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Kevin Hönicke

© Montage: Tagesspiegel/Schneider | imago images, TSP

Update

Berliner Gericht hebt Dienstverbot auf: Stadtrat Hönicke darf zurück ins Bezirksamt Lichtenberg – die Vorwürfe bleiben

Im Verfahren um Geheimnisverrat war Kevin Hönicke aus seinem Bezirksamt suspendiert worden. Das Oberverwaltungsgericht hebt das zwar auf. Ein Freispruch ist das nicht für den SPD-Politiker.

| Update:

Der SPD-Politiker Kevin Hönicke darf wieder als Stadtrat im Bezirksamt Lichtenberg arbeiten. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschieden. Damit gab es Hönickes Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren statt.

Den Vorwurf, Hönicke habe Dienstgeheimnisse verraten, stellte das Gericht aber nicht infrage. Vielmehr ist für das OVG der Fall so offenkundig, dass keine Verdunklungsgefahr mehr besteht – und Hönicke deshalb wieder ins Amt darf. Einige Beschäftigte begrüßten ihn am Mittwochmorgen im Bezirksrathaus von Berlin-Lichtenberg.

Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) hatte Hönicke im Oktober die Ausübung der Amtsgeschäfte untersagt. Grund waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen. Hönicke soll Journalisten interne Unterlagen zu einem längst abgeschlossenen Verfahren zu nicht belegter sexueller Belästigung durch einen Mitarbeiter zugespielt haben.

Das Landgericht Berlin hatte erst vergangene Woche Medienberichte über die Vorwürfe untersagt, weil dafür jegliche Belege fehlen. Die Berichte hatten sich vor allem auf Hönicke und Stadträtin Camilla Schuler (Linke) gestützt. Doch die 2022 von Schuler als Opfer benannten Frauen erklärten nun per eidesstattlicher Versicherung, sie hätten die Vorwürfe nie erhoben.

Bezirksstadträtin Camilla Schuler (Die Linke).
Bezirksstadträtin Camilla Schuler (Die Linke).

© Bezirksamt Lichtenberg

Die Lichtenberger SPD hatte vom Ausgang des Verfahrens vor dem OVG abhängig gemacht, ob sie selbst Hönickes Abwahl als Stadtrat beantragt. Ob Hönicke wegen der Disziplinarverfahren gegen ihn dennoch um sein Amt bangen muss, blieb am Dienstag unklar. Das OVG stellte fest: „Eine Vorwirkung für den Ausgang eines Disziplinarverfahrens ergibt sich aus dieser Entscheidung nicht.“

Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU).
Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU).

© Bezirksamt Lichtenberg

Das Verwaltungsgericht hatte noch im Dezember Hönickes Freistellung bestätigt und dessen Eilantrag abgewiesen. Es lägen ausreichende Indizien für den Verdacht vor, dass Hönicke seine beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht verletzt hat. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis zum Bezirksbürgermeister beschädigt. Dagegen legte der SPD-Politiker Beschwerde ein und hatte nun Erfolg.

Das OVG stellte fest, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte der Abwehr von Gefahren für den Dienstbetrieb diene. Im Vordergrund stehe dabei die Prognose, ob die Aufgabenerfüllung der Behörde durch Hönickes Anwesenheit erheblich gefährdet ist.

Bei Hönicke spielten beamtenrechtliche Regeln eine Rolle, aber auch Besonderheiten bei der Rechtsstellung der Mitglieder des Bezirksamts. Laut OVG führte das Dienstverbot zu einer Verzerrung des politischen Kräfteverhältnisses zwischen den Fraktionen, welches sich aus der Wahl ergebe. Demnach müssten die zwingenden dienstlichen Gründe für ein Verbot der Dienstausübung nur unter engen Voraussetzungen vorliegen.

Doch die von Bezirksbürgermeister Schaefer vorgebrachten zwingenden dienstlichen Gründe seien „nicht mehr erkennbar“. Grund: Hönickes Fall ist ohnehin weithin bekannt. Denn der Tagesspiegel habe den Fall weithin publik gemacht.

Rückblick: Ein Tagesspiegel-Redakteur hatte wie andere Journalisten einen anonymen Briefumschlag erhalten. Davon verbreitete er im Frühjahr in einem sozialen Medium ein Foto. Der Post wurde nach wenigen Minuten wieder gelöscht. Das Bezirksamt Lichtenberg erstattete Anzeige, das Landeskriminalamt (LKA) ermittelte.

OVG sieht keine Gefahren für künftigen Dienstbetrieb

Die auf dem Foto erkennbare Briefmarke war per personalisiertem Account beim Postdienstleister DHL zum Selbstausdrucken erstellt worden. Anhand eines Codes darauf konnten die Ermittler Hönicke durch seine private E-Mail-Adresse als Accountinhaber identifizieren.

Im Beschluss des Verwaltungsgerichts heißt es dazu: Die „Verknüpfung der Briefmarke mit der Adresse“ des Stadtrats spreche dafür, dass dieser „elektronische Nachrichten aus der Behörde in ausgedruckter Form“, also „geheim zu haltende Interna“ versandt habe. Für andere „eher abseitige Erklärungen“, dass Hönicke die Briefmarke anderen zur Verfügung gestellt haben könnte, gebe es keinen Anhaltspunkt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedenfalls gegen Hönicke.

Bezirksamt: „Haltlose Vorwürfe“ der Medien gegen einen Mitarbeiter

Für ein Dienstverbot reicht das dem OVG nicht. Denn nach den Tagesspiegel-Berichten und den veröffentlichen Unterlagen sei nachvollziehbar, dass die Hönicke „als Urheber zugeordnete Offenlegung in einem konkreten Zusammenhang zu thematisch begrenzten Vorgängen in der Vergangenheit stand“. Seither bestünden keine Verdunkelungsgefahr oder erhebliche Gefahren für den künftigen Dienstbetrieb.

Im Frühjahr 2022 waren im Bezirksamt angeblich Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen einen Mitarbeiter erhoben worden. Bei der internen Prüfung bestätigte sich das nicht. Kurz vor der Wiederholungswahl im Februar 2023 wurden dann die Briefe mit den internen Vermerken zu den Ermittlungen im Bezirksamt an die Presse verschickt – darunter auch Aktenmaterial von Stadträtin Schuler.

Schuler und der suspendierte Hönicke dienten dann im Januar als Kronzeugen für Berichte der „Berliner Zeitung“. Das Blatt wärmte die alten, längst für erledigt erklärten Belästigungsvorwürfe wieder auf, nannte den betroffenen Mitarbeiter namentlich und zeigte ihn mit großem Foto. Der Mitarbeiter beantragte eine einstweilige Verfügung gegen das Blatt und dessen Berichterstattung. Und erhielt nun Rückendeckung vom Landgericht. Dieses untersagte in zwei Urteilen in weiten Teilen Berichte über den Mitarbeiter.

Die Verdachtsberichterstattung sei in Bezug auf den betroffenen Mitarbeiter weitgehend unzulässig, die Zeitung könne nicht einmal ein Mindestmaß an Tatsachenbeweisen für die schweren Vorwürfe vorlegen, erklärte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung.

Am Dienstag erklärte das Bezirksamt zu den Urteilen, die Medien hätten „haltlose Vorwürfe und Verdächtigungen gegen einen Mitarbeiter“ verbreitet, obwohl er „einen absoluten Anonymitäts- und Schutzanspruch hat“. Der Bereich der freien Meinungsäußerung zulasten unseres Mitarbeiters sei weiten Teilen „rechtswidrig überschritten“ worden. Der durch die „rechtswidrige Verbreitung verursachte Ansehensverlust“ betreffe den Mitarbeiter, weitere Mitarbeiterinnen und das gesamte Bezirksamt.

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