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Geliebt, erwünscht, geplant? Rund um das Thema Schwangerschaft stellen sich viele komplizierte ethische Fragen.

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Abtreibung, Eizellspende, Leihmutterschaft: Was die Kommission empfiehlt und was daraus werden könnte

Es geht um Themen von höchster Brisanz, und nun plädiert eine Regierungskommission für Reformen. Was Sie wissen müssen, um die Debatte zu verstehen.

Die Ergebnisse wurden vorab schon bekannt, doch erst am Montag war es offiziell so weit: Eine von der Ampel eingesetzte Kommission stellte ihre Empfehlungen zur Neuregelung einerseits des Themas Abtreibung und andererseits der Themen Eizellspende und Leihmutterschaft vor. Was die Fachleute empfehlen und was politisch daraus werden könnte:

Warum gab es eine Kommission und welchen Auftrag hatte sie?

Eizellspende, Leihmutterschaft, Abtreibung: Es sind gesellschaftlich hoch kontroverse Themen, die sich die Regierungskoalition anzupacken vorgenommen hat. In den Koalitionsverhandlungen konnte man sich nicht auf konkrete Änderungen einigen, also beschlossen die Parteien, zunächst eine Kommission tagen zu lassen.

Besetzt wurde diese vor allem mit Frauen, aber auch einigen Männern aus der Wissenschaft: Juristinnen, Ethikerinnen, Medizinerinnen und Vertreterinnen weiterer Disziplinen. Es gab zwei Arbeitsgruppen, je eine für die beiden Themenkomplexe. Nach einem Jahr der Beratungen liegen die Ergebnisse nun vor.

Was empfehlen die Fachleute zum Thema Eizellspende?

Eizellspende, das bedeutet: Eine Frau versucht mit einer Eizelle, die nicht von ihr selbst stammt, schwanger zu werden. In Deutschland ist das derzeit anders als in anderen Ländern verboten, unter anderem, damit ein Kind nicht zwei Mütter hat. Das hält die Kommission für nicht mehr zeitgemäß und argumentiert, das gesellschaftliche Bild von Familie habe sich geändert und sei vielfältiger geworden.

Die Expertinnen regen eine Legalisierung der Eizellspende an, sagen aber auch: Der Gesetzgeber kann zu dem Ergebnis kommen, dass die Eizellspende verboten bleiben soll. Beide Wege seien verfassungsrechtlich und ethisch vertretbar.

Wer Eizellen spendet, unterzieht sich einer medizinisch belastenden Prozedur mit hormoneller Stimulation und Eizellentnahme. Das ist ein entscheidender Unterschied zur Samenspende. Allerdings weist die Kommission darauf hin, dass es auch Konstellationen für eine Eizellspende geben kann, in denen diese belastende Prozedur nicht von vornherein für fremde Interessen auf sich genommen wird:

  • Wenn Eizellen übrig sind, die eine Frau sich für die eigene Kinderwunschbehandlung entnehmen ließ
  • Wenn eine Frau sich Eizellen entnehmen und einfrieren ließ, um später Mutter werden zu können („Social Freezing“), diese Eizellen aber nicht mehr nutzen möchte
  • Wenn ein lesbisches Paar sich wünscht, dass eine der Frauen die Eizelle spendet und die andere das Kind austrägt

Denkbar wäre es, nur diese Fälle von Eizellspende zu legalisieren. Aber auch die rein fremdnützige Spende kann nach Ansicht der Expertinnen erlaubt werden.

Sollte der Gesetzgeber die Eizellspende ermöglichen wollen, hält die Kommission viele Bedingungen für nötig. Beispielsweise müsse durch ein Register das Recht des Kindes, seine Abstammung zu kennen, sichergestellt werden. Der Spenderin müsse Beratung angeboten werden, und im Fall der rein fremdnützigen Spende müsse es eine angemessene Aufwandsentschädigung geben.

Wie sehen die Vorschläge zur Leihmutterschaft aus?

Noch einmal andere Fragen stellen sich beim Thema Leihmutterschaft. Hier geht es um Konstellationen, in denen eine Frau ihr gewünschtes Kind aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst austragen kann oder zwei Männer gemeinsam eine Familie gründen wollen oder ein Single-Mann Vater werden will.

