zum Hauptinhalt
Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern sind an einer Gedenkstätte am Nordbahnhof zu sehen.

© dpa/Daniel Reinhardt

Anstieg nach Hamas-Angriff auf Israel: Politische Straftaten in Berlin auf Extremhoch

Die politisch motivierte Kriminalität erreicht in Berlin den höchsten Stand seit zehn Jahren. Ein wichtiger Faktor dafür ist der islamistische Terrorangriff auf Israel.

| Update:

Im vergangenen Jahr sind deutlich mehr politisch motivierte Straftaten in Berlin von der Polizei erfasst worden als in den Vorjahren. Es waren 6420 Taten mit politischem Hintergrund, das sind 25 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zugleich ist das die höchste Zahl politisch motivierter Kriminalität der vergangenen zehn Jahre.

Ein großer Teil des aktuellen Anstiegs hat mit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober zu tun: Bei den folgenden Demonstrationen gegen den israelischen Militäreinsatz gab es etliche Propagandadelikte palästinensischer Gruppen in Berlin und auch zunehmend Gewalttaten.

Insgesamt registrierte die Polizei 892 antisemitische Straftaten, 2022 waren es noch 380 – das ist eine Zunahme um 135 Prozent. Zudem gab es 537 Straftaten mit antisemitischer und israelfeindlicher Motivation. Im Vorjahr waren es 23. Das ist eine Zunahme um mehr als 2200 Prozent.

Auch der stärkste Anstieg der vergangenen Jahre im Bereich „Ausländische Ideologie“ hat mit dem Nahost-Konflikt zu tun: Hier stieg die Zahl der Taten von knapp 250 (2021) und 550 (2022) auf zuletzt 982 Straftaten. Der größte Teil dieser Taten – nämlich 686 – steht im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt. Darunter sind deutlich mehr Gewalttaten, aber auch Propagandadelikte, Volksverhetzung und Beleidigung.

Straftaten nehmen in Berlin von rechts bis links zu

Leicht gestiegen ist dabei die Zahl der Straftaten mit einem rechtsextremen Hintergrund auf 2294 (2022: 2181; 2021: 2094). Etwas mehr als ein Drittel der politischen Kriminalität entfiel 2023 auf den Rechtsextremismus. Bei etwa der Hälfte dieser Taten ging es um das Zeigen verfassungswidriger Zeichen. Außerdem gab es zahlreiche Beleidigungen, aber auch 123 Gewalttaten, das sind 14 weniger als 2022.

Eine stärkere Zunahme auf 1128 registrierte die Polizei bei den Taten mit einem linken oder linksextremen Hintergrund. 2022 lag die Zahl bei rund 950, davor im Jahr 2021 aber bei rund 1500. Etwa einem Drittel liegt der Vorwurf der Nötigung zugrunde, das hat mit den Straßenblockaden der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ zu tun. Ohne die Klimaaktivisten hätte die Polizei einen Rückgang bei links motivierten Straftaten verzeichnet. Ansonsten gab es auch weniger Gewaltdelikte.

Mehr Taten zählte die Polizei aber auch bei der „Religiösen Ideologie“, wo es einen Anstieg von 94 auf 212 gab. Oft ging es dabei um Islamisten und verbotene Terrororganisationen, Terrorfinanzierung und -unterstützung. Insgesamt 13 Terrorismusdelikte zählte die Polizei. Auch die Gewalt- und Propagandadelikte haben in diesem Bereich deutlich zugenommen.

1804 Straftaten fielen in den Bereich, der keiner politischen Seite eindeutig zuzuordnen ist. Vieles davon stammt aus dem Milieu der Verschwörungstheoretiker und früheren Gegner der Corona-Gesetze.

Rechtsextremismus ist die größte Herausforderung in Berlin

Der Grünen-Innenexperte Vasili Franco erklärte: „Der politische Rechtsruck und die aufgeheizte Stimmung spiegeln sich leider auch in den Zahlen der politisch motivierten Kriminalität wider. Rechtsextreme verüben nicht nur die meisten Straftaten, sondern auch die meisten Gewalttaten.“ Tatsächlich verteilt sich die Zahl der Gewalttaten – auch im Vergleich zu 2022 – beim ersten Blick anders:

  • 123 rechtsextrem (2022: 137)
  • 117 linksextrem (124)
  • 134 „ausländische Ideologie“ (82)
  • 23 „religiöse Ideologie“ (6)
  • 146 „sonstige Zuordnung“ (217)

Beim genauen Blick relativieren sich die Zahlen aber. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass es bei 112 der rechtsextremen Gewalttaten um Körperverletzung und schwere Körperverletzung ging. Bei den Gewalttaten im Bereich Linksextremismus und „ausländische Ideologie“ dominierten hingegen eher Widerstand gegen oder Angriffe auf Beamte sowie Landfriedensbruch, also Straftaten, die überwiegend bei Demonstrationen begangen werden.

Grünen-Politiker Franco hatte beim Senat auch die offenen Haftbefehle abgefragt, deren Zahl bei 201 liegt. 70 gesuchte mutmaßliche Täter stammen aus rechtsextremen Kreisen, 16 aus dem linken Spektrum und 44 sind religiöse Ideologen, also meist Islamisten. 52 der Gesuchten werden im Ausland vermutet.

Seit Jahren nehmen auch die queerfeindlichen Straftaten in Berlin immer weiter zu. 2023 registrierte die Polizei 690 solcher Fälle, das sind 148 Fälle und 27 Prozent mehr als 2022.

Die Polizei stellte im vergangenen Jahr auch einen erneuten Anstieg bei Straftaten gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsheime fest. Das geht aus einer weiteren Antwort des Senats auf eine Anfrage von Grünen-Abgeordneten hervor. 2023 waren das 49 Taten, in den beiden Vorjahren jeweils 27. Davor lagen die Zahlen deutlich höher, 2016 und 2017 nach der großen Flüchtlingswelle gab es mehr als 200 erfasste Angriffe. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false