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Eingang zum Häftlingslager mit dem „Turm A“ auf dem Gelände der Gedenkstätte Sachsenhausen. Zehntausende Häftlinge kamen dort durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit, medizinische Versuche und Misshandlungen um oder wurden Opfer systematischer Vernichtungsaktionen.

© dpa / Patrick Pleul

Erinnerungskultur in Brandenburg: Mehr Besucher in Gedenkstätten

Nach den Gästezahl-Einbrüchen durch Corona steigen die Besucherzahlen in Brandenburgs Gedenkstätten wieder. Vereinzelt gab es rechtsextreme oder antisemitische Vorfälle, israelfeindliche Äußerungen haben zugenommen.

Von Yvonne Jennerjahn (epd)

Das Interesse an Brandenburgs NS-Gedenkstätten ist weiter gestiegen. Im vergangenen Jahr seien in Sachsenhausen rund 500.000 und in Ravensbrück rund 70.000 Besucherinnen und Besucher gezählt worden, sagte ein Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Oranienburg. 2022 waren es in Sachsenhausen rund 355.000 und in Ravensbrück rund 60.000 Personen. Das Vor-Corona-Niveau von 2019 mit rund 700.000 Besucherinnen und Besuchern allein in der Gedenkstätte Sachsenhausen sei jedoch noch nicht wieder erreicht worden.

In der Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde sei die Zahl der Besucher von 5700 auf 6800, in der Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden von 1900 auf 2300 gestiegen, hieß es weiter. Beide NS-Gedenkstätten liegen in Brandenburg an der Havel. Die Gedenkstätte Görden ist dort sehr abgelegen direkt an der Justizvollzugsanstalt untergebracht. Für die NS-Gedenkstätten in Below und Lieberose könnten keine Zahlen ermittelt werden, weil sie jederzeit frei zugänglich seien.

Israelfeindliche Besucherreaktionen zugenommen

In Sachsenhausen seien im vergangenen Jahr 15 rechtsextreme oder antisemitische Vorfälle registriert worden, sagte der Sprecher. 2022 seien es etwa ein Dutzend gewesen. In Ravensbrück wurden 2023 demnach drei Hakenkreuz-Schmierereien festgestellt. Dort seien Vorfälle dieser Art konstant niedrig. In den übrigen Gedenkstätten habe es keine Vorfälle gegeben.

In Sachsenhausen sei zugleich ein Anstieg israelfeindlicher Besucherreaktionen zu beobachten, die es zuvor nur vereinzelt gegeben habe, hieß es weiter. So seien unter anderem unter den Feedback-Postkarten zu einer Ausstellung nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober zahlreiche Karten mit der Aufschrift „Free Palestine“ gewesen, vereinzelt auch mit dezidiert antisemitischen Botschaften.

Stiftungsdirektorium regt stärkere Bildungsarbeit an

Eine Berliner Schulklasse mit überwiegend muslimischem Hintergrund sei bei einer Führung in Sachsenhausen durch eine starke Abwehrhaltung aufgefallen, hieß es. Einige Schüler, die ständig störten, hätten ausgeschlossen werden müssen. Auch auf dem Tiktok-Kanal der Gedenkstätte habe es zuletzt vereinzelt israelfeindliche Kommentare gegeben.

Andrea Genest vom Direktorium der Stiftung sagte, die Gedenkstätten seien „schockiert über die Ausmaße von Antisemitismus und Rechtsextremismus und über das Schwinden der Grenzen des Sag- und Machbaren in der Gesellschaft“. Es müsse gefragt werden, ob mit der Bildungsarbeit diejenigen erreicht werden, die damit erreicht werden sollen.

„Vielleicht müssen wir noch stärker den Bogen von den historischen Erfahrungen des Nationalsozialismus zur Lebenswirklichkeit junger Menschen schlagen“, sagte Genest. Ziel müsse zudem sein, auch diejenigen stärker zu erreichen, die nie eine Gedenkstätte besuchen, und kritisches Geschichtsbewusstsein stärker in der Gesellschaft zu verankern. Es sei eine Daueraufgabe, auf neue Fragestellungen zu reagieren und entsprechende Angebote zu entwickeln.

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