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Original oder Fälschung? Das Bild „Nackte Mädchen in der Barke“ (1911) von August Macke hing bei Chrstie’s zur Versteigerung.

© Deutschlandfunk

Podcast-Serie im Radio: Die dunklen Seiten des Kunstmarktes

Stefan Koldehoff interessieren die kriminellen Aspekte beim Handel mit Kunst. Neue Fälle deckt er in der DLF-Reihe „Tatort Kunst“ auf.

Keine Zeit, kein Personal und gerade andere Probleme: Könnte Wolfram Dittmayer also bitte seine störenden Appelle an das Von der Heydt Museum unterlassen?! Dabei wollte Dittmayer erstmal nur erfahren, ob es sich bei dem Gemälde „Die Marktkirche in Halle“ von Lyonel Feininger um ein Werk aus der Sammlung seines Vaters handelt. Zwei Kisten voller Meisterwerke waren verschwunden, nachdem der Unternehmer Teile der von ihm erworbenen Kunst 1944 nach Prag gebracht hatte – in eine Dependance seiner Reißverschlussfabrik. Im September 1945 wurde er von der tschechoslowakischen Polizei trotz seiner Aufenthaltsgenehmigung festgenommen, vier Monate später starb Dittmayer in Haft.

Seine Familie, mit der er Dresden während der Bombadierung verlassen hatte, wies man aus, die Kisten blieben in Prag und sind bis heute verschollen. Bloß Feiningers Bild tauchte wieder auf und wurde 1986 vom Wuppertaler Museum angekauft. Die Reaktion der damals gerade frisch angetretenen Direktorin auf Wolfram Dittmayers Anfragen stammt allerdings nicht aus jener Zeit. Die brüske Antwort bekam der Sohn im Jahr 2000. Und das ist längst nicht der einzige Moment, der einem im neuen Podcast-Reihe „Tatort Kunst“ des Deutschlandfunk den Atem stocken lässt. Seit die Familie die Spur der Sammlung verfolgt, wird sie misstrauisch beäugt.

Täuschen, tricksen, kopieren

„Zwei Kisten in Prag“ vollzieht ihre Geschichte nach. Der Podcast ist Nr. 2 von insgesamt fünf Fällen, die den Kunstmarkt tangieren und ihn mitunter zweifelhaft erscheinen lassen. Meist geht es um viel Geld, das die Beteiligten zum Tricksen, Täuschen und Betrug animiert. Stefan Koldehoff, lange Jahre DLF-Redakteur und nun zum Chefreporter Kultur befördert, hat die Exempel gesammelt und – so sagt er – nie das richtige Format für ihre profunde Darstellung gefunden. Bis vergangenen März: Da entschied sich der öffentlich-rechtliche Radiosender für eine Serie von Podcasts zum Thema. Raubkunst, Nazi-Porzellan, eine Fälschung, Kolonialismus, ein neuer Gurlitt-Skandal.

Alle fünf Fälle sind abrufbar

Nun können sämtliche Episoden auf einmal gestreamt werden – und eigentlich will man sie alle nacheinander hören. Was Koldehoff zusammen mit seiner Kollegin Rahel Klein in klugen Dialogen und mithilfe eines erfahrenen Teams (zu dem unter anderem der Kunstjournalist Tobias Timm zählt) recherchiert hat, ist so spannend wie journalistisch professionell, vor allem aber immer wieder unglaublich.

Da wird mit Nazi-Devotionalen gehandelt und behauptet, das inkriminierte Porzellan habe nichts mit dem KZ Dachau zu tun. Obgleich es jüdische Zeitzeugen gibt, die dort in Zwangsarbeit für die Manufaktur Allach-München schufteten.

Dem Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi fällt vor den Kunsthistorikern auf, welches der beiden Macke-Bilder, von denen eines jüngst bei Christie’s versteigert werden sollte, die Fälschung ist. Und Dittmayers müssen sich – als ein weiteres Bild aus der Sammlung auftaucht, das in Prag für acht Millionen Euro versteigert werden soll – vom Auktionator anhören, ihr Vater respektive Großvater sei ein Kollaborateur gewesen und dank der Nazis unermesslich reich geworden.

Der Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart

Allerdings findet Koldehoff auch heraus, dass in den 1940er-Jahren Hans Dittmayer um die Aufnahme in Hitlers Partei gebeten hat. Eine Information, mit der sie die Familie ebenfalls konfrontieren. Der Fall wird kompliziert, nicht allein deshalb, und zeigt wie sämtliche aufgerollten Beispiele von „Tatort Kunst“ nicht simpel zu lösen sind. Das Von der Heydt Museum nennt die Dittmayer nun immerhin in der Erwerbungssgeschichte des Feininger-Bildes und erkennt an, dass es sich um ein Werk aus der Sammlung handelt; was vor zwei Jahrzehnten schlicht bezweifelt wurde. Wie es weitergeht, ist unklar. Vielleicht zählt dies zu den eindringlichsten Erkenntnissen von „Tatort Kunst“: welchen Einfluss die Vergangenheit bis heute auf den Kunstmarkt nimmt.

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