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Leonie Buse (v. li.), Adrian Doll, Malte Kutz und Ronja Selle haben den Film „Ofiara“ unter Zeitdruck produziert.

© Thilo Rückeis

Berliner Filmwettbewerb: Auf die Plätze, Klappe, los

In kürzester Zeit einen Film produzieren – das ist das „48 Hours Film Project“. Die Ergebnisse werden im Kino Babylon gezeigt.

Bochow ist nicht Hollywood. Eher selten dient das kleine Dorf südlich von Jüterbog als Filmkulisse. Doch am vergangenen Wochenende hetzten dort junge Menschen mit Kameras und anderem Equipment über die Stoppelwiese. Ein Drehbuch hatten sie in aller Eile während der Fahrt im Auto geschrieben. Die Requisite warf den Schauspielern noch schnell ihre Kostüme über, schon ging’s los. Nachdem alle Aufnahmen im Kasten waren, ging es ebenso rasant wieder zurück nach Babelsberg – in den Schnittraum. Das Ziel: In kürzester Zeit einen professionellen Kurzfilm drehen für das Filmfestival „48 Hours Film Project“.

Das Team um Regisseur Adrian Doll hat es geschafft. Das Ergebnis ist ein etwa siebenminütiger Streifen, ein Antikriegsfilm mit dem Titel „Ofiara“. Der wird am Sonnabend, 14. September, im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz auf der großen Leinwand zu sehen sein - als einer von insgesamt zwölf Kandidaten. Eine Jury, die die ganze Woche über den Filmen gebrütet hat, kürt am Ende die Gewinner. Die Besonderheit dieses ungewöhnlichen Festivals: Alle Teilnehmer mussten ihren gesamten Film in nur 48 Stunden planen, drehen, schneiden und fertig produzieren. Ein solches Unterfangen erfordert viel Organisationstalent und Teamwork.

Die Vorgaben erfahren die Teams beim Startschuss

„Für die Teilnahme gelten sehr strenge Regeln“, sagt Patrick Rupprecht, der Sprecher des Berliner Veranstalters. Um sicherzustellen, dass die Teams ihre Arbeiten nicht vorbereiten konnten, wurden ihnen drei Pflichtelemente vorgegeben. Die mussten möglichst kreativ im Film untergebracht werden: eine Figur, eine Requisite und eine vorgegebene Dialogzeile. „Diese Elemente haben die Teilnehmer erst zu Beginn erfahren“, erklärt Rupprecht, „außerdem wurden für jedes Team zwei Genres ausgelost, zum Beispiel Film Noir oder Horror. Mindestens eines davon mussten sie nehmen.“ Startschuss war am vergangenen Samstagabend. Ab da lief der Countdown.

Kameramann Tim Strecker bei den Dreharbeiten in Bochow.
Kameramann Tim Strecker bei den Dreharbeiten in Bochow.

© promo

Normalerweise sei die Vorbereitung eines Drehs entscheidend, erklärt Adrian Doll. Auch bei einem Kurzfilm wird jede Szene minutiös geplant. Am Set verbringt das Team viel Zeit mit Feinjustierungen, alle Szenen werden mehrfach gedreht, bis alles stimmt. Doch ein solcher Perfektionismus ist bei diesem Wettbewerb unmöglich. Im Gegenteil, alles wird improvisiert – und zwar unter größtem Zeitdruck und mit wenigen Mitteln.

„Entscheidungen müssen in kurzer Zeit getroffen werden“, sagt Doll. Besonders wichtig sei, dass das Team perfekt zusammenarbeite. In seiner Gruppe wirkten insgesamt 14 Personen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands mit, hauptsächlich Freischaffende und Studenten. Einige hätten sich erst am Sonnabend kennengelernt. Er sei beeindruckt gewesen, wie gut sie dennoch sofort zusammenarbeiten konnten, so als wären sie bereits aufeinander eingespielt: „Es hat einfach Klick gemacht und dann ging es los“, sagt er.

Von Berlin an die US-Ostküste

Der 21-jährige studiert Regie an der Filmuniversität Babelsberg. Bei „48 Hours“ nahm sein Team schon zum zweiten Mal teil. Der Anstoß dazu kam im vergangenen Jahr von Kameramann Tim Strecker. Die beiden trommelten einige Freunde zusammen und meldeten sich spontan an. Mit Erfolg. Im letzten Jahr räumten sie richtig ab: Ihr Kurzfilm „Pygmalion“ erhielt mehrere Preise für Regie und Schauspiel und wurde zum besten Film des Berliner Wettbewerbs gekürt.

