zum Hauptinhalt
Im vergangenen Jahr schützte die Bundeswehr mit Patriot-Raketenabwehrsystemen den Nato-Gipfel von Vilnius - nun wird ein weiteres davon an die Ukraine abgegeben.

© AFP/PETRAS MALUKAS

„Die Zeit für sofortiges Handeln ist jetzt“: Deutschland startet weltweite Luftabwehr-Initiative für die Ukraine

Mit einem dramatischen Appell werben Annalena Baerbock und Boris Pistorius für eine internationale Koalition. Sie soll der Ukraine möglichst schnell mehr Raketenabwehrsysteme liefern.

Es ist keine große Neuigkeit mehr, dass die ukrainischen Streitkräfte zusehends in die Defensive geraten. Immer häufiger stehen sie vor dem unauflösbaren Dilemma, mit den vorhandenen Kapazitäten der Luftabwehr, entweder Städte und kritische Infrastrukturen im Hinterland oder die eigenen Leute an der Front zu schützen. Erst in der Nacht zu Mittwoch gab es wieder verlustreiche russische Luftangriffe.

Ein wichtiger Grund dafür, dass sich die Kräfteverhältnisse derart verschoben haben, ist nach Ansicht von militärischen Beobachtern die von Russland entwickelte sogenannte Gleitbombe. Sie wird von Flugzeugen in etwa 40 bis 60 Kilometern Entfernung vom Ziel ausgeklinkt und kann von Radaranlagen schlecht erkannt und somit auch schlecht abgewehrt werden.

Kiews Warnungen finden Gehör

Die Ankündigung vom Wochenende, der Ukraine nun sehr schnell und ohne vorausgehende Ausbildung ein drittes Patriot-Raketenabwehrsystem zu überlassen, ist Ausdruck dessen, dass offenbar inzwischen jeder Tag zählt, um eine militärische Niederlage der Ukraine abzuwenden. Ausgangspunkt der jüngsten Initiative war ein dramatischer Appell von Kiews Außenminister Dmytro Kuleba beim Nato-Ukraine-Rat vergangene Woche in Brüssel.

Deutschland, das zusammen mit Frankreich die Unterstützerkoalition zur Luftabwehr koordiniert, versucht nun, weltweit zusätzliche Raketenabwehrsysteme zu mobilisieren. Dafür haben Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gerade gemeinsam einen Brief an alle Nato-Staaten sowie ein Schreiben an eine Reihe weiterer internationaler Partner geschrieben.

Alle sollen sie nachschauen, ob nicht doch noch mehr aus den eigenen Arsenalen abgegeben oder von der heimischen Industrie produziert oder für die Ukraine priorisiert werden kann. Von „schmerzhaften Entscheidungen“ ist die Rede, weil weitere Abgaben auch die eigene Verteidigungsfähigkeit einschränken. Auch Geld würde helfen, heißt es – um jene Staaten zu entschädigen, die Material abgeben.

Wir alle können etwas beitragen, vielleicht mehr, als wir in der Vergangenheit für möglich gehalten haben.

Annalena Baerbock und Boris Pistorius in einem Brief an ihre Amtskollegen der Nato

Die Schreiben bilden den Start einer globalen „Initiative for Immediate Action on Air Defense“ (IAAD) – allein, dass sie das sofortige Handeln für mehr Luftverteidigung im Namen trägt, verdeutlicht den Ernst der Lage. Die Schreiben lesen sich wie ein dramatischer Appell. „Wir alle können etwas beitragen, vielleicht mehr, als wir in der Vergangenheit für möglich gehalten haben“, schreiben Baerbock und Pistorius: „Die Zeit für sofortiges Handeln bei der Luftabwehr ist jetzt.“

Patriot-Systeme und was sonst noch geht

Der Fokus liegt vor allem auf Patriot-Systemen, die als effektivste Abwehrwaffe gegen die ballistischen Raketen der russischen Seite angesehen werden. Letztlich soll aber organisiert werden, was geht. Von Seiten der deutschen Rüstungsindustrie ist dieses Jahr noch die Lieferung von insgesamt sieben weiteren Iris-T-Abwehrsystemen für den Nahbereich und mittlere Entfernungen geplant. Außerdem ist den beiden Bundesministern zufolge vorgesehen, der Ukraine weitere Gepard-Flugabwehrpanzer und Luftabwehrsysteme vom Typ Skynex zur Verfügung zu stellen.

Beim G7-Außenministertreffen, das von Mittwoch bis Freitag auf der italienischen Insel Capri stattfindet, will Baerbock zudem mit ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken über einen größeren amerikanischen Beitrag sprechen. Die Vereinigten Staaten verfügen über das mit Abstand größte Arsenal von Patriot-Systemen – die weitere Unterstützung der Ukraine ist jedoch parteipolitisch hochumstritten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false