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28.03.2024, Nordrhein-Westfalen, Solingen: Trauerkundgebung für die Opfer des tödlichen Brandes und deren Angehörige.

© dpa/Christoph Reichwein

Ermittlungen wegen Mordes: Experten vermuten rassistisches Motiv hinter Brandstiftung in Solingen

Nach dem tödlichen Brand in einem Solinger Wohnhaus ermittelt die Staatsanwaltschaft in alle Richtungen. Ein rassistisches Motiv soll es demnach nicht gegeben haben. Migrantenvertreter widersprechen.

Nach dem offenbar vorsätzlich gelegten Brand mit vier Toten in einem Mehrfamilienhaus in Solingen ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter in alle Richtungen. Während für Migrantenvertreter und den Islamverband Ditib ein rassistisches Motiv für die Brandstiftung naheliegt, sehen die Behörden dafür bislang keine Anhaltspunkte.

Verständnis für diese Vermutung zeigte dagegen der Extremismusexperte Andreas Zick: „Die Bereitschaft, Hass und Feindseligkeit zu zeigen, ist gestiegen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Nach dem vorläufigen Brandgutachten wurden laut der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Treppenhaus des Gebäudes, einer Holzkonstruktion, Reste von Brandbeschleuniger festgestellt. Anhaltspunkte für ein rassistisches Motiv gebe es derzeit aber nicht, erklärten die Ermittlungsbehörden bislang. Es werde unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes ermittelt.

Der Vorsitzende des Landesintegrationsrats NRW, Tayfun Keltek, geht davon aus, „dass hinter dem feigen Anschlag rassistische Hintergründe stecken“. Zur Begründung verwies er auf die „aktuell gesellschaftlich aufgeheizte Lage“. Die Tat sei ein weiterer „Rückschlag für unser friedliches Miteinander und eine Fortsetzung der Greueltat von vor 30 Jahren“. Damals waren bei einem Brandanschlag in Solingen fünf Menschen getötet worden.

Ähnlich äußerte sich der Islamverband Ditib. Er kritisierte, dass die Ermittler bisher nicht von einem rassistischen Motiv ausgehen. „Wieder Solingen, wieder ein tödlicher Hausbrand, wieder spätnachts, wieder Brandbeschleuniger“, erklärte die Ditib. In dem angezündeten Haus hätten mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund gelebt: „Bis auf eine Person handelt es sich bei allen Bewohnern um türkischstämmige Muslime aus Bulgarien oder der Türkei.“

Die Ditib-Gemeinde nahm nach eigenen Angaben Gespräche mit den Hinterbliebenen auf. „Sie planen gemeinsam das Totengebet und die Überführung der Toten nach Bulgarien.“

Stadt hält sich bedeckt

Die Stadt Solingen äußerte sich zurückhaltend. Eine Sprecherin sagte dem epd, man wolle sich „an keinerlei Spekulationen beteiligen“. Auch ein Sprecher des evangelischen Kirchenkreises Solingen sagte dem epd, man wolle die laufenden Ermittlungen abwarten, eher man zu irgendwelchen Aktionen aufrufe.

Extremismusforscher Zick zeigte sich besorgt über eine wachsende Fremdenfeindlichkeit. Die Angst vor Anschlägen sei mit dem Aufschwung des Rechtspopulismus und einem zunehmend gewalttätigen Rechtsextremismus größer geworden, sagte er dem epd: „Die Polarisierung der Gesellschaft, die von rechts außen in die Mitte getragen wurde, hat zu einer Erleichterung von Gewalt und Hasstaten geführt.“

Der Brand in der Nacht zum vergangenen Montag weckt Erinnerungen an Pfingsten 1993, als vier junge Männer aus der Neonazi-Szene in Solingen das Haus der türkischstämmigen Familie Genç in Brand setzten. Zwei Frauen und drei Mädchen im Alter von 4 bis 27 Jahren starben, weitere Familienmitglieder wurden teils lebensgefährlich verletzt. Die Tat war einer der folgenschwersten ausländerfeindlichen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Bei dem Feuer in der Nacht zum Montag war eine vierköpfige Familie gestorben - vermutlich aus Bulgarien stammende Eltern im Alter von 28 und 29 Jahren mit ihren fünf Monate und drei Jahre alten Kindern. Mehrere Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. (epd)

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