Wer dann als Leihmutter agiert, nimmt in einem noch einmal viel höheren Ausmaß als bei der Eizellspende gesundheitliche Risiken auf sich. Verzweifelte Paare, die sich ein Kind wünschen, sind oft bereit, sehr große Summen zu investieren. Daher stellt sich auch die Frage, wie Geschäftemacherei verhindert werden kann.

Die Kommission stellt fest: Es gebe stets „ein Potenzial für Umgehungen und Missbrauch“. Es liege daher im Ermessen des Gesetzgebers, am Verbot der Leihmutterschaft festzuhalten.

Er könne diese aber auch erlauben. Dabei müsse zwischen zwei Konstellationen unterschieden werden: Im ersten Fall kennen sich Leihmutter und Wunscheltern schon und haben freundschaftliche oder verwandtschaftliche Bande. Denkbar wäre der Fall, dass eine Frau für ihre Schwester oder für ihren Bruder und dessen Ehemann ein Kind austrägt.

Im zweiten Fall lernen sich Leihmutter und Wunscheltern erst im Zusammenhang mit der möglichen Leihmutterschaft kennen. Auch hier sieht die Kommission die Möglichkeit, diese Fälle unter dem Begriff der altruistischen, also selbstlosen Leihmutterschaft mit zu erfassen.

Die Idee der Kommission: Nur weil Geld gezahlt wird, heißt das nicht, dass es sich um ein reines Geschäft handelt. Die Beteiligten müssten per Vereinbarung anerkennen, dass sie zueinander eine Beziehung eingehen, die über die Geburt des Kindes hinausreicht. Damit ist gemeint, dass Leihmutter und Eltern in irgendeiner Form, wenn auch nur sporadisch, in Kontakt bleiben und sich ihre Wege nach der Geburt nicht wie nach einem abgeschlossenen Handelsgeschäft für immer trennen.

Die Kommission schlägt für den Fall einer Legalisierung ganz allgemein, also für beide Konstellationen, unter anderem vor:

  • Nur gemeinnützige Organisationen, die keine Gewinne erzielen, sollten Leihmütter vermitteln und die Beteiligten beraten und begleiten dürfen.
  • Ziel solle sein, dass nur Frauen Leihmutter werden können, die schon mindestens ein Kind geboren haben.
  • Die Leihmutter müsse innerhalb einer kurzen Frist nach der Geburt das Recht haben, sich umzuentscheiden, selbst zur rechtlichen Mutter zu werden und das Kind zu behalten.
  • Es brauche eine angemessene Aufwandsentschädigung für die Leihmutter.

Was empfiehlt die Kommission in Sachen Abtreibung?

Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe eins zum Thema Abtreibung sind klarer und eindeutiger als bei den anderen Themen. Die Expertinnen kommen zu dem Schluss, die derzeitige Rechtslage sei nicht haltbar.

Momentan ist ein Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche unter Bedingungen straffrei, aber dennoch rechtswidrig. Das gehört nach Ansicht der Kommission geändert: Sie plädiert für Straffreiheit und Rechtmäßigkeit in dieser Frühphase der Schwangerschaft. Entsprechend müsse der Gesetzgeber auch sicherstellen, dass jede ungewollte Schwangere zeitnah und barrierefrei in gut erreichbaren Einrichtungen einen Abbruch vornehmen lassen kann. Das ist derzeit vor allem in ländlichen Regionen nicht flächendeckend der Fall.

Eine solche Änderung wäre ein Signal an die ungewollt Schwangeren, dass es ihr gutes Recht ist, die Schwangerschaft zu beenden, und dass die Interessen des Embryos oder Fötus dem nicht entgegenstehen. Genau das macht den Vorschlag brisant und politisch umstritten.

Die Kommission geht im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage sogar noch weiter: Sie hält es für möglich, den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich zu erlauben, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem das ungeborene Kind außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig wäre. Das ist – aus Perspektive des Kindes mit Sicherheitspuffer gerechnet – nicht vor der 22. Schwangerschaftswoche der Fall. Bis dahin habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum.

