zum Hauptinhalt
Vizepräsidentin des Bundestags: Katrin Göring-Eckardt (Grüne) 

© dpa/Wolfgang Kumm

Update

Nach Störaktion gegen Göring-Eckardt: Polizei gibt mögliche Defizite beim Einsatz in Brandenburg zu

Nachdem ihr Dienstwagen von Pöblern bedrängt wurde, kritisierte Göring-Eckardt die unzureichende Vorbereitung der Polizei. Die gibt der Bundestagsvizepräsidentin nun recht.

Die Störaktion von aggressiven Demonstranten gegen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) in Brandenburg hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Jetzt hat die Brandenburger Polizei mögliche Defizite beim Einsatz zugegeben. .„Nach ersten Informationen liegen möglicherweise Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kräfte zum Zeitpunkt des Vorfalls unzureichend waren“, sagte die Sprecherin des Polizeipräsidiums, Beate Kardels, der Nachrichtenagentur dpa am Freitag.

Die Polizeidirektion Ost sei unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls aufgefordert worden, über den Einsatz zu berichten. „Selbstverständlich ist es unser Ziel, dass sich Amts- und Mandatsträger sicher fühlen. Auch deshalb wird dieser Einsatz nachbereitet. Die Erkenntnisse sollten für künftige Einsätze berücksichtigt werden.“ 

Mehrere Personen hatten am Samstag den Dienstwagen von Göring-Eckardt nach einer Partei-Veranstaltung in Lunow-Stolzenhagen im Landkreis Barnim bedrängt und an der Abfahrt gehindert. Göring-Eckardt kritisierte das Verhalten der Polizei scharf und forderte mehr Schutz für politische Veranstaltungen in ländlichen Regionen.

Wir können die ländlichen Räume nicht einem Mob überlassen.

Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsvizepräsidentin (Grüne) 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte zuvor das Vorgehen der Polizei gegen Kritik der Grünen-Politikerin verteidigt. „Die Tatsache, dass bei einer politischen Veranstaltung eine Gegendemo angemeldet ist, reicht nicht aus, um generell und vorsichtshalber eine Hundertschaft heranzuziehen“, sagte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Göring-Eckardt verwies auch auf Vorfall mit Habeck

„Die zunehmend aufgeheizte Stimmung bei politischen Veranstaltungen bleibt der Polizei nicht verborgen.“ Festzuhalten sei aber, dass auch diese Veranstaltung „letztlich durchgeführt werden konnte“ und „eine polizeiliche Nachbereitung stattfindet“, so Kopelke weiter. Es sei nun wichtig, herauszufinden, ob die Blockade von Göring-Eckardts Fahrzeuges von langer Hand vorbereitet worden sei. Er verwies zudem darauf, dass die Polizei insbesondere auf dem Land Zeit brauche, um Kräfte nachzuziehen.

Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt hatte am Donnerstag dem RND weiter gesagt: „Die Landespolizeien müssen sich dringend Gedanken darüber machen, wie sie politische Veranstaltungen auf dem Land absichern, und sich auf einheitliche Kriterien verständigen, welche Standards sie dabei eigentlich anwenden“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Dieser Vorfall war ja keine Ausnahme.“

Göring-Eckardt verwies auf die Blockade einer Fähre in Schlüttsiel (Schleswig-Holstein), auf der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck saß, Angriffe am Rande einer Veranstaltung in Biberach (Baden-Württemberg) mit der Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Ministerpräsident Winfried Kretschmann sowie ähnliche Ereignisse in den letzten Tagen.

