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© PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS

Beginn der Luftbrücke vor 75 Jahren: Ein Kraftakt der Logistik sicherte die Freiheit Berlins

Über 15 Monate wurde die eingekesselte Teilstadt aus der Luft versorgt. Bereits ein Blick in die Statistiken gibt einen Eindruck von dem ungeheuren Kraftakt der West-Alliierten.

„Russen sperren Stromlieferungen – Auch Güterverkehr eingestellt“. In einer Kurzmeldung in der Ausgabe vom 24. Juni 1948, in letzter Minute auf der Titelseite platziert, informierte der Tagesspiegel über den Beginn der Berlin-Blockade. Kurz nach Mitternacht hatte sie begonnen und dauerte bis zum 12. Mai 1949, 0:01 Uhr. Genau 75 Jahre ist Stalins Versuch einer Erpressung des Westens her.

Die am 20. Juni 1948 in Kraft getretene Währungsreform in den drei West-Zonen war Anlass der Blockade, die dank der von US-Militärgouverneur General Lucius D. Clay initiierten und von den Alliierten binnen weniger Tage organisierten Luftbrücke scheiterte. Diese beeindruckt noch heute allein beim Blick auf die Statistiken, die einen Eindruck geben von dem Kraftakt der Alliierten, der die Freiheit West-Berlins sicherte. Mitunter schwanken die Zahlenangaben allerdings von Quelle zu Quelle, die Luftbrücke war eine Meisterleistung der Logistik, weniger der Buchführung.

1 466 Luftbrücken-Tage

Die ersten amerikanischen und britischen Maschinen starteten am 28. Juni. Die Franzosen, in den Indochina-Krieg verwickelt, unterstützten logistisch, aber ohne Flugzeuge. Nach Blockade-Ende wurden die Flüge zunächst fortgesetzt. Der letzte Luftbrücken-Flug der Amerikaner erfolgte am 30. September 1949, der letzte britische sechs Tage später.

2 555.370 Hin- und Rückflüge

Die Hauptlast wurde von den Amerikanern mit 379.688 Hin- und Rückflügen getragen, auf die Briten entfielen 175.682 Flüge. Am 16. April 1949 gab es sogar 1398 Flüge, die höchste an einem Tag erreichte Zahl. Im Durchschnitt landete an diesem Ostersonnabend also alle 62 Sekunden eine Maschine in Tempelhof, Gatow, Tegel oder auf der Havel. Neben Militärmaschinen wurden auch Flugzeuge ziviler Airlines eingesetzt.

3 2.325.809 Tonnen Luftfracht

Es wurden 1.586.530 t Kohle eingeflogen, 538.016 t Lebensmittel und 201.263 t sonstige Güter, darunter auch Zeitungspapier für den Tagesspiegel (Tonnage nach US-Maßeinheit Short ton, also jeweils 906 Kilogramm). Auch 166.675 Personen wurden aus- und 59.031 Personen eingeflogen. Die Transportleistung der Amerikaner war mehr als dreimal so hoch wie die britische, was auch an den eingesetzten Flugzeugtypen und ihrer Ladekapazität lag. Die wichtigste Transportmaschine der U.S. Air Force war die viermotorige C-54, die der Royal Air Force die zweimotorige C-47.

4 1 Kamel

Zu den Passagieren der Luftbrücke gehörte auch das Dromedar „Clarence“. Es war das Maskottchen der 525th Fighter Squadron, die das Jungtier bei einem Einsatz in Libyen erworben hatte. Am 21. Oktober 1948 wurde „Clarence“ von der Einheit mit der „Camel Caravan to Berlin“ in die blockierte Stadt eingeflogen, samt mehr als drei Tonnen Süßigkeiten, die aus den Satteltaschen des Tieres an Berliner Kinder verteilt wurden.

5 2 Streifen Kaugummi

Mehr hatte Luftbrücken-Pilot Gail Halvorsen als Geschenk nicht zu bieten, als er nach seiner ersten Landung in Tempelhof am Zaun des Flughafens mit Kindern ins Gespräch kam. Eine Begegnung mit Folgen: Daraus entstand spontan die Idee, beim Anflug Süßigkeiten an kleinen selbstgebastelten Fallschirmen abzuwerfen und dies durch Wippen mit den Tragflächen anzukündigen: „Onkel Wackelflügel“ war geboren, dessen Beispiel auch andere Piloten folgten. Rund 23 Tonnen Süßigkeiten sollen dabei über Berlin abgeworfen worden sein.

6 94 Tage für einen neuen Flughafen

Am 4. August 1948 begannen auf dem ehemaligen Tegeler Schießplatz die Bauarbeiten für einen weiteren Flughafen. Etwa 19.000 Arbeiter und Arbeiterinnen kamen zum Einsatz. Am 5. November erfolgte als Generalprobe die erste Landung: eine viermotorige C-54 Skymaster, an Bord neben General William H. Tunner, dem Cheforganisator der Luftbrücke, auch vier Tonnen Käse. Die Rollbahn war mit 1676 Metern die längste in Europa. Zwei Sendemasten in Tegel, von den Sowjets besetzt und vom Ost-Sender Berliner Rundfunk genutzt, störten anfangs den am 1. Dezember eröffneten Flugbetrieb. Der französische Stadtkommandant General Jean Gavenal ließ sie kurzerhand sprengen.

7 78 Opfer von Unfällen

Von den drei Luftkorridoren wurden der nördliche und der südliche für Flüge nach Berlin, der mittlere für Rückflüge genutzt. Misslang der erste Landeversuch, musste die Maschine zum Heimatflughafen zurück. Trotzdem blieb die Luftbrücke ein gefährliches Unternehmen. 39 britische, 31 amerikanische und acht deutsche Opfer sind auf dem Sockel des am 10. Juli 1951 eingeweihten Luftbrückendenkmals am Flughafen Tempelhof namentlich verzeichnet, gestorben bei Abstürzen, Bruchlandungen und anderen Unfällen.

Kopien des Denkmals gibt es auf dem Flughafen Frankfurt Main und nahe dem Fliegerhorst Celle-Wietzenbruch. In der Friedenauer Handjerystraße 2 erinnert eine Gedenktafel an die beiden Besatzungsmitglieder einer C-47, die dort am 25. Juli 1948 abgestürzt war. Nach dem Piloten Charles H. King und zwei weiteren bei anderen Flugunfällen um Leben gekommenen US-Soldaten wurden in einer ehemaligen US-Siedlung in Nikolassee Straßen benannt.

8 22 Soldaten werden Filmstars

Kurz nach Ende der Versorgungsflüge begann US-Regisseur George Seaton an Originalschauplätzen mit den Dreharbeiten zu dem Luftbrücken-Spielfilm „The Big Lift“, mit Montgomery Clift und Paul Douglas in den Hauptrollen. Seaton griff weitgehend auf Laien als Statisten zurück, darunter US-Militärs, die kurz zuvor noch bei der Luftbrücke eingesetzt worden waren. Im Abspann fährt die Kamera an 22 vor einer C-54 aufgereihten Air-Force-Soldaten entlang, genannt werden Dienstgrad und Namen. Ihre Rollen im Film: „Themselves“.

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