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Blick in die Ausstellung „Hallen #4“ mit einer Arbeit von Jonathan Monk.

© Galerie Meyer Riegger / Foto: Devid Gualandris

Wo wir stehen: Die Wilhelm Hallen läuten die Berlin Art Week ein

Zwei private Sammlungen und die Art Collection Telekom bilden die Basis mehrerer Ausstellungen in den gigantischen Hallen einer alten Eisengießerei.

Das Motiv ist verwaschen und Jackie Kennedy Onassis kaum zu erkennen. Eine Frau im Visier der Presse, die durchs Bild huscht. Andy Warhol nutzte es, um Jackie unendlich oft zu zeigen. 2006 übernahm die renommierte Künstlerin Rosemarie Trockel: Ihre Warhol-Kopie, die sie zur eigenen Arbeit machte, setzt auf Unschärfe. Das sieht ästhetisch aus, gibt der prominenten Figur zugleich aber auch Anonymität zurück. Und jetzt, in einer aktuellen Ausstellung in den Wilhelm Hallen, soll dieses Bild etwas über die unmittelbare Gegenwart erzählen.

Ganz schön gewagt. Selbst wenn man Trockel seismografische Qualitäten unterstellt – die fotografische Arbeit ist fast zwei Jahrzehnte alt und bezieht sich selbst wiederum auf die Pop Art der sechziger Jahre. Dennoch befragt der Berliner Kurator Harald Theiss dieses Werk und andere Kunst aus unterschiedlichen Dekaden zur Frage: „Where are we now?“ Sein Material holt er aus dem Depot einer ungewöhnlichen Sammlung, einem Zusammenschluss von Sammler:innen, die das Kollektiv Art’Us gegründet haben. Jede:r bringt seine Erwerbungen ein, zusammen stellt man einen Fundus zur Verfügung, aus dem Theiss vor genau einem Jahr zur Berlin Art Week schon einmal geschöpft hat.

Seine Ausstellung im Kreuzberger Kühlhaus war gut und sensibel, die Aussicht auf eine Fortsetzung mit Bildern und Skulpturen von Achim Riethmann, Konrad Mühe oder Henrike Naumann lässt einen diesmal bis nach Wilhelmsruh fahren, wo ab Samstag in den Wilhelm Hallen gleich mehrere Projekte zu sehen sind. So wie die vierte Ausgabe von „Hallen“.

Mitspieler Berlinische Galerie

Was 2020 als Initiative einer Handvoll Berliner Galerien begann, hat inzwischen gigantische Ausmaße erreicht. Aus den kleinen Präsentationen im Stil einer Kunstmesse ist eine große, gemeinsame Inszenierung geworden. Neben Alexander Levy, dem Organisator von „Hallen“, Tanja Wagner und Thomas Schulte nehmen immer noch viele Galerist:innen aus der Hauptstadt teil, dazu reisen jedoch auch Teilnehmer aus dem Rheinland an. Und sie bekommen erstmals institutionellen Beistand: Die Berlinische Galerie ist auch dabei und bespielt einen Medienraum mit Kunstvideos.

Die Idee von Philipp Solfs, der sein mit Start-ups verdientes Geld in die historische Fabrik investiert hat, um sie zu einem kulturellen Hotspot zu machen, zieht ihre Kreise – auch weil die einstige Eisengießerei im Norden Berlins ihren eigenen Charme besitzt. Doch auch wenn sich die Wilhelm Hallen etabliert haben, konkurriert der Standort während der Art Week, die offiziell am 13. September startet, mit zahllosen anderen Events. Also beginnt man hier vier Tage vorher und bietet dazu mehr Programm als in den drei Jahren zuvor.

Auch die HK-Art Collection bestückt einen Hallenteil. Es handelt sich um eine Privatsammlung mit Schwerpunkt auf Kunst aus Armenien, das erst 1991 als ehemalige Sowjetrepublik unabhängig wurde. Die kulturelle Identität des Landes spielt deshalb eine zentrale Rolle. Die Ausstellung „Zeit Verzögert – Time Shifted“ mit Werken, die zwischen 1970 und 2019 entstanden, spiegelt diese Suche und schreibt laut den Kuratoren „ein Kapitel der vielfältigen, parallelen Kunstgeschichten, die ihre Perspektiven zeitversetzt, außerhalb der europäischen, westlich orientierten Sichtweise ansetzen“.

Junge Kunst aus Osteuropa

Auf der Höhe der Zeit balanciert die Art Collection Telekom. Aus ihrer Konzentration auf junge Kunst aus Osteuropa resultierte der frühe Ankauf von Werken von Agnieszka Polska – lange bevor die Künstlerin 2017 mit dem Preis der Nationalgalerie ausgezeichnet wurde. Vorgestellt wird „The Thousand-Year Plan“, eine jüngere Film - und Toninstallation. Vor zwei Jahren wurde sie erstmals im Museum of Modern Art in Warschau gezeigt, nun kommt sie nach Wilhelmsruh und thematisiert technologische Megastrukturen am Beispiel der Elektrifizierung Polens.

Womit wir zurück bei Trockel wären. „Paparazzi“, Jackies Porträt von 2006, positioniert sich tatsächlich überaus gut in der Gegenwart. Genau wie bei Polska macht die Vergangenheit klar, welche Vorhaben, Gewohnheiten und Moden uns in die aktuellen Situationen gebracht haben.

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