zum Hauptinhalt
Den Durchlauf von Aspirin-Tabletten verfolgt der Betriebsleiter Verpackung, Jürgen Ahrens, in der Bayer Bitterfeld GmbH am 06.07.2005 in Bitterfeld.

© dpa/Peter Endig

„Back to the Future“: Fünf Vorschläge zur Stärkung der industriellen Gesundheitswirtschaft in Berlin und Brandenburg

Berlin galt einmal als die „Apotheke der Welt“, weil die Pharmaindustrie hier besonders gut etabliert war. Heute kommen viele Pillen aus Fernost. Aber es gäbe Wege zurück, meinen unsere vier Gastautor:innen.

Ein Gastbeitrag von
  • Rolf Erler
  • Maria Schwarz
  • Andrea Sacher
  • Anis Ben-Rhouma

Der Mangel an lebensnotwendigen Medikamenten ist zum zentralen Thema geworden. Auch der Tagesspiegel hat mehrfach darüber berichtet. Und das, obwohl Deutschland und insbesondere Berlin einst als „Apotheke der Welt“ galt. Wir wollen daher einige konstruktive Vorschläge machen, um den Standort Berlin zu stärken. Berlin braucht die industrielle Gesundheitswirtschaft und ihre Fachkräfte und wir müssen viel dafür tun, dass diese attraktive Arbeitsbedingungen vorfinden, um sowohl nachhaltige Beschäftigung in Berlin als auch die Versorgung mit Medizinprodukten zu sichern.

Image der industriellen Gesundheitswirtschaft stärken

Die industrielle Gesundheitswirtschaft in Deutschland hat durch eine lange Geschichte von Skandalen ein Image-Problem. Mit der Pandemie und den lebenserhaltenden Impfstoffen hat sich dieses Bild gewandelt. Hieran gilt es anzuknüpfen. Berlin hat mit Strukturen wie der Marke „Gesundheitsstadt“, der Wirtschaftsförderung Berlin Partner, dem „Masterplan Industriestadt Berlin“ (MPI), dem „Steuerungskreis Industriepolitik“ (SKIP), der breit gefächerten universitären Landschaft und den Forschungsinstituten alle Möglichkeiten, die industrielle Gesundheitswirtschaft positiver in die Gedankenwelt der Menschen in Berlin und über die Stadtgrenzen hinaus zu bringen. Impfstoffe gegen Corona-Viren, medikamentöse Therapien gegen Krebs, Antibiotika oder Husten- und Fiebersäfte schützen Menschenleben, müssen aber auch vorher entwickelt und dann produziert werden.

Mitbestimmung und Tarifverträge stärken

Die industrielle Gesundheitswirtschaft Berlins ist geprägt durch ein kooperatives und sozialpartnerschaftliches Miteinander. Das bedeutet nicht, dass keine Konflikte ausgetragen werden, aber Betriebsräte hier denken vordergründig an die Sicherung von Standorten, das Wachstum selbiger und vor allem an die Arbeitsplätze der Beschäftigten. Der Flächen-Tarifvertrag der Chemischen Industrie liefert einen umfassenden Rahmen für diese Betriebe und ist gleichzeitig ein großer Anreiz zur Fachkräftegewinnung. Es liegt im Rahmen der Tarifautonomie bei den Sozialpartnern selbst, Tarifverträge abzuschließen. Aber der Senat kann hierbei durchaus flankieren, bei Betrieben, die keinen Tarifvertrag haben, auf die Vorteile verweisen und bei Betriebsbesuchen regelmäßig auch Gespräche mit den Betriebsräten einplanen.

