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Abtreibungen sind in Deutschland grundsätzlich strafbar. Eine Expertenkommission empfiehlt hier Änderungen.

© dpa/Marijan Murat

Update

Legalisierung empfohlen: Kommission spricht sich für Entkriminalisierung von Abtreibungen aus

Nach der Expertenkommission sollten Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nicht mehr strafbar sein. Auch eine Bewilligung von Eizellspende und Leihmutterschaft hält sie für möglich.

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Abtreibungen sollten in Deutschland nach Einschätzung einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission künftig nicht mehr grundsätzlich strafbar sein. „In der Frühphase der Schwangerschaft (...) sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben“, heißt es in der Zusammenfassung eines Berichts der Kommission, die am Montag in Berlin vorgelegt wurde.

Die Expertinnen und Experten äußern sich darin auch zu den Themen Eizellspende und Leihmutterschaft. Beides hält die Kommission unter bestimmten Umständen für zulässig.

Auch heute sind Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase, also innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen, faktisch möglich. Vorausgesetzt, betroffene Frau hat sich zuvor einer Beratung unterzogen. Auch aufgrund bestimmter medizinischer Gegebenheiten oder nach einer Vergewaltigung sind Abbrüche gestattet. Allerdings ist dies bisher als Ausnahmeregelung im Strafgesetzbuch geregelt, welches Abtreibungen grundsätzlich unter Strafe stellt.

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel vereinbart, durch eine Kommission prüfen zu lassen, inwieweit Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden könnten. Die Kommission sollte zudem Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft prüfen.

Wer einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, wird laut §218 im Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

© dpa/Bernd Weißbrod

„Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Abbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft (...) ist nicht haltbar. Hier sollte der Gesetzgeber tätig werden und den Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig und straflos stellen“, sagte die für das Thema zuständige Koordinatorin in der Kommission, die Strafrechtlerin Liane Wörner von der Universität Konstanz, am Montag in Berlin. Ein Abbruch sei aktuell zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei, „aber er ist nach wie vor als rechtswidrig, als Unrecht gekennzeichnet“, kritisierte die stellvertretende Koordinatorin, Frauke Brosius-Gersdorf, die geltende Regel.

Kommission ist für die Legalisierung der Eizellenspende

Eine Änderung sei nicht einfach nur eine Formalie. Für die betroffenen Frauen mache es einen großen Unterschied, ob das, was sie täten, Unrecht sei oder Recht. „Außerdem hat das Auswirkungen auf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen.“

Eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland sehen die Expertinnen und Experten als zulässig, „sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet“, heißt es. Deutschland sei neben Luxemburg das einzige Land EU-Land, in dem die Eizellspende noch verboten sei, sagte die Koordinatorin für das Thema in der Kommission, Claudia Wiesemann von der Universität Göttingen.

Wichtig sei, so wie bei der Samenspende auch, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft zu sichern. Leihmutterschaft könne der Gesetzgeber in bestimmten Fällen zulassen, heißt es von der Kommission, „sofern insbesondere der Schutz der Leihmutter und das Kindeswohl hinreichend gewährleistet werden“.

Politiker erwarten keine schnelle Neuregelung

Nach Vorschlägen einer Expertenkommission zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts sind kurzfristige Neuregelungen durch die Ampel-Regierung nicht zu erwarten. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach am Montag vor Journalisten in Berlin von einem sehr sensiblen Thema, das stark in persönliche Bereiche gehe.

Es gelte, unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen. „Und wir wollen eine Debatte führen, die letztlich uns weiterbringt in dieser Frage, und das ist nichts, was man unter Zeitdruck und „jetzt machen wir das ganz schnell“ führen kann. Das wäre wirklich der falsche Weg.“

Der Expertenbericht sollte jetzt Grundlage sein für eine Debatte, die Politik und Gesellschaft miteinander führten, sagte Hoffmann. Man könne eine längere gesellschaftliche Debatte erwarten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei daran gelegen, dass diese Diskussion in ruhiger und sensibler Weise geführt werde. Das sei verbunden mit der Hoffnung, dass in Deutschland eine Polarisierung beim Thema Schwangerschaftsabbruch vermieden werden könne.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte am Montag, man werde den 600 Seiten starken Bericht als Bundesregierung gründlich auswerten und verfassungs- und völkerrechtliche Argumente prüfen. „Was wir nicht gebrauchen können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder gar spalten.“

Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, äußert sich zum Abschlussbericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.

© dpa/Britta Pedersen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, die Expertise der Kommission sei eine wesentliche Hilfe, um die komplexen ethischen Fragen zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin zu beantworten. „Am Ende braucht es dafür aber einen breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsens.“

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nannte die Empfehlungen der Kommission eine gute Grundlage für einen nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs.

Mehrheit in Bevölkerung spricht sich für eine Legalisierung von Abtreibungen in früher Phase aus

Eine Mehrheit der Bevölkerung ist laut einer Umfrage für eine Legalisierung von Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft. 72 Prozent der Befragten fänden es richtig, wenn ein Schwangerschaftsabbruch in diesem Zeitraum ohne Einschränkungen erlaubt wäre. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das am Montag veröffentlichte RTL/ntv-„Trendbarometer“ hervor.

Am größten ist die Zustimmung unter Anhängern der Grünen mit 82 Prozent, mit 55 Prozent am geringsten ist sie unter Anhängern der AfD. Im Osten Deutschlands sind 81 Prozent für eine solche Legalisierung, im Westen 71 Prozent.

Etwa jeder dritte Befragte (33 Prozent) glaubt, dass es zu einem Anstieg der Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen kommen würde, wenn diese künftig innerhalb der ersten zwölf Wochen ohne Einschränkung erlaubt wären. 62 Prozent glauben das nicht (dpa)

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