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Anwohnenden-Info-Veranstaltung zur Erweiterung der Gemeinschaftsunterkunft Marquardter Chaussee Potsdam.

© Andreas Klaer

Erweiterung von Flüchtlingsunterkunft im Potsdamer Norden: Anwohner aus Marquardt kritisieren fehlende Infrastruktur

In der Gemeinschaftsunterkunft Marquardter Chaussee sollen ab März 80 weitere Geflüchtete in Container einziehen. Die Anwohner ärgern sich über die späte Information und die Standortwahl.

Die Marquardter Nachbarschaft soll weitere Geflüchtete aufnehmen. Auf dem Gelände der Schiffbau-Versuchsanstalt in der Marquardter Chaussee 102 im Stadtteil Bornim hatte die Stadt Potsdam im November 2017 eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 64 Plätze eröffnet. Diese soll ab März um 80 Plätze in Containern erweitert werden. Am Donnerstagabend informierten Oberbürgermeister Mike Schubert, Sozial-Beigeordnete Brigitte Meier (beide SPD) sowie weitere Verwaltungsangestellte die Marquardterinnen und Marquardter über das Vorhaben in ihrer Nachbarschaft.

„Die Container stehen doch schon. Worüber reden wir denn?“, fragten mehrere Bürger zu Beginn in der Marquardter Kulturscheune. „Das ist nicht mein Verständnis von Demokratie“, kritisierte ein weiterer. „Die Kritik ist berechtigt. Wir sind spät dran“, lenkte Meier ein.

Oberbürgermeister Mike Schubert und die zuständige Beigeordnete Brigitte Meier stellten sich den Fragen.
Oberbürgermeister Mike Schubert und die zuständige Beigeordnete Brigitte Meier stellten sich den Fragen.

© Andreas Klaer

Rathauschef Schubert betonte mehrfach, dass es bei der Unterbringung nicht um das „Ob“, sondern das „Wie“ des Zusammenlebens gehe. „Die Frage des Obs ist 2015/16 entschieden worden“, so Schubert, nämlich mit der ersten Unterkunft. „Die Landeshauptstadt Potsdam hat eine Aufnahmepflicht“, sagt er. „Wir versuchen sie in der Stadt so zu verteilen, dass Integrationsarbeit möglich ist und keine Hotspots entstehen.“

2023 hatte die Stadt 764 Geflüchtete aufgenommen. Weil noch nicht genug Unterkunftsplätze geschaffen waren, entstand laut Schubert ein Aufnahmedefizit von 269 Menschen. Somit werden für dieses Jahr 1400 Neuankömmlinge prognostiziert.

Container sollen ab März bezogen werden

Bereits zum 1. März soll die Containererweiterung bezogen werden. Jeder Container solle mit zwei Personen oder einem Paar mit Baby belegt werden, größere Familien bekämen zwei Container, erläuterte Christian Kappes, Regionalleiter des Betreibers Living Quarter. Wie im Bestandsgebäude nebenan mit Gemeinschaftsbädern und -küchen sollen sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Container waschen und selbst versorgen können. Für die Erweiterung wird ein Abwassertank aufgestellt. Zudem soll ein Streetball-Feld entstehen.

Oberbürgermeister Mike Schubert bei der Informationsveranstaltung in Marquardt.
Oberbürgermeister Mike Schubert bei der Informationsveranstaltung in Marquardt.

© Andreas Klaer

Die Container sind eine Übergangslösung und bis zum 31. Oktober 2025 genehmigt ist. Mittelfristig solle ein Neubau für bis zu 140 Menschen entstehen und dadurch deren Wohnsituation in wohnungsähnlicher Unterbringung verbessert werden, so Meier.

Die Stadt hatte mehrere Grundstücke in der Marquardter Chaussee von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erworben. Dort sollen ein Zentralarchiv/-depot, ein Bauhof, ein BMX-Park sowie ein kleines Gewerbegebiet entstehen. Auf circa 1000 Quadratmetern ist der An- oder Erweiterungsbau der Gemeinschaftsunterkunft geplant.

Im Gespräch mit den Maquardterinnen und Marquardtern.
Im Gespräch mit den Maquardterinnen und Marquardtern.

