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Spargel liegt in Kisten nach der Sortierung bereit für den Abtransport.

© dpa/Oliver Berg

Update

Spargelbauern unter Druck: Oxfam wirft Supermärkten „ruinös niedrige Preise“ vor

Die Temperaturen passen, Pfingsten steht bevor: Wird jetzt Spargel billiger? Handel und Bauern haben unterschiedliche Ansichten. Oft geht der Kampf zulasten der Arbeiter.

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Spargel hat derzeit Hochkonjunktur und kommt in Berlin und Brandenburg vielerorts auf den Tisch – auch, weil das Gemüse nur für kurze Zeit zu haben ist. Die Saison, die im April begann, geht traditionell zum Johannistag am 24. Juni zu Ende. Viele Fragen drehen sich jetzt um die Preise: Die Kunden freuen sich, wenn sie fallen, die Bauern geben für die nächsten Wochen sehr unterschiedliche Prognosen ab. Und die Entwicklungsorganisation Oxfam wirft Supermärkten vor, den Anbaubetrieben „ruinös niedrige Preise“ zu diktieren – zulasten der Saisonarbeiter.

Die Aussagen zur Preisentwicklung und zur Angebotsmenge gehen zwischen Händlern und Beelitzer Spargelverein wegen des zu erwartenden Wetters auseinander. So rechnet etwa Obst- und Gemüsehändler Sven Schramm aus Berlin damit, dass der Preis für ein Kilo Spargel von zuletzt zehn Euro auf sechs Euro fallen wird. Er erwarte steigende Temperaturen ab diesem Montag, sodass der Spargel noch einmal wachse und dann auch rasch gestochen werden müsse, sagt Schramm.

Diese Ansicht teilt der Vorsitzende des Beelitzer Spargelvereins, Jürgen Jakobs, nicht. „Ich glaube, dass in der Pfingstwoche der Spargelpreis nicht weiter fallen wird, sondern relativ konstant bleibt“, sagt er. Der Spargelbauer rechnet mit einem Preis von acht bis zehn Euro pro Kilo.

Die Temperaturen würden laut Wetterbericht wieder fallen, ein Überangebot werde es deshalb nicht geben, erklärt er. Im April habe zu wenig die Sonne geschienen, der Spargel sei deshalb „gemächlich“ gewachsen, aber nicht überbordend. Das bedeutet ihm zufolge gute Preise für die Bauern – und damit keine Tiefpreise für die Verbraucher.

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Zum bevorstehenden Pfingst-Geschäft rechnet Jakobs mit einer deutlichen Umsatzbelebung, nach Pfingsten werde sich seiner Einschätzung zufolge die Nachfrage reduzieren. Sollte der Spargelpreis stark fallen, würden einige Bauern die Ernte beenden, wodurch sich die Preise wiederum regulierten, erklärte Jakobs.

Die Region Beelitz, südwestlich von Berlin und Potsdam, ist das größte Anbaugebiet in Brandenburg und hat eine lange Tradition. Zum Saisonstart hatte Jakobs gesagt, er rechne damit, dass sich die Anbaufläche für Beelitzer Spargel weiter verringern werde. Derzeit sind es ihm zufolge um die 1500 Hektar, zu Hochzeiten etwa im Jahr 2020 seien es rund 2000 Hektar gewesen.

Oxfam spricht von „unhaltbaren“ Arbeitbedingungen

In ganz Deutschland sind Saisonarbeitskräfte im Spargelanbau nach Angaben von Oxfam teilweise mit „unhaltbaren“ Arbeitsbedingungen konfrontiert. „Löhne werden systematisch gedrückt, viele Arbeiter sind mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen konfrontiert und berichten von schwer oder gar nicht erreichbaren Zielvorgaben“, sagte eine Oxfam-Sprecherin. Zuvor hatte der RBB über eine Oxfam-Studie zu dem Thema berichtet.

„Das sind keine Einzelfälle“, sagte Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit, die an der Studie mit beteiligt war. Beschäftigte klagten regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung, wodurch sie mehr arbeiten müssten, aber nicht mehr bezahlt bekämen. Lohndumping und massiver Leistungsdruck dürften kein Geschäftsmodell sein, so Luig.

Den Preisdruck geben die Betriebe nach unten weiter: an die Arbeiter auf den Feldern.

Oxfam über die Bedingungen in der Spargelbranche

Hinzu kommt laut der Oxfam-Sprecherin das Problem hoher Lohnabzüge durch überhöhte Mieten für Gemeinschaftsunterkünfte. „Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Kaltmiete in der Münchner Innenstadt liegt bei 23 Euro“, erklärte Steffen Vogel, Oxfam-Referent für globale Lieferketten und Menschenrechte im Agrarsektor.

Einen Betrieb in Brandenburg bezeichnete Oxfam als „skandalös“. Die Unterkünfte glichen Baracken, in den Zimmern wachse Schimmel. Die Verantwortung für diese unhaltbaren Arbeitsbedingungen sieht Oxfam auch bei den deutschen Supermärkten, die für Spargel „ruinös niedrige Preise“ zahlten. „Den Preisdruck geben die Betriebe nach unten weiter: an die Arbeiter auf den Feldern“, sagte ein Oxfam-Referent. Oxfam fordert deshalb, dass der Einkauf unter Produktionskosten verboten wird.

Bauernverband: Häufig mehr als 12 Euro Mindestlohn

Der Darstellung von Oxfam widersprach der Verband der Ostdeutschen Spargel- und Beerenobstanbauer (Vosba) am Montag entschieden. Die Studie spiegele Einzelfälle wider, sagte Geschäftsführer Frank Saalfeld. Sie beziehe sich in ihren Aussagen häufig auf einen Betrieb aus dem Spreewald, der bereits in den Vorjahren negativ aufgefallen war und schon vor der Pandemie aus dem Verband ausgeschlossen wurde.

Oxfam habe dieses „schwarze Schaf“ besonders stark gewichtet. Mindestlohnzahlungen und eine Krankenversicherung für die Saisonkräfte seien für die Betriebe verpflichtend, führte Saalfeld aus. Und der überwiegende Großteil halte sich auch dran. Saalfeld betonte, dass viele der Arbeiter über eine Gruppenversicherung letztlich wie Privatversicherte bei Krankheit versorgt würden. Hier sehe er keine Probleme. Die Standards seien um Welten besser als in Spanien und Italien, betonte Saalfeld. Bezug nahm Saalfeld auch auf die in der Branche üblichen kurzen Kündigungsfristen.

Es sei nicht so, dass Leute vor die Tür gesetzt würden, wenn sie beispielsweise durch Krankheit arbeitsunfähig sind. Meistens würden in solchen Fällen Lösungen im gegenseitigen Einvernehmen gefunden. Nichtsdestotrotz sei es so, dass beispielsweise bei vereinbarten zehn Arbeitstagen eine Kündigungsfrist von vier Wochen völlig an der Realität vorbeiginge.

Entsprechend ließe auch der Gesetzgeber die schnellere Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu. Gegen viele der Aussagen von Oxfam wehrte sich auch der Deutsche Bauernverband. „Saisonarbeiter erhalten in Deutschland mindestens einen Stundenlohn von 12 Euro, häufig sogar deutlich mehr“, sagte der stellvertretende Generalsekretär Udo Hemmerling.

Zudem böten die Versicherungen den Saisonarbeitskräften eine gute Absicherung, „insbesondere auch bei schweren Erkrankungen und privaten Unfällen“. Häufig arbeiteten Saisonarbeitskräfte seit vielen Jahren im gleichen Betrieb. „Würden sie in diesen Betrieben keine guten Arbeitsbedingungen vorfinden und schlecht vergütet werden, hätten sie sicher längst den Arbeitsplatz gewechselt.“

Laut dem RBB-Bericht prüft das Bundesarbeitsministerium, ob die Vorfälle systematischer Natur sind und gegebenenfalls eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen erforderlich ist. Grundlage der Oxfam-Studie sind nach eigenen Angaben eigene Recherchen und ein Bericht des PECO-Instituts, für den Arbeiter bei vier Betrieben interviewt wurden. (dpa)

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