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Rolf Mützenich verteidigte den Kanzler im Bundestag.

© imago/Future Image/IMAGO/Frederic Kern

„Nachdenken, wie man Krieg einfrieren kann“: Scharfe Kritik an Ukraine-Äußerungen von SPD-Fraktionschef Mützenich

Im Bundestag stritten die Parteien über eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Eine Äußerung des SPD-Fraktionschefs wird von Grünen, FDP und Union kritisiert.

Der Umgang mit deutschen Taurus-Marschflugkörpern für die Ukraine wird für die Bundesregierung zu einer immer größeren Belastungsprobe. Zwar stimmten SPD, Grüne und FDP am Donnerstag mehrheitlich gegen einen Antrag der Union, der eine Lieferung des Taurus an die Ukraine gefordert hatte, doch zuvor hatten sich Vertreter der Koalition gegenseitig scharf kritisiert.

„Auch Zögern und Zaudern kann am Ende zur Eskalation beitragen“, sagte die Verteidigungspolitikerin der Grünen, Agnieszka Brugger, vor der Abstimmung in Richtung Bundeskanzler Olaf Scholz.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen kritisierte die SPD dafür, „Geschichten vom Frieden“ zu erzählen, die nur bis zum nächsten Wahlkampf gelten würden. Brugger machte klar, dass ihre Partei eine Taurus-Lieferung für notwendig hält.

Anspielung auf Schröders „Basta“-Politik

Das Nein von Scholz, das er am Vortag in der Regierungserklärung erneuert hatte, kritisierte sie: „Die Zeiten von Gerhard Schröder sind zum Glück schon lange vorbei“, sagte sie in Anspielung auf die „Basta-Politik“ des früheren Kanzlers.

Auch die Redner der FDP machten deutlich, dass sie für eine Lieferung seien. Allerdings stimmten in der namentlichen Abstimmung später nur die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, und der FDP-Vize Wolfgang Kubicki mit der Union.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich, verteidigte dagegen die Entscheidung des Kanzlers und warf den Koalitionären „bösartiges“ Verhalten vor. Er betonte die große Hilfe Deutschlands für die Ukraine.

Zudem kritisierte er, dass es ein „Schandfleck“ sei, wenn man sich die Frage stelle, ob „es nicht an der Zeit ist, dass wir nicht nur darüber reden, wie wir einen Krieg führen, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann.“

Für diese Aussage kritisieren ihn Grüne und FDP nun erneut: „Herr Mützenich sollte vor seinen Redebeiträgen kritisch prüfen, was er vor drei Wochen selbst unterschrieben hat“, sagte der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber mit Verweis auf einen Beschluss vor drei Wochen, in dem sich die Ampel für die territoriale Integrität der Ukraine, die Rückeroberung der Krim und die Lieferung „weitreichender, zusätzlicher Waffensysteme“ ausgesprochen hatte. „Herr Mützenich hat für den Taurus gestimmt und sollte dann nicht das Gegenteil erzählen“, sagte Faber dem Tagesspiegel.

Auch die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer erinnerte den SPD-Politiker an den Beschluss: „Rolf Mützenich hat sich in einem entscheidenden Punkt gegen den Antrag unserer Fraktionen gestellt. Darin war die vollständige Wiederherstellung der Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine betont worden und eben kein Einfrieren des Konflikts“, sagte sie dem Tagesspiegel.

Die Opposition kritisierte die Ampel für ihre Zerstrittenheit: „Ich habe noch nie erlebt, dass sich eine Regierungskoalition in einer Bundestagsdebatte derart zerfleischt hat“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Auch er kritisierte die Äußerungen Mützenichs.

Diese würden den Eindruck verstärken, dass Olaf Scholz noch immer auf Verhandlungen mit Russlands Präsident Putin setze. „Mützenich hat diese Katze heute aus dem Sack gelassen. Scholz und die SPD verkennen, dass Putin absolut kriegsentschlossen ist“, sagte Röttgen dem Tagesspiegel.

Abgeordnete der SPD stellten sich dagegen hinter den Fraktionsvorsitzenden: „Es bleibt dabei, dass die Ukraine entscheidet, wie es weitergeht“, sagte der Außenpolitiker Nils Schmid. Und weiter: „ Man kann aber auch nicht ignorieren, wenn ihre Verbündeten über mögliche Zwischenschritte auf dem Weg zur vollständigen Rückgewinnung ihres Territoriums sprechen – das macht Wolodymyr Selenskyj doch selbst. Rolf Mützenich hat auf diese Tatsache hingewiesen – nicht mehr und nicht weniger.“

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