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dpatopbilder - 07.03.2023, Brandenburg, Cottbus: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beantwortet in der Cottbuser Stadthalle im Rahmen der Reihe «Kanzlergespräche» Fragen aus dem Publikum. Foto: Soeren Stache/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Soeren Stache

Update

Ärztemangel, Ukraine-Krieg und Geflüchtete: Eine Stuhlkreisrunde mit dem Bundeskanzler in Cottbus

Olaf Scholz will bei seinen Kanzlergesprächen direkten Bürgerkontakt. Kreuz und quer geht es in Cottbus durch die Themen. Doch vor allem drei Bereiche stechen heraus.

| Update:

Wie kann dem Ärztemangel auf dem Land begegnet werden? Wie sieht die weitere Haltung der Bundesregierung zum Ukraine-Krieg aus? Und wie geht es weiter in der Flüchlingspolitik? Diesen und weiteren Fragen von Bürgerinnen und Bürgern hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstagabend in der Cottbuser Stadthalle gestellt. Im Rahmen der sogenannten Kanzlergespräche war der Regierungschef zu Besuch in der zweitgrößten Stadt Brandenburgs.

Vor der Stadthalle waren zeitgleich laute Trommeln und Trillerpfeifen zu hören. Das Bündnis Bürger für Bürgerrechte Cottbus hatte zu einer Kundgebung aufgerufen. „Scholz muss weg“ forderten Sprechchöre. Redner sprachen von einer „unerträglichen“ Ampel-Koalition. Auf Plakaten der etwa 100 Teilnehmenden stand unter anderem „Ich bin nicht im Krieg gegen Russland. Stoppt die EU-Kriegstreiberei“.

Im großen Saal der Stadthallte bildeten indes etwa 150 Menschen einen Stuhlkreis – mittendrin der Regierungschef, der die Fragen von Teilnehmenden beantwortete. Sie waren zuvor nach Angaben der „Lausitzer Rundschau“ unter rund 400 Anmeldungen ausgelost worden.

Pflegenotstand auf dem Land

Gleich zu Beginn ging es um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auf dem Land. Was die Bundesregierung für eine bessere Ärzteversorgung tue, fragte etwa die Koordinatorin der Selbsthilfekontaktstelle der Stadt. Die Leiterin einer Tagespflege beschrieb die anhaltend schlechte Situation in der Pflege. Es herrsche eine massive Unterversorgung der Pflegenden.

Für ganz Deutschland müsse es eine gute Grundversorgung geben und ausreichende Angebote für medizinische Leistungen, antwortete Scholz. Ärzte würden durch Stipendien motiviert, sich in ländlichen Regionen niederzulassen. Ein guter Beitrag für die Ärztegewinnung sei auch, dass die Universitätsmedizin in Cottbus aufgebaut werde. Aber auch der Pflegeberuf müsse attraktiver werden, betonte Scholz. Vor allem müssten viele in diesem Beruf gehalten werden. Die Verweildauer liege derzeit bei acht bis neun Jahren. „Was wir jetzt machen können ist, die Refinanzierung zu verbessern.“ Genau das solle die Pflegereform regeln, um die bestehenden Strukturen zu erhalten.

Was hält Scholz vom „Manifest für den Frieden“?

Ein Mann wollte wissen, was der Kanzler vom „Manifest für den Frieden“ halte. Unter dem Motto „Aufstand für Frieden“ hatten die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer das Papier veröffentlicht, in dem sie den Bundeskanzler auffordern, „die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen“.

Mit Gewalt könnten keine Grenzen verschoben werden, sagte Scholz mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Diese werde unterstützt, damit sie sich verteidigen könne. „Ich habe dafür gesorgt, dass wir unsere Entscheidungen genau abwägen“, betonte Scholz. Er wolle diesen abgewogenen Prozess auch fortsetzen.

Der Kanzler stellt sich darauf ein, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine noch lange dauern könnte. „Wir müssen befürchten, dass das noch länger zugeht, obwohl wir uns natürlich jeden Tag wünschen, das ist anders“, sagte er bei der Fragerunde. Der Krieg sei „mit unglaublichen Verlusten“ auf beiden Seiten verbunden. Alleine Russland habe zwischen 30.000 bis 40.000 und 100.000 Soldaten verloren. „Beides wären unvorstellbare Mengen“, so Scholz.

Der Regierungschef sprach sich als Konsequenz aus der neuen Bedrohungslage für eine engere Verzahnung von Bundeswehr und Rüstungsindustrie aus, um zum Beispiel Munitionsknappheit vorzubeugen.

Frust über die Flüchtlingspolitik

Fast zum Schluss stellte sich eine Fragestellerin noch als „schwierige Person“ vor. Die Kommunalpolitikerin aus Forst führte an, dass die Kommunen die Betreuung der Geflüchteten nicht allein bewältigen können. Es gebe zu wenig Personal, Frust lade sich aus der Bürgerschaft bei den Kommunalpolitikern ab. Integration brauche mehr Unterstützung durch den Bund. „Macht bitte solche Politik, die hier bei uns in der Region auch händelbar ist“, sagte sie an den Kanzler gerichtet.

Der Bund habe dazu eine Reihe von Entscheidungen getroffen, antwortete Scholz. Die Aufnahme von etwa einer Million Geflüchteten aus der Ukraine sei eine große Gemeinschaftsleistung gewesen. Kosten seien aus Bundesmitteln übernommen worden, fast drei Milliarden Euro würden für das laufende Jahr bereitgestellt, so Scholz. Zudem seien viele Bundesimmobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt worden, etwa 70 000 Plätze würden genutzt. Weitere Immobilien zur Nutzung sollen folgen.

Zudem seien die Verfahren zur Abschiebung von Asylbewerbern mit wenig Bleibeperspektive effizienter gemacht worden. „Wir wollen mit den Hauptherkunftsländern Abkommen schließen“, erläuterte der Bundeskanzler. Dabei gehe es einerseits um Fachkräftegewinnung, andererseits aber auch um die Rücknahme von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive. Solch ein Abkommen gebe es bereits mit Indien. „Es ist harte Arbeit, aber wir machen uns an diese harte Arbeit“, so der Regierungschef. (dpa)

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