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Das Vivantes-Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin-Schöneberg.

© imago/Schöning/IMAGO/Schoening

Exklusiv

Gutachten zu Klinik-Finanzen: Schadensersatzansprüche für Berliner Krankenhäuser sind möglich

Weil der Senat die landeseigenen Vivantes-Krankenhäuser bevorzuge, unterstützen 29 nicht-kommunale Kliniken eine Klage. Nun stützt ein Rechtsgutachten ihre Auffassung.

Erstmals zeichnet sich im Streit um die Klinikfinanzierung des Berliner Senats ab, welche der zwei Seiten womöglich Recht bekommen könnte. Einem 195-seitigem Gutachten zufolge verstößt ein „selektiver Defizitausgleich nur für staatliche Krankenhäuser“ gegen das Krankenhausgesetz und ist zudem verfassungsrechtlich bedenklich.

Verfasst wurde das Gutachten, das dem Tagesspiegel vorliegt, von Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Potsdam. In Auftrag gegeben hatten es die Verbände der Privatkliniken sowie der katholischen Krankenhäuser. Hintergrund ist eine Klage der DRK-Klinik Köpenick.

29
Kliniken unterstützen eine Klage gegen das Land Berlin.

Stellvertretend für 29 nicht-kommunale Krankenhäuser hatte die Klinik im August vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Die Betreiber der 29 Häuser monieren, dass der Senat die landeseigenen Vivantes-Kliniken mit millionenhohen Defizitausgleichen unverhältnismäßig stark unterstütze.

Vorteil im Wettbewerb um Ärzte und Pflegekräfte?

Grundsätzlich gelten in der stationären Versorgung zwei Prinzipien: die Trägervielfalt und die duale Finanzierung. Ersteres bedeutet, die Bundesländer müssen alle für die Versorgung als nötig anerkannten Kliniken weitgehend gleich fördern – zu solchen „Plankrankenhäusern“ genannten Kliniken zählen neben den landeseigenen auch frei-gemeinnützige, konfessionelle und priva­t betriebene Häuser. Duale Finanzierung besagt, dass die Länder dabei für Technik und Bauten, die Krankenkassen für Personal und Medikamente aufkommen sollen.

Intensivstation einer Vivantes-Klinik.
Intensivstation einer Vivantes-Klinik.

© Nassim Rad / Tagesspiegel/Nassim Rad

In dem Rechtsgutachten heißt es: Ein selektiver Defizitausgleich verstoße gegen das „Prinzip der Trägervielfalt und das daraus resultierende Gebot der Gleichbehandlung“, zudem sei er „unvereinbar mit dem europäischen Beihilferecht“. Da alle Plankrankenhäuser schließlich Dienstleis­tungen von „allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ er­bringen, müssen sie „für die Erfüllung der Versorgungspflicht gleichbehandelt werden“.

Gewährten die Länder staatlichen Kliniken einen Defizitausgleich, müssen sie die Plankrankenhäuser anderer Träger ebenso finanziell berücksichtigen. In dem Potsdamer Gutachten heißt es auch: Im heftigen Wettbewerb um Ärzte und Pflegekräfte seien staatliche Krankenhäuser nicht nur in Berlin „wegen der finanziellen Ausgleichsleistungen“ der Länder sowie Kommunen „spürbar im Vorteil“. Anderen Krankenhäusern „können außerdem Schadensersatzansprüche“ zustehen, was im Detail noch zu klären sei.

Die 29 erwähnten Kliniken hatten auf dreistellige Millionensummen hingewiesen, die der Senat in den letzten Jahren in Sonderzahlungen an Vivantes ausschüttete. In der Fachwelt wird erwartet, dass der Senat seine Politik an einem eigens in Auftrag gegebenen Gutachten orientieren wird.

Aktuell gilt landesweit ein Sparkurs, der auch mit den Folgen der Corona-Krise und vor allem mit den durch den Ukraine-Krieg verstärkten Preissteigerungen begründet wird. Unklar ist zudem der Umfang der Krankenhausreform des Bundes.

Tariffragen in den Vivantes-Kliniken

Vivantes ist mit 18.000 Beschäftigten und fast 6000 Betten der größte kommunale Krankenhausträger Deutschlands. Der Druck ist besonders hoch, da es als öffentliches Unternehmen regelmäßig von Politikern aller Parteien in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses thematisiert wird.

Die DRK-Kliniken sind mit fast 4000 Beschäftigten und 1500 Betten eine frei-gemeinnützige Kette. Vor wenigen Tagen einigte sich die Spitze der DRK-Kliniken mit dem Marburger Bund auf 9,75 Prozent mehr Lohn für die Mediziner. Bei Vivantes startet die Ärztegewerkschaft ihre Tarifrunde im Januar. Kommendes Jahr sollen zudem die Vivantes-Töchter für Reinigung und Speiseversorgung ins das höhere Tarifgefüge der Stammhäuser integriert werden.

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