© Andreas Klaer

Marquardter kritisieren Standortwahl

Die Gemeinschaftsunterkunft liegt abgelegen. Bis zum Bahnhof Marquardt sowie in den Ortsteil sind es 1,5 Kilometer. In direkter Nachbarschaft liegt lediglich die Anglersiedlung Kanalbrücke. „Es ist der am schlechtesten geeignete Ort für eine Gemeinschaftsunterkunft“, bemängelte einer der rund 40 anwesenden Interessierten. Der nächste Supermarkt sei fünf Kilometer entfernt, am Wochenende würden kaum Busse fahren, sagte er.

Ein Kleingartenanlieger beschwerte sich über Dreck und Unrat und sagte: „Bei 140 Menschen aus verschiedenen Kulturen sind riesige Probleme vorprogrammiert. Welche Maßnahmen ergreift die Stadt außer Wachschutz, um die Bürger zu schützen?“

Die Bewohner machen nicht mehr Ärger als der Nachbar nebenan.

Christian Kappes, Regionalleiter von Living Quarter

Betreiber Christian Kappes bot an, er könne den Müll vorbeibringen und das Gespräch mit den Sozialarbeitern und Geflüchteten suchen. Jede Beschwerde werde an die Stadt weitergeleitet. „Die Bewohner machen nicht mehr Ärger als der Nachbar nebenan“, so Kappes. Intern gebe es manchmal kulturell oder sprachlich bedingte Konflikte, nach außen gäbe es keine. Die derzeitigen 60 Untergebrachten seien großteils über 60-Jährige aus der Ukraine sowie ein paar Familien und „gut integrierte“ Menschen anderer Herkunft, die derzeit Deutschkurse besuchen.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Durchmischung besser ist“, berichtete Kappes aus den Erfahrungen der vier Unterkünfte, die Living Quarter in Potsdam betreibt, unter anderem in Fahrland. „Wenn wir merken, dass etwas brodelt, rufen wir die Belegungssteuerung der Stadt an.“ Dann ziehen Konfliktparteien in verschiedene Einrichtungen.

Der Saal der Kulturscheune war überschaubar gefüllt.
Der Saal der Kulturscheune war überschaubar gefüllt.

© Andreas Klaer

Das Team um Heimleiterin, Hausmeister und Sozialarbeiter sei souverän und gut auf weitere 80 Geflüchtete vorbereitet. „Es wird ein entspannterer Start als bei einer Neugründung“, so Kappes. Neue Bewohnerinnen und Bewohner würden „eng geführt“ und direkt auf Fehlverhalten aufmerksam gemacht. Die Infrastruktur sieht Kappes nicht als Problem. Er kenne keine Beschwerden der Geflüchteten.

Sorge um Geflüchtete, Budget für mehr Integration

Norman Winter, einer der wenigen direkten Anwohner, nennt die fehlende Beleuchtung und Auffindbarkeit mit GPS die „schlechteste Infrastruktur der Stadt“. „Wenn bei uns etwas passiert, findet uns niemand. Das ist für jeden eine Gefahr. Nicht nur für die da wohnen, auch für die, die kommen. Wir haben Faschisten in der Stadt, die wissen, dass dort nichts los ist“, so Winter.

Er und Madlen Fabiunke haben sich mit Geflüchteten angefreundet. Fabiunke ist regelmäßig mit ihren Hunden vom Tierschutzverein in der Unterkunft, mehrfach hat sie Spenden gesammelt. Gregor Jekel, Fachbereichsleiter für Wohnen, Arbeit und Integration, und Mike Schubert ermutigten sie sowie die Marquardter, das Integrationsbudget der Stadt für solche Projekte zu nutzen, etwa im Tierschutz oder um gemeinsam Feste zu gestalten.

Die Unterkunft in der Marquardter Chaussee wurde 2017 eröffnet.
Die Unterkunft in der Marquardter Chaussee wurde 2017 eröffnet.

© Andreas Klaer

Großteils konstruktiv

Der Austausch in der Kulturscheune lief zweieinhalb Stunden lang recht konstruktiv ab. Das Problem der fehlenden Außenbeleuchtung an der Unterkunft will Kappes beheben. Die Kritik an den Plänen der Marquardter Chaussee, etwa zu BMX-Park und Gewerbegebiet, nehmen die Verwaltungsangestellten auf.

„Warten wir doch erstmal ab“, schloss Ortsvorsteher Peter Roggenbuck den Abend. Er blickt gelassen auf die Unterkunft. „Die Anlage ist am Rand von Marquardt. Man muss denen auch eine Chance geben.“ Oberbürgermeister Schubert bot an, das Ortseilforum im Sommer für einen Austausch zu den ersten Monaten mit 140 Geflüchteten zu nutzen und gegebenenfalls nachzusteuern.

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