Das Kurzfilmfestival wird nicht nur in Berlin, sondern weltweit in mehr als 130 Städten ausgetragen. 2001 fand der erste Wettbewerb in Washington D.C. statt. Heute gibt es Ableger rund um den Globus. Die Gewinner der nationalen Ausscheide treffen sich jeweils im Folgejahr beim Festival Filmapalooza. Das fand zuletzt im Mai in Orlando, Florida, statt. Als deutsches Siegerteam waren auch Adrian Doll und seine Mitstreiter dabei. Sie flogen zuerst nach New York und nutzten die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Roadtrip an der US-Ostküste entlang.

14 Leute haben an "Ofiara" gearbeitet, sich zum Teil erst bei Drehbeginn kennengelernt - und waren trotzdem ein gutes Team.
14 Leute haben an "Ofiara" gearbeitet, sich zum Teil erst bei Drehbeginn kennengelernt - und waren trotzdem ein gutes Team.

© promo

„Der Hammer“, schwärmt Adrian Doll über das Filmapalooza, wo man so viele junge Filmschaffende aus allen Ecken der Welt kennenlernen kann. Gewonnen haben die Deutschen jedoch am Ende nicht noch einmal, der Hauptpreis ging an einen französischen Kurzfilm. Doch dabei sein ist alles für die jungen Filmschaffenden. Schließlich können sie auf dem Festival, bei Workshops und dazugehörigen Partys auch Kontakte in der Branche knüpfen. Das nächste Filmapalooza findet im März 2020 in Rotterdam statt. Und das diesjährige Berliner Siegerteam wird seinen Film dort zeigen können.

„In Berlin haben sich in diesem Jahr 14 Teams angemeldet“, sagt Patrick Rupprecht. „Zwölf davon haben es geschafft, sich für die Jury-Sichtung zu qualifizieren.“ Zwei Filme seien aus formalen Gründen disqualifiziert worden: Einer sei zu spät fertig geworden. Ein anderes Team hatte das vorgegebene Genre nach Ansicht der Jury nicht richtig umgesetzt. Diese Filme sollen beim Finale trotzdem gezeigt werden, außerhalb des Wettbewerbs.

Sinnvolle Sachpreise statt hoher Preisgelder

Für aufstrebende Filmemacher bietet das Festival eine Gelegenheit, das eigene Können unter Beweis zu stellen. Hohe Preisgelder haben die Sieger jedoch nicht zu erwarten. Verliehen werden Sachpreise von Sponsoren, zum Beispiel eine Lizenz für ein kostspieliges Schnittprogramm, ein Drehbuch-Seminar oder ein Gutschein für einen professionellen Equipment-Verleih. „Auf diese Weise wollen wir die jungen Kreativen bei der Arbeit an ihren eigenen Filmprojekten unterstützen“, sagt Patrick Rupprecht. Das Konzept käme bei den Teilnehmern gut an. Ein praxisorientierter Sachpreis helfe Nachwuchsprofis mehr als ein bloßes Preisgeld, meint er.

In Berlin gab es „48 Hours“ bereits 2007 zum ersten Mal, damals noch mit einem anderen Veranstalter. Doch 2016 wurde es eingestellt. Der Filmeditor Martin Oberhaus fand das schade. Oberhaus betreibt das Schnittstudio „Revolver Studios“ in Charlottenburg. Er hatte selbst einmal am Festival teilgenommen und wollte ihm neues Leben einhauchen. Deshalb versammelte er eine kleine Crew von Filmfreaks um sich und gründete eine Event-Firma, die den Relaunch des Festivals im vergangenen Jahr stemmte. Seither gibt es eine professionellen Social-Media-Kampagne und es wird von Sponsoren aus der Filmszene unterstützt.

In Zukunft planen die Veranstalter, die Zusammenarbeit mit anderen lokalen Filmfestivals auszubauen, sagt Sprecher Rupprecht. Außerdem soll zum Hauptwettbewerb noch ein zweiter Ausscheid für Musikvideos hinzukommen – ebenfalls gedreht in nur 48 Stunden.

Adrian Dolls Team gehört auch in diesem Jahr zu den Favoriten. Ob es erneut für einen Sieg reicht, erfahren die Filmschaffenden ebenso wie die Zuschauer aber erst am heutigen Abend im Kino Babylon. Das Publikum kann sich außerdem eine Auswahl internationaler Kurzfilme von anderen 48-Hours-Festivals anschauen.

Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz, Einlass um 18.30 Uhr, Beginn 19 Uhr. Eintritt 10 Euro. Mehr Informationen unter www.achtundvierzig.berlin.

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