Meine Expert:innen haben mir die Maskenpflicht jetzt empfohlen, um uns härtere Maßnahmen im Winter hoffentlich zu ersparen“, sagte Gote. „Dafür werbe ich auch im Senat.“ Bisher ist das Ausrufen der zweiten Stufe des Pandemieplanes nur ein Vorschlag. Man wisse nach zweieinhalb Jahren Pandemie aber, sagte Gote, dass Maßnahmen erst nach 14 Tagen wirken, weshalb jetzt gehandelt werden sollte. Gote hatte schon am Mittwoch darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser stark mit Corona-Patienten belastet seien und eine Verdopplung ihrer Zahl innerhalb von zwei Wochen zu erwarten sei.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte zuvor sehr zurückhaltend auf den Vorstoß von Gote zur Verschärfung der Maskenpflicht reagiert. „Aktuell handelt es sich um einen Vorschlag von Senatorin Gote, der noch nicht im Senat besprochen wurde“, sagte Giffey am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Es seien viele Punkte offen. Ähnlich hatte sich schon Senatssprecherin Lisa Frerichs am Mittwoch auf Nachfrage des Tagesspiegels geäußert.

„Beispielsweise bedarf es einer Datengrundlage, um eine etwaige Verschärfung der Maßnahmen zu begründen und um eine gemeinsame Haltung zum weiteren Vorgehen zu erreichen“, sagte Giffey. Sie verwies darauf, dass es für das Auslösen der zweiten Stufe des neuen Corona-Fahrplans, was zum Beispiel eine Maskenpflicht in bestimmten Innenräumen zur Folge hätte, einer Anpassung der entsprechenden Verordnung durch den Berliner Senat bedürfe.

Kritik im Senat: Gote hatte vorher nichts gesagt

Gote hatte am Mittwoch auf einer eigenen Pressekonferenz deutlich gemacht, dass sie wegen zunehmender Corona-Zahlen und der steigenden Belastung für das Gesundheitssystem eine OP-Maskenpflicht in Innenräumen für nötig hält. Das könnte etwa alle Geschäfte und Supermärkte oder öffentlichen Gebäude wie Museen betreffen. „Den Vorschlag meiner Verwaltung werden wir in der nächsten Senatssitzung beraten“, sagte Gote. Das wäre am kommenden Dienstag.

Im Senat wurde kritisiert, dass Gote am Dienstag nichts von einer möglichen Verschärfung der Regeln gesagt hatte, obwohl der Stufenplan explizit Thema war. Aus der Gesundheitsverwaltung hieß es, die Empfehlung, die zweite Stufe mit der Maskenpflicht auszurufen, sei erst am Mittwochmorgen aus der Verwaltung gekommen. Auch im Parlament wurde die mögliche Maskenpflicht differenziert aufgenommen.

Selbst innerhalb der Parteien gibt es unterschiedliche Haltungen: So griff der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marcel Hopp, Gote dafür an, dass sie eine grundsätzliche Maskenpflicht in Schulen bislang ausschließt. „Das ist mitnichten so. Die Maskenpflicht bleibt ein Instrument, das bei steigender Infektionslage gezogen werden kann“, schrieb Hopp auf Twitter. Aus der Fraktion waren aber auch andere Stimmen zu hören, die eine Maskenpflicht in Innenräumen zum jetzigen Zeitpunkt für überzogen halten.

Giffeys Forderung nach „einer Datengrundlage“ dürfte das zentrale Problem des am Dienstag im Senat beschlossenen Stufenplanes darstellen: Es gibt anders als bisher keine klaren Schwellenwerte mehr, an denen sich Verschärfungen orientieren. Stattdessen wird nun aus einem Mix von Maßnahmen eine Bewertung über mögliche Gegenmaßnahmen erstellt. Dazu zählen der Trend der Inzidenz, aber vor allem die Krankenhausbelastung mit Corona-Fällen und Abwasseranalysen. „Es gibt keine festgesetzten Schwellenwerte mehr. Diese Zeit ist vorbei, wir müssen umdenken“, hatte Gote am Mittwoch betont.

Unterstützung bekam Gote am Donnerstag vom Marburger Bund: Die Ärztevertretung fordert eine Rückkehr zu Maskenpflicht in Innenräumen angesichts der wachsenden Belastung der Kliniken. Die Länder sollten „überall dort, wo die Inzidenzen jetzt durch die Decke gehen, mit einer FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV und in öffentlich zugänglichen Innenräumen reagieren“, sagte die Vorsitzende der Ärzte-Gewerkschaft, Susanne Johna.

Einzelhandel befürchtet Umsatzeinbrüche

Der Einzelhandel befürchtet dagegen spürbare Einbußen, sollte die Maskenpflicht in Berlin erneut auf Geschäfte ausgeweitet werden. „Wir sagen ganz klar: Wenn es medizinisch geboten ist und sich die politische Mehrheit findet, dann werden wir uns dem nicht verweigern“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

„Aber ein wichtiger Punkt ist der: Wir wissen und können es nachweisen, dass mit dem Einführen der Maskenpflicht in bestimmten Einzelhandelsbranchen massive Umsatzeinbußen einhergehen“, so der Verbandsgeschäftsführer. Für solche Fälle müsse es eine klare Zusage geben, dass Unternehmen geholfen werde, die einen Schaden nachweisen könnten. „Und das fehlt mir bei Frau Gote. Sie sagt nur, was sie alles wieder verbieten will.“

Textil, Bekleidung, Schuhe – da können Sie bei Einführung den Pfeil nach unten sehen und bei Aufhebung den Pfeil nach oben.

Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg

Busch-Petersen wies auf die Erfahrungen hin, die es im Handel bereits mit der Maskenpflicht gebe: „Textil, Bekleidung, Schuhe – da können Sie bei Einführung den Pfeil nach unten sehen und bei Aufhebung den Pfeil nach oben.“ Dennoch sei der Einzelhandel nicht prinzipiell gegen Corona-Masken beim Einkaufen. Die roten Linien seien Lockdowns – also zeitlich befristete Schließungen, 2G- und 3G-Regeln. „Das heißt, da würden wir uns wehren“, sagte Busch-Petersen.

2G meint, nur Geimpften und Genesenen wird der Zutritt beispielsweise zu Geschäften oder Museen erlaubt, 3G Geimpften, Genesenen und Menschen mit aktuellem negativen Testnachweis.

Für die Geschäfte ist die Kontrolle solcher Regelungen mit erheblichem Aufwand verbunden. Busch-Petersen bezeichnete sie als „No-Go“. Für die Maskenpflicht gelte das nicht. „Wir wissen, dass die Maske natürlich eine hohe Wirkung entfalten kann.“

Für die Maskenpflicht sieht Gesundheitssenatorin Gote in Abhängigkeit verschiedener und teils neuer Kriterien zur Bewertung der Corona-Lage ein Stufenmodell vor. Stufe eins sind die jetzigen Regeln, die vor allem eine Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr beinhalten. Stufe zwei, also eine Maskenpflicht in bestimmten öffentlichen Räumen, will Gote nächste Woche vom Senat beraten lassen. Sollte sich die Infektionslage verschärfen, könnte diese Regelung dann in einer dritten Stufe auf weitere Räume erweitert werden. (mit dpa)

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