Die Kommission fordert aber eine Neuregelung für Schwangerschaften nach Vergewaltigung. Derzeit darf aufgrund dieser sogenannten kriminologischen Indikation nur bis zur 12. Woche abgetrieben werden. Diese Frist solle verlängert werden, fordern die Expertinnen. Gerade nach einer Gewalttat seien Frauen oft traumatisiert und würden ihre Schwangerschaft womöglich zunächst verdrängen.

Für die Phase, in der ein Kind außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig wäre, hält die Kommission das Lebensrecht des Ungeborenen grundsätzlich für vorrangig. Abbrüche sollten grundsätzlich nicht erlaubt werden.

Allerdings fordert die Kommission genauere Regeln für die Fälle der sogenannten medizinischen Indikation. Dabei geht es um Konstellationen, in der das Leben der Schwangeren in Gefahr ist oder ihre körperliche oder seelische Gesundheit bedroht sind. Dann sind schon heute Abbrüche theoretisch bis zur Entbindung erlaubt. In der Praxis gibt es hier aber Grauzonen und Unklarheiten.

Haben die Vorschläge die Chance auf politische Realisierung?

Was aus den Empfehlungen der Kommission politisch wird, ist ungewiss. Bei der FDP gibt es in Teilen der Fraktion große Vorbehalte gegen eine Legalisierung der Abtreibung. SPD und Grüne aber fordern, dass etwas passiert. „Wir haben die Debatte dreißig Jahre lang nicht geführt, und das war ein Fehler“, sagte Leni Breymaier, familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel.

Wir haben die Debatte dreißig Jahre lang nicht geführt, und das war ein Fehler.

Leni Breymaier, familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

Sie weist darauf hin, dass es rein praktisch große Probleme gibt, auch wenn Abtreibungen derzeit straffrei möglich sind. „Die Versorgungslage ist mancherorts katastrophal, zum Beispiel in Bayern. Das ist auch eine Auswirkung der derzeitigen Rechtslage, deshalb sollten wir uns vom Stigma des Strafgesetzbuches beim Thema Abtreibung trennen.“

Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sagte dem Tagesspiegel: „Die Versorgungslage kann niemanden in Ruhe lassen, zumal in den nächsten Jahren viele Ärztinnen und Ärzte, die überhaupt noch Abbrüche durchführen, in den Ruhestand gehen werden.“ Doch es brauche eine sachorientierte Debatte ohne Polarisierung. Die Vorschläge der Kommission müssten nun gesellschaftlich breit diskutiert werden.

Wie sehr das Thema die Gemüter auf allen Seiten bewegt, wurde in der vergangenen Woche bereits deutlich. Die Union hat angekündigt, Verfassungsklage einzureichen, sollten Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen legalisiert werden. Unionsfraktionsvize Dorothee Bär (CSU) sagte der „Funke“-Mediengruppe, die Kommission habe „wenig überraschend geliefert, was von der Ampel bestellt wurde“. Bär zeigte sich „fassungslos, dass der Lebensschutz des ungeborenen Kindes offenbar keine Rolle mehr spielen solle“. Das sei ein „Dammbruch für unser Werteverständnis“.

Womöglich sieht das die Mehrheit der Bevölkerung aber anders. Am Montag wurden die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage veröffentlicht. Demnach fänden es 72 Prozent der Befragten richtig, wenn ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen ohne Einschränkungen erlaubt wäre. 

Auch beim Thema Eizellspende und Leihmutterschaft ist keine einfache Lösung in Sicht. Hier wäre bei der FDP der Wunsch, etwas zu ändern, größer, bei SPD und Grünen hingegen gibt es mehr Diskussionsbedarf, und so manches Parlamentsmitglied hat sich noch keine abschließende Meinung gebildet.

Denkbar ist bei einem Thema oder beiden, am Ende ohne Fraktionszwang über einen Gesetzentwurf abstimmen zu lassen. Für diejenigen, die Abtreibung legalisieren wollen, würde das aber auch ein Risiko bergen: Wenn es dann keine Mehrheit gäbe, wäre das Thema auf absehbare Zeit erst einmal vom Tisch.

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