zum Hauptinhalt
Benedict Hollerbach erzielte das 1:0 für den 1. FC Union.

© IMAGO/HMB-Media

„Das Krasseste, was ich je erlebt habe“: 1. FC Union Berlin rettet sich in letzter Minute vor dem Abstieg

Gegen den SC Freiburg durchlebt der 1. FC Union eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Kurz vor Schluss erzielt Janik Haberer im Nachschuss eines Elfmeters das erlösende 2:1-Siegtor.

Jubel, Wut, Erleichterung, Frust, pure Freude – die letzten Minuten im Stadion An der Alten Försterei zeigten eindrucksvoll, warum Fußball so viele Menschen auf der Welt Woche für Woche begeistert. Der 1. FC Union sah sich nach einem Tor von Benedict Hollerbach schon gerettet, kassierte durch Ritsu Doan einen sehr umstrittenen Ausgleich, vergab in der Nachspielzeit einen Elfmeter und traf im Nachschuss in Person von Janik Haberer. „Das war das Krasseste, was ich je erlebt habe. Dass es so eine emotionale Achterbahn wird, ist Wahnsinn“, sagte Hollerbach.

Die Schlussphase war an Dramatik nicht zu überbieten und kulminierte in einem kollektiven Schrei der Erleichterung. Durch das 2:1 (0:0) vor 22.012 Zuschauenden haben sich die Berliner am letzten Spieltag einer miserablen Saison mit einer großen Willensleistung doch noch gerettet. Union beendet die Saison als 15., der VfL Bochum muss in die Relegation. „Am Ende ist es die Alte-Försterei-Union-Berlin-Dramaturgie mit allem Pipapo“, sagte Marco Grote und fügte mit seinem norddeutschen Humor hinzu: „Nur mit dem Elfmeterschießen müssen wir vielleicht noch mal schauen.“

Unions Trainertrio veränderte die Aufstellung nach der folgenschweren 2:3-Niederlage in Köln vor einer Woche auf drei Positionen. Für den verletzten Jerome Roussillon rückte der gelernte Rechtsverteidiger Josip Juranovic auf die linke Seite, der gesperrte Rani Khedira wurde durch Lucas Tousart ersetzt. Dazu stürmte Yorbe Vertessen anstelle von Kevin Volland. Abwehrchef Kevin Vogt wurde nicht rechtzeitig fit, so dirigierte erneut Robin Knoche die Dreierkette.

Die Berliner legten gut los und hatten nach nicht einmal vier Minuten den ersten Abschluss durch Vertessen. Es war die Blaupause für Unions Angriffsbemühungen. Die Mannschaft stand tief und überließ Freiburg weitgehend den Ball, um dann nach gegnerischen Fehlern oder erfolgreichem Pressing schnell umzuschalten. Da die Gäste in der Rückwärtsbewegung etwas nachlässig agierten, war diese Herangehensweise vielversprechend.

Über Brenden Aaronson und Vertessen brachte sich Union wiederholt in gute Situationen, doch wie so oft in dieser Saison fehlte rund um den gegnerischen Strafraum die Präzision. Nach einem schlimmen Ballverlust von Nicolas Höfler hatten die Berliner viel Platz, die Pässe des Offensivduos gerieten aber jeweils etwas zu weit.

Dennoch lief bis zu diesem Zeitpunkt alles für Union. Köln lag in Heidenheim bereits klar zurück, der direkte Abstieg als Worst Case war damit kein realistisches Szenario mehr. Zudem lag der VfL Bochum in Bremen zurück und nährte damit die Berliner Hoffnungen auf den Klassenerhalt ohne Relegation. Dafür musste Union unbedingt gewinnen, die eher auf Sicherheit und Konter ausgerichtete Strategie änderte das Trainerteam aber erst mal nicht.

Freiburg hat mehr Ballbesitz, aber wenig Chancen

Freiburg hatte zwar mehr vom Spiel, wurde aber nur selten gefährlich. Maximilian Eggestein traf den Ball im Strafraum nicht voll und so konnte Frederik Rönnow zur Ecke abwehren, etwas später flog ein Schlenzer von Roland Sallai am langen Pfosten vorbei. Die Gäste wollten ihrem Trainer Christian Streich, der nach zwölfeinhalb Jahren aufhört und von den Berliner Fans als „Fußballgott“ empfangen wurde, einen gelungenen Abschied bescheren und spielten noch um einen Platz in der Conference League. Die letzte Entschlossenheit war ihnen aber nicht anzusehen.

Als Schiedsrichter Christian Dingert nach vehementen Protesten der Berliner in der 36. Minute an die Seitenlinie trat und nach Blick auf den Monitor auf Handspiel des Freiburgers Jordy Makengo im Strafraum entschied, schien sich der Fußballgott endgültig als Unioner zu outen. Die Konkurrenz lieferte Steilvorlagen, es gab Elfmeter – wirklich alles lief für die Berliner. Doch Juranovic lief an, schoss halbhoch nach rechts und Noah Atubolu parierte.

Unions Josip Juranovic vergab einen Elfmeter in der ersten Halbzeit.

© IMAGO/Matthias Koch

So blieb es beim 0:0 und torlos ging es auch in die zweite Hälfte. Beiden Mannschaften war nun anzusehen, dass sie nicht so ganz wussten, was sie mit diesem Spiel anfangen sollen. Die Freiburger brauchten ein Tor für die sichere Europapokalqualifikation, Union für den Klassenerhalt – das volle Risiko scheuten sie aber noch. So ergab sich ein umkämpftes Duell mit wenigen Strafraumszenen.

Das änderte sich nach einer Stunde. Diogo Leite verletzte sich bei einem Zusammenstoß am Kopf und Grote wechselte offensiv. Für den Portugiesen, Andras Schäfer und Vertessen kamen Benedict Hollerbach, Janik Haberer und Kevin Volland. Diese Maßnahme sollte sich schnell als sehr wirkungsvoll herausstellen. Hollerbach war gerade fünf Minuten auf dem Feld, als er den Ball aus knapp 20 Metern mit links wunderschön in den Winkel knallte.

Freiburg wachte nun auf und wurde immer offensiver, Union hatte Räume zum Kontern. Das Spiel stand auf Messers Schneide, ein Tor hätte die Berliner in die Relegation geschickt – und es fiel. Aissa Laidouni wurde bei einem Konter unsanft zu Boden gebracht, doch Dingert ließ laufen, auf der anderen Seite traf Doan per Kopf. Die Berliner protestierten verzweifelt, doch es half nichts. Das Tor zählte.

Der Mannschaft war der Schock anzumerken, doch sie warf alles nach vorne. Bei einem Standard wurde Danilho Doekhi gefoult, es gab Elfmeter. Doch erneut vergaben die Berliner, dieses Mal in Person von Volland, der den Pfosten traf. Allerdings rauschte der früherer Freiburger Haberer heran und rettete Union mit dem 2:1. Fans und Mannschaft waren sichtlich mitgenommen und mehr als Freude war es pure Erleichterung, die auf den Gesichtern zu sehen war. „Heute werden wir den ganzen Frust rauslassen, den wir hatten über die ganze Saison, und total befreit zusammen feiern“, kündigte Hollerbach an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false