Infrastruktur stärken – Bezahlbares Wohnen ermöglichen

Die bessere Anbindung des Nahverkehrs an die Betriebe ist für die Beschäftigten eines der wichtigsten Anliegen. Einige der Betriebe sind in schlecht angeschlossenen Industriegebieten angesiedelt. Zu viele Beschäftigte kommen aufgrund der Schichtsysteme, der schlechten Anbindungen und Taktungen immer noch mit dem Auto und halten den Individualverkehr auch damit auf einem hohen Niveau. Hier kann der Senat zusammen mit den Bezirken Unterstützung leisten. Zudem wird Wohnen immer essenzieller für die Beschäftigten. Schwarz-Rot hat sich das Thema ganz groß auf die Agenda geschrieben. Das ist richtig und auch für die Betriebe in der industriellen Gesundheitswirtschaft zwingend erforderlich. Wir schlagen gemeinsame Modell-Projekte von Senat und den Betrieben zur Errichtung neuer Werkswohnungen als innovative Ansätze zur Fachkräftegewinnung und
-sicherung vor.

Zusammenarbeit mit Brandenburg stärken

Ganz klar ist: Für eine tragfähige zukünftige industrielle Gesundheitswirtschaft geht ohne Brandenburg gar nichts! Wir wollen hier die gemeinsamen Anstrengungen verstärken und ausbauen. Es gibt bereits ein gemeinsames Gesundheitscluster, das gestärkt werden kann. Hochrangige Verantwortliche sollten zukünftig an den Sitzungen des SKIP teilnehmen, es könnte darüber hinaus geprüft werden, ob im Rahmen des MPI gemeinsame Projekte mit der Brandenburger Wirtschaftsförderung möglich sein können und vielleicht hilft Berlin auch einmal ein wenig Demut und Respekt vor der Brandenburger Wirtschaftspolitik, die offenbar diskret, aber umso konsequenter die Tesla-Ansiedelung und auch weitere Projekte vorangebracht hat.

Die Entwicklung von neuen Produkten unterstützen – Produktion stärken

Zentral ist die Entwicklung und die daraus folgende mögliche Herstellung von neuen Produkten in der Hauptstadtregion. Hier kann und muss der Senat in Sachen Forschungs- und Wirtschaftsförderung aus dem Vollen schöpfen. Nicht viel weniger als eine „Industriepolitische Strategie des Senats zur Stärkung der Gesundheitswirtschaft“ ist hier notwendig.

Gemeinsam mit den Industrie- und Wirtschaftsverbänden kann hier tatsächlich eine zukunftsträchtige Perspektive entwickelt und zeitnah implementiert werden. Dazu gehören natürlich auch eine Verwaltungsreform mit verlässlichen Ansprachestrukturen und die unkomplizierte Bereitstellung von Flächen. Wichtig ist aber vor allem ein klares Bekenntnis des Berliner Senats zur industriellen Gesundheitswirtschaft. In der Praxis geht es jetzt darum, alles dafür zu tun, dass neue Produkte in Berlin entwickelt und vor allem auch produziert werden.

Zurück in die Zukunft? – Die nächsten Jahre sind entscheidend!

Die Arbeit des Senats in den nächsten Jahren ist für die hier aufgeführten Punkte entscheidend. Es wird wohl kaum die technische Möglichkeit geben, eine Zeitmaschine anzuwerfen und – wie in der bekannten Filmreihe „Back to the Future – Zurück in die Zukunft“ – in die Zeit zurückzugehen, um Deutschland, beziehungsweise Berlin wieder einfach so durch die Veränderung des Raum-Zeit-Kontinuums zur „Apotheke der Welt“ zur machen. Dafür sind real große Anstrengungen nötig. Es gilt daher: Wir wollen sehr wohl zurück in die Zukunft. Aber dafür müssen wir jetzt auch sehr viel tun. Gehen wir es an!

Dieser Beitrag ist eine Kurzversion eines längeren Textes zu den Perspektiven der industriellen Gesundheitswirtschaft Berlins. Die ausführliche Version finden Sie auf der Seite des IG BCE-Bezirks Berlin Mark-Brandenburg: markbrandenburg.igbce.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false