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Lohnt sich wieder: Milchbauern bekommen so viel Geld wie lange nicht mehr für ihre Milch.

© picture alliance/dpa / Boris Roessler

Lebensmittelpreise steigen : Getreide- und Milchbauern profitieren

„Eine längere Durststrecke liegt hinter uns“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied. Bei Schweinehaltern hält sie an. Das liegt auch an Agrarminister Cem Özdemir.

Man könnte es für einen Wink des Schicksals halten. Kaum warnt Bauernpräsident Joachim Rukwied vor den seiner Meinung nach überzogenen Umweltschutzplänen der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung, schrillen die Handys. Das hat zwar nichts mit der aktuellen Situation der deutschen Landwirte zu tun, sondern mit dem bundesweiten Übungsalarm, doch es passt gut zur Stimmung im Bauernverband.

Die Strategie der EU-Kommission, den Einsatz von Pestiziden zu halbieren und die Pflanzenschutzmittel in sensiblen Landschaftsschutzgebieten ganz zu verbieten, „gefährdet die Ernährungssicherheit in Europa“, warnt der Präsident des Deutschen Bauernverbands. Agrarminister Cem Özdemir solle sich dem Widerstand anderer Mitgliedstaaten anschließen, fordert Rukwied. Doch das tue er nicht. Und auch bei Özdemirs erstem großen Projekt als Minister, der Tierhaltungskennzeichnung, sind die Bauern unzufrieden. „Es gibt einen Stillstand beim Thema Tierwohl“, ärgert sich Rukwied. Dabei seien besonders die Schweinehalter darauf angewiesen, Planungssicherheit und eine ausreichende Finanzierung für den Umbau ihrer Ställe zu bekommen. „Kein Betrieb nimmt derzeit Geld in die Hand“, sagt der Bauernpräsident.

Schweinehalter geben auf

Özdemir will eine verbindliche Kennzeichnung für die Haltung der Tiere einführen und zunächst mit Schweinefleisch beginnen. Die ersten gekennzeichneten Produkte sollen nächstes Jahr im Laden liegen. Doch vielen Agrarpolitikern gehen die Pläne nicht weit genug, und es gibt Zweifel an der Finanzierung. Eine Milliarde Euro stehen für diese Legislaturperiode bereit. Mit dem Geld soll nicht nur der Umbau der Ställe gefördert werden, sondern auch Einkommensverluste aufgefangen werden, weil die Bauern weniger Tiere im Stall halten können. Das reicht nicht, sagt der Bauernverband.

80.000
Euro erwirtschaftet ein Betrieb im Jahr

In der Schweinehaltung habe bereits ein „Strukturbereich“ eingesetzt, warnt Rukwied. Immer mehr Schweinehalter geben auf. „Die Hälfte der Betriebe muss in den nächsten Jahren aussteigen“, berichtet der Bauernpräsident über die Ergebnisse einer Branchenumfrage. Schuld daran haben die steigenden Preise für Energie, Futter und Düngemittel und der Importstopp wichtiger Abnehmer wie China wegen der Afrikanischen Schweinepest. Rukwied sieht aber auch die Konsumenten in der Verantwortung. Selbst wohlhabendere Bundesbürger würden derzeit billige Lebensmittel kaufen, ärgert sich der Bauernpräsident. Für Bauern, die mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit wollen, sei das ein Problem. Jedes dritte Mastschwein stehe bereits in einem Stall, der über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehe.

Milchviehhalter verdienen am meisten

Die Schweinehalter sind unter den Bauern die Schlusslichter, wenn es um die Ertragssituation geht. Ein Betrieb verdient im Schnitt 60.000 Euro im Jahr, das sind fast 20.000 Euro weniger als der Branchenschnitt. Besonders profitabel stehen dagegen derzeit die Milchviehhalter da, die im Schnitt auf 95.000 Euro kommen, und die Ackerbaubetriebe mit 90.000 Euro. Sie profitieren von den steigenden Erzeugerpreisen. Lebensmittel, glaubt Rukwied, dürften kurzfristig noch teurer werden.

„Eine längere Durststrecke liegt hinter uns“, sagt der Bauernpräsident. Das Unternehmensergebnis ist im vergangenen Wirtschaftsjahr, das vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni dieses Jahres reicht, im Schnitt um 26.200 Euro auf 79.700 Euro pro Betrieb gestiegen. Doch ob der Trend anhält, ist ungewiss.

Die Energiekosten haben sich verdreifacht, die Kosten für Dünger vervierfacht. Hinzu kommt die Erlösabschöpfung, die die Politik für die erneuerbaren Energien plant. Viele Landwirte haben Einnahmen aus der Produktion von Biogas oder Fotovoltaik. Mit Biogas machen die Bauern schätzungsweise fünf Milliarden Euro Umsatz, mit Fotovoltaik 1,5 Milliarden und mit Wind 150 Millionen Euro. Zusammen sind das 6,7 Milliarden. Zum Vergleich: Der „Bruttoumsatz“ aus Agrarerzeugung lag 2021 bei 59,2 Milliarden Euro.

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