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Verwenden die Fraktionen im Bundestag Steuergelder zweckwidrig?

© imago/Metodi Popow

Update

„Unzulässige Parteienfinanzierung“: Rechnungshof kritisiert Social-Media-Auftritte der Bundestagsfraktionen

Die Haushaltsprüfer werfen allen Fraktionen vor, in Tweets oder Videos Wahlwerbung und Sachinformation rechtswidrig zu vermischen. Die Ampel will nun die Regeln ändern.

Auf X, Facebook und Instagram sind sie alle unterwegs. Bei Youtube fehlt nur die FDP. Auf Tiktok tummeln sich SPD, AfD und Linke. Via Linkedin präsentieren sich nur die Grünen. Und bei Telegram sieht man nur die AfD. Dieses Bild ergibt sich, wenn man die Webseiten der Bundestagsfraktionen durchklickt.

Soziale Medien sind ein wunderbarer Weg, Anhänger, Wähler und auch Gegner ohne das Zwischenschalten anderer Medien zu erreichen. Ungefiltert können sich die Parteigruppen im Parlament so präsentieren und für sich werben.

Der Bundesrechnungshof (BRH) allerdings meint, dass die Fraktionen die sozialen Medien auch zweckwidrig nutzen, vor allem vor Wahlen. Also Geld der Steuerzahler anders verwenden, als es rechtlich vorgesehen ist. In einem neuen Bericht wirft die Kontrollbehörde den Fraktionen im Bundestag reihum vor, über das reine Informieren über ihre Tätigkeit im Parlament hinaus direkte Partei- und Wahlwerbung zu machen.

Der Zustand gefährdet die Legitimation der Fraktionsfinanzierung.

Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs

Aus Sicht der Bonner Haushaltsprüfer waren in den sechs Wochen vor der Bundestagswahl 2021 die Posts bei Facebook, X & Co. „weit überwiegend“ unzulässig, wie es in dem Bericht heißt. In der Woche vor der Wahl hätte der Anteil solcher Posts bei 70 bis 100 Prozent gelegen.

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Unzulässig sind laut Rechnungshof Beiträge, in denen die Fraktionen gar nicht über eine Fraktionstätigkeit unterrichten, der konkrete Inhalt mit weiteren politischen Botschaften aufgeladen wird, „wie sie für parteipolitische Tätigkeiten typisch sind“, oder in denen Partei- oder Wahlwerbung direkt platziert wird.

Besonders einleuchtend war das bei den Bündnisgrünen, weil sie vor der Wahl 2021 einen gemeinsamen Youtube-Kanal von Partei und Fraktion betrieben. Das lassen sie mittlerweile bleiben. Die CSU-Landesgruppe twitterte Ende August 2021 – auch optisch reißerisch aufgemacht: „Olaf Scholz will Kanzler mit Unterstützung der Kommunisten von der Linkspartei werden.“ Das Zitat stammte von Alexander Dobrindt, dem CSU-Landesgruppenchef.

Weiterführende Links als Problem

Bei allen Parteien fiel den BRH-Kontrolleuren auf, dass etwa bei Tweets gern weiterführende Hashtags oder Links zu Partei- oder Politikerseiten genutzt werden, bei denen Wahlwerbung weitaus zentraler ist als bei den Soziale-Medien-Accounts der Fraktionen.

Dazu gehört auch das Muster, über Retweets oder Leseempfehlungen der Fraktionen Botschaften von einzelnen Parteipolitikern oder der Partei direkt weiterzureichen. Bei der Linken missfiel dem BRH, dass in einem Video ein Fraktionsmitglied ein anderes interviewte und dies mit einem eindeutigen Wahlaufruf verbunden war.

Aber ist es nicht normal, dass eine Fraktion für die Belange der Partei wirbt, die sie vertritt – unbeschadet der Tatsache, dass Abgeordnete das ganze Volk vertreten sollen? Das Problem, auf das der Rechnungshof verweist, ist die Herkunft der Mittel. 140 Millionen Euro bekommen die Bundestagsfraktionen pro Jahr aus dem Bundesetat zugewiesen, um ihre Arbeit zu finanzieren.

Fraktion und Partei trennen

Das sind dann also Steuergelder. Parteiarbeit aber soll nicht über öffentliche Etats finanziert werden, sondern über direkte Einnahmen der Parteien, also vor allem Mitgliedsbeiträge und Spenden. Und über die staatliche Parteienfinanzierung, die an Wahlergebnisse gebunden und insgesamt gedeckelt ist.

Das ist der Knackpunkt: Der Rechnungshof sieht daher die Gefahr, dass die Begrenzung der Parteienfinanzierung über den Einsatz von Fraktionsgeldern zur Parteienwerbung unterlaufen wird. BRH-Präsident Kay Scheller kritisiert, dass die Rechtslage unzureichend sei und klarer gefasst werden müsse, um Verstöße zu unterbinden.

Eindeutige Klärung verlangt

Es müsse eindeutig geklärt werden, „was erlaubt ist und was nicht“, sagt Scheller. Zudem müsse die Bundestagsverwaltung wirksame Sanktionsmöglichkeiten haben. Bisher hätten die Fraktionen nichts zu befürchten, wenn sie Fraktions- und Parteiinformationen vermischten.

Bleibe die Rechtslage unzureichend, betont Scheller, dann könnten die Fraktionen über soziale Medien weiterhin das Verbot der verdeckten Parteienfinanzierung umgehen. „Der Zustand gefährdet letztendlich die verfassungsrechtliche Legitimation der Fraktionsfinanzierung“, befürchtet Scheller, der früher leitender Mitarbeiter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag war.  

Nach dem Grundgesetz sind die Abgeordneten angehalten, Vertreter des ganzen Volkes zu sein, „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. So steht es im Artikel 38. Aber natürlich sind sie auch als Parteivertreter im Bundestag. Die Organisation des Parlaments in Fraktionen trägt dem Rechnung. Aber das gebietet eben, die Finanzierung der Fraktionen über den Etat nicht zur Parteiwerbung zu nutzen.

Die Ampel-Fraktionen kündigten an, den gesetzlichen Rahmen zu ändern. Es solle aus der Mitte des Parlaments heraus eine rechtssichere Grundlage für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen geschaffen werden. Dazu fänden auch Gespräche mit der Union statt, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. „Klar ist, dass Fraktionen keine Parteiarbeit betreiben dürfen. In Wahlkampfnähe ist eine klare Abgrenzung zur unzulässigen Parteiwerbung besonders wichtig“, heißt es demnach in einer Mitteilung der Ampel-Fraktionen.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner sagte: „Wenn aber die dafür vorgesehenen Öffentlichkeitsmittel missbraucht werden sollten, muss es eine glasklare Rechtsgrundlage für deren schnelle Rückforderung geben. Wir schaffen deshalb klare Regeln für mehr Transparenz und gegen Missbrauch von Steuermitteln.“ Nach Ansicht der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic sollten die Grenzen der legitimen Öffentlichkeitsarbeit klargestellt und ein gesetzlicher Rückforderungsanspruch der Bundestagsverwaltung eingeführt werden. Der FDP-Politiker Stephan Thomae betonte, der neue gesetzliche Rahmen müsse auch dafür sorgen, dass für Öffentlichkeitsarbeit vorgesehene finanzielle Mittel nur zweckdienlich verwendet werden.

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