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Starker Verkehr auf der Autobahn A8 am Autobahnkreuz Stuttgart (Archivbild).

© Imago/Arnulf Hettrich

Nach heftigem Koalitionsstreit: Ampel einigt sich auf neue Klimaschutz-Regeln

Die Ampel-Fraktionen haben sich auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes verständigt. Fahrverbote an Wochenenden sind damit endgültig vom Tisch. Vor allem Verkehrsminister Wissing dürfte erleichtert sein.

Beim Klimaschutz durfte sich die Ampelkoalition an diesem Montag gleich über zwei gute Nachrichten freuen. Am Morgen bestätigte der Expertenrat Klimaschutz mit seinem Prüfbericht, dass die CO₂-Emissionen im vergangenen Jahr um 10 Prozent gesunken sind – der stärkste Rückgang der Emissionen innerhalb eines Jahres seit 1990.

Am Nachmittag erklärten die Ampelfraktionen dann, sich im Bundestag auf die Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt zu haben. Vorausgegangen war ein heftiger Koalitionsstreit, nachdem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor Fahrverboten gewarnt hatte, sollten die Grünen die Reform des Gesetzes weiter blockieren.

Künftig müssen die zuständigen Minister keine Sofortprogramme mit zusätzlichen Maßnahmen mehr auflegen, wenn ihr Wirtschaftssektor im Vorjahr die Klimaschutzziele verfehlt hat. Stattdessen muss die Bundesregierung erst dann mehr Klimaschutz beschließen, wenn Deutschland seine international vereinbarten Klimaziele bis 2030 absehbar nicht erreichen kann. Maßgeblich ist, ob in zwei Projektionsberichten hintereinander eine Zielverfehlung prognostiziert wurde.

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„Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes stellen wir die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „Denn ab sofort zählt nur noch, dass die Klimaziele insgesamt erreicht werden und nicht mehr, an welcher Stelle die Emissionen reduziert werden.“ Die SPD betonte hingegen, dass sich an den Klimaschutzzielen insgesamt nichts ändert. „Durch die Novelle darf kein Gramm CO2 mehr ausgestoßen werden“, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch.

Laut der letzten Prognose des Umweltbundesamtes ist die deutsche Volkswirtschaft beim Klimaschutz auf Kurs. Damit sind keine neuen Klimaschutz-Maßnahmen nötig, auch Fahrverbote sind vom Tisch.

Entlastung für den Verkehrsminister

Bei Wissing dürfte die Erleichterung über die Einigung der Ampel-Fraktionen groß sein. Denn der Prüfbericht des Expertenrats zeigte am Morgen, dass der Verkehrssektor auch 2023 die Ziele deutlich verfehlt hat. Insgesamt stieß der Verkehr 12,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zu viel aus, während andere Wirtschaftsbereiche Rekordrückgänge verzeichneten.

Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion um mehr Maßnahmen im Verkehrssektor.

Brigitte Knopf, Co-Vorsitzende des Expertenrats

Die Energiewirtschaft stieß 20 Prozent weniger Treibhausgase aus, in der Industrie und im Gebäudesektor lag der Rückgang bei rund acht Prozent. Zurückzuführen ist das laut dem Expertengremium vor allem auf die schlechte wirtschaftliche Lage. „Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen“, stellte Hans-Martin Henning fest. Der Vorsitzende des Expertenrates sagte zudem, dass das für alle Sektoren aggregierte Jahresziel „vermutlich nicht erreicht worden wäre“.

Im Verkehr bleibe eine erhebliche Erfüllungslücke bis 2030, sagte Brigitte Knopf, die Co-Vorsitzende des Expertenrats. Laut Umweltbundesamt werden Flugzeuge, Autos, Lkw und Co. bis dahin 180 Millionen Tonnen CO₂ zu viel ausstoßen. Man habe schon mehrfach betont, „dass der Verkehrssektor nicht auf Kurs ist“, sagte Knopf. „Wir brauchen eine ernsthafte Diskussion um mehr Maßnahmen im Verkehrssektor.“

Nach aktuellen Prognosen können die Industrie und die Energiewirtschaft die überschüssigen Emissionen im Verkehrssektor jedoch kompensieren. Deshalb entfällt für Wissing die Pflicht ein Sofortprogramm mit neuen Maßnahmen vorzulegen, sobald der Bundestag die Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen hat. Wissing droht deshalb nach Klagen der Deutschen Umwelthilfe auch keine Verurteilung mehr vor Gerichten, weil der Verkehrssektor die Klimaziele nicht erfüllt.

Keine Maßnahmen gegen Autoverkehr

Für die Liberalen ist die Abschaffung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz ein großer Erfolg. Mehr wirksamer Klimaschutz im Verkehr wäre nur bei einer Einschränkung oder einer Verteuerung des Autoverkehrs möglich gewesen. Im Raum standen neben einem Tempolimit auch eine Abschaffung von Dienstwagen- und Dieselprivileg sowie eine teure Zulassungssteuer für neue Verbrennerautos. All das lehnte die FDP ab, aber auch bei den Sozialdemokraten gab es dagegen Vorbehalte.

Die Grünen hätten Wissing gerne in der Verantwortung für den fehlenden Klimaschutz beim Verkehr belassen. Doch die Partei sieht in der nun von den Ampelfraktionen beschlossenen Klimaschutz-Reform auch Erfolge. So müssen die Minister künftig einen Pfad aufzeigen, wie ihr Wirtschaftssektor bis 2040 die Klimaziele anhalten kann – unterlegt mit konkreten Maßnahmen. „Mit Blick auf das wesentlich strengere Klimaziel 2040 muss besonders im Bereich Verkehr mehr passieren“, forderte die Fraktionsvize Julia Verlinden.

Aus Sicht der Grünen wird der Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2045 insgesamt deutlich verbindlicher geregelt. Klimaschutzpläne bis 2040 muss 2026 das erste Mal die neue Bundesregierung vorlegen. Zudem einigten sich die Ampelfraktionen auf das Solarpaket, mit dem der Ausbau von Fotovoltaik vereinfacht werden soll. Das Paket hatte zuletzt die FDP blockiert, um die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes zu erzwingen.

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