„Das kann unser Rechtsstaat nicht hinnehmen“, betonte die Grünen-Politikerin. „Deshalb muss bei der Polizei jetzt ein anderes Bewusstsein her. Demonstrations- und Meinungsfreiheit sind genauso zu gewährleisten wie die ordnungsgemäße Durchführung politischer Veranstaltungen und der Schutz von politisch Engagierten. Wir können die ländlichen Räume nicht einem Mob überlassen.“

Göring-Eckardt: Polizei unzureichend vorbereitet

Die örtliche Polizei habe gewusst, dass die Veranstaltung in Lunow-Stolzenhagen mit ihr und einer örtlichen Kandidatin für die bevorstehende Kreistagswahl stattfinde, so Göring-Eckardt. Sie habe auch gewusst, dass eine Gegendemo angemeldet worden war. Zudem habe im Ort ein Plakat gehangen mit der Aufschrift: „Lieber ein Ort im Grünen als ein Grüner im Ort.“ Die Polizei hätte also entsprechend vorbereitet sein können.

Tatsächlich sei unmittelbar vor der Veranstaltung ein Einsatzleiter der Polizei mit einer Handvoll Kollegen dagewesen – zum Ende der Veranstaltung jedoch nur noch zwei, die allein gar nichts hätten ausrichten können. „Verstärkung kam erst wieder, als wir eingekesselt wurden und eine Dreiviertelstunde lang nicht wegkonnten“, so die Bundestagsvizepräsidentin.

„Alkoholisierte Pöbler standen vor unserem Fahrzeug, in dem ich saß, hielten uns auf, fuchtelten mit Bierflaschen herum. Ich bin ein unerschrockener Mensch, aber ich hatte Sorge um die anderen um mich herum.“ Zwar habe die übergroße Mehrheit der rund 100 Anwesenden zuhören wollen, doch eine laute Minderheit von knapp 50 Personen habe die Mehrheit übertönt. Nach der Veranstaltung hätten zirka 15 Personen die Redner bedrängt.

Göring-Eckardt: Personen schlugen auf das Fahrzeug

Insgesamt seien bei der Veranstaltung rund 100 Menschen im Saal gewesen, teilte das Büro Göring-Eckardts im Bundestag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin mit.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zuvor hatte ihr Büro bereits mitgeteilt, dass das Auto mit Göring-Eckardt und ihrem Fahrer nach dem Termin an der Abfahrt gehindert worden sei: „Mehrere Personen schlugen dabei in aggressiver Stimmung auf das Fahrzeug.“ Erst als die Polizei Verstärkung gerufen habe, sei die Abfahrt nach 45 Minuten ermöglicht worden, heißt es verschiedenen Medienberichten zufolge.

Nach Angaben der Polizei wurde in Lunow-Stolzenhagen gegen zwei 19 und 26 Jahre alte Männer eine Anzeige wegen Nötigung aufgenommen. Demnach hätten die beiden Männder sich vor und hinter den Dienstwagen gesetzt und die Abfahrt verhindert. Die „Märkische Oderzeitung“ hatte ebenfalls über den Vorfall berichtet.

Ermittlungen gegen zwei Männer in Brandenburg

Zu den näheren Umständen liefen ebenso Ermittlungen wie zur Behauptung eines Beschuldigten, er sei von dem Fahrzeug touchiert worden, berichtet die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder).

Wir sollten nie vergessen, wo politische Aggression hinführen kann.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)

Der 26-Jährige habe angegeben, von dem Auto touchiert worden zu sein. Verletzungen waren nach Angaben der Polizei aber nicht ersichtlich, eine Behandlung durch Rettungskräfte habe er abgelehnt.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) führt nach Angaben einer Sprecherin wegen der Blockade ein Ermittlungsverfahren wegen Nötigung gegen zwei Beschuldigte, wie die Agentur dpa schreibt. Beide hätten sich so vor und hinter dem Fahrzeug platziert, dass es für geraume Zeit an der Abfahrt gehindert gewesen sei. Zu den näheren Umständen liefen ebenso Ermittlungen wie zur Behauptung eines Beschuldigten, er sei von dem Fahrzeug touchiert worden.

Die Politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, verurteilte den Vorfall, ebenso wie viele andere Übergriffe auf die Grünen zuvor: „Leider erleben wir immer wieder Angriffe auf unsere Wahlkämpfenden“, sagