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Pipettieren der Probe auf das Target (Detail)

© © Frank Lange, LLBB

Tote Tiere und verdächtige Beeren: Landeslabor Berlin-Brandenburg zieht Bilanz

Tausende Proben werden jährlich im Landeslabor untersucht. Ein Hauptziel ist, Gesundheitsrisiken und Betrug zu erkennen - teils mit kriminalistischem Spürsinn.

Im Vorbeigehen könnte man den cappuccinofarbenen Neubaukasten in der Wissenschaftsstadt Adlershof für ein normales Bürogebäude halten. Aber man kommt nicht unangemeldet hinein, und am Haupteingang mahnt ein Aushang: „Hier keine Tierkadaver-Annahme!“ Für die geht’s nämlich über den Hof.

Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB), das in diesem Gebäude seit 2019 seine Zentrale hat, ist in mehrfacher Hinsicht besonders. Zum Beispiel, weil es zeigt, wie Berlin und Brandenburg zusammenarbeiten können, wenn es politisch gewollt und praktisch umgesetzt wird. Aber auch, weil nur wenige Institutionen sich so alltagsnahen Themen widmen: Im Landeslabor wird praktisch alles untersucht und beurteilt, womit Menschen in Berührung kommen - vom Apfel bis zur Zwiebelmettwurst, vom Ackerboden bis zur Zahnbürste, aber auch Schwimmbadwasser und Luft.

Ein Hinweis am Haupteingang des Landeslabors Berlin-Brandenburg, in dem u.a.  Tierseuchen diagnostiziert werden.
Ein Hinweis am Haupteingang des Landeslabors Berlin-Brandenburg, in dem u.a. Tierseuchen diagnostiziert werden.

© Stefan Jacobs

Und eben tote Tiere, denn Seuchendiagnostik ist ein Schwerpunkt des Labors - und ein Thema, das seit der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in Brandenburg fürs Landeslabor „Dauerkrisenmodus“ bedeutet, wie dessen Direktor Mike Neumann bei der Präsentation des Jahresberichts 2021 sagte.

Rund 824.000 Proben haben die rund 500 Mitarbeiter hier sowie in den Außenstellen des Labors in Frankfurt (Oder) und Oranienburg 2021 analysiert. 80 Prozent betrafen Tierseuchendiagnostik. Hinzu kamen mehr als 25.000 Lebensmittelproben - mit einer Beanstandungsquote von 16,1 Prozent. Diese Quote liegt nach Auskunft von Neumann im langjährig üblichen Rahmen.

Rund drei Viertel der Beanstandungen betreffen Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, also irreführende oder rechtswidrige Bezeichnungen. Häufige Fälle seien aromatisiertes „Vanilleeis“ ohne Vanillegehalt und angeblich ohne Farbstoffe hergestellte Süßigkeiten. Der prominenteste Täuschungsfall der vergangenen Jahre dürfte die Lasagne gewesen sein, die statt Rind Pferdefleisch enthielt.

Bei etwa 20 Prozent der Lebensmittelproben betrafen die Mängel nicht das Etikett, sondern Verunreinigungen - Keime im Fleisch, Pestizide in Gemüse oder Acrylamid in Kartoffelchips beispielsweise. Untersucht wird „risikoorientiert“, also basierend auf Erfahrungswerten, Relevanz für die Ernährung und Schwere möglicher Gesundheitsschäden. Relativ gering war die Beanstandungsquote mit 5,5 Prozent bei Wein, deutlich höher mit 19 Prozent bei Bedarfsgegenständen und Kosmetika, am höchsten bei Tabakerzeugnissen mit 45 Prozent.

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Lebensmittelproben wurden 2021 im Landeslabor untersucht

Anders als etwa die Stiftung Warentest nennt das Landeslabor keine Namen und veröffentlicht seine Auswertungen auch nicht direkt, sondern übergibt es den Behörden wie Lebensmittelaufsicht und Veterinärämtern, in deren Auftrag es auch überwiegend arbeitet. Das bedeutet umgekehrt auch, dass Privatpersonen sich nicht direkt ans Landeslabor wenden können, wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt. Indirekt allerdings schon, wie ein aktuelles Beispiel zeigt.

„Kleine Beere, große Verwirrung“, beschreibt der LLBB-Wissenschaftler Martin Kaufmann den Fall, der mit einer Verbraucherbeschwerde begann und das Labor nun regelmäßig beschäftigt: Ein Käufer von Heidelbeeren hatte wegen der relativ großen Früchte den Verdacht, dass sich in seinem Tiefkühlpäckchen keine Waldheidelbeeren tummelten, sondern Kulturheidelbeeren. Letztere wären deutlich billiger zu ernten - und in besagtem Paket illegal, denn wo „Heidelbeere“ draufsteht, müssen Waldheidelbeeren drin sein. So will es die Rubrik „Obsterzeugnisse“ in den „Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches“.

Das Gebäude des Landeslabors Berlin-Brandenburg an der Rudower Chaussee in Berlin-Adlershof.
Das Gebäude des Landeslabors Berlin-Brandenburg an der Rudower Chaussee in Berlin-Adlershof.

© Stefan Jacobs

Die Frage, ob dem Beerenkäufer ein Bär aufgebunden wurde, führte zunächst zu der Erkenntnis, dass sich mit einfachen Methoden - etwa: Beere zerschneiden und schauen, ob sie durchgefärbt ist wie für Waldheidelbeeren typisch - bei Konserven nichts ausrichten lässt. Auch die in anderen Fällen oft hilfreiche Suche nach markanten chemischen Verbindungen half in diesem Fall nicht weiter. Und die Erkenntnis, dass es weltweit rund 450 Heidelbeerarten gibt, machte den Fall nur noch komplizierter. Einfacher wurde es erst wieder, als sich erwies, dass kommerziell nur drei Arten wirklich relevant sind.

Mithilfe eines Massenspektrometers, in dem ein Laser kleinste Bestandteile aus der ausgequetschten Heidelbeere herausschießt und diese dann in einem ganz spezifischen Tempo durch ein Vakuum fliegen, ließ sich eine Art biochemischer „Fingerabdruck“ der einzelnen Heidelbeerarten gewinnen. Und siehe da: Es waren tatsächlich Kulturheidelbeeren in der Packung. Und nicht nur in dieser, wie die Wissenschaftler inzwischen herausgefunden haben: von mittlerweile 25 untersuchten Heidelbeerproben bestanden nach Auskunft von Kaufmann nur drei aus den vorgeschriebenen Waldheidelbeeren. „Das heißt, wir haben eine Beanstandungsquote von rund 90 Prozent“, resümiert Kaufmann.

Die Erkenntnisse gehen nun als Laborbericht an einen Sachverständigen, der sie an die Behörden in Berlin und Brandenburg weitergibt; vielleicht landen sie eines Tages auch bei der Justiz. Denn auch wenn in diesem Fall keine Gesundheitsgefahr besteht, ist es Täuschung auf Kosten der Verbraucher und der ehrlichen Hersteller.

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