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Das Fliegen ist ein alter Menschheitstraum, aber nicht nur.

© imago images/Frank Sorge

Wildwechsel: Wovon Tauben träumen

Menschen tun es, weitere Säugetiere und wahrscheinlich auch Oktopusse: Sie träumen. Was als Merkmal komplexer Wahrnehmung gilt, haben Forschende nun auch bei Tauben beobachtet.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Wir können nur vermuten, wovon Tauben träumen. Von einem frisch mit Futter befüllten Vogelhaus, dem Alexanderplatz voller Menschen mit Brötchentüten oder einem blank geputzten Auto? Ein Forschungsteam von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz hat kürzlich Hinweise darauf gefunden, was die Vögel im Schlaf erleben.

Träumen galt lange als menschliches Merkmal. Im Traum sprachen Menschen schon mit ihren Ahnen, es erschienen ihnen göttliche Gestalten, sie erlebten amouröse oder andere Abenteuer, auch Furchterregendes und Tieftrauriges, oder es ging auch ganz normal zu – nur eben in der Traumwelt. Warum wir träumen und wie die Träume zu deuten sind, ist nicht geklärt.

Nach geläufiger Meinung hilft Träumen dabei, Fähigkeiten und Gewohnheiten zu verfestigen. Es dient wahrscheinlich auch als Probedurchlauf für Situationen, in denen man sich alltags wiederfindet. Die meisten Träume finden während der REM-Phasen statt (für Rapid Eye Movement), die wir im Schlaf regelmäßig durchlaufen. Unser Gehirn ist währenddessen fast genauso aktiv wie im Wachzustand.

Bereit zum EInschlafen: einer der Tauben-Probanden.
Bereit zum EInschlafen: einer der Tauben-Probanden.

© RUB, Marquard

Einen ähnlichen Zustand haben Forschende kürzlich bei Tintenfischen beobachtet, deren Gehirn zwar ganz anders als das von Wirbeltieren, aber auch komplex aufgebaut ist. Praktischerweise ist die Hirnaktivität der Kopffüßer auch an Farbwechseln ablesbar, die sie im Schlaf durchlaufen. Um herauszufinden, ob und von was Tauben träumen, hat das Forschungsteam Schlaf- und Wachzustände von 15 Tauben mit Infrarot-Videokameras und im Kernspintomografen aufgezeichnet. Die Vögel waren darauf trainiert, auch während der Experimente einzuschlafen.

Die Aktivierungsmuster in ihrem Gehirn sind in den REM-Phasen ähnlich ausgeprägt wie bei Menschen und anderen Säugetieren, berichtete das Forschungsteam in der Zeitschrift „Nature Communications“. Und wovon träumen Tauben nun? Die Forscher haben eine Vermutung: vom Fliegen. „Während der REM-Phasen waren vor allem Gehirnbereiche aktiv, die für die Verarbeitung visueller Reize zuständig sind“, wird Autor Mehdi Behroozi in einer Mitteilung der RUB zitiert. Darunter seien auch Areale, die analysieren, wie sich die Umgebung einer Taube während des Flugs bewegt.

Außerdem stellten die Wissenschaftler:innen fest, dass eine Gehirnstruktur aktiviert wurde, die an emotionalen Prozessen beteiligt ist. „Das deutet darauf hin, dass auch Vögel in ihren Träumen Gefühle empfinden, sofern sie etwas erleben, das unseren menschlichen Träumen ähnelt“, sagt Co-Autorin Gianina Ungurean aus der Forschungsgruppe Vogelschlaf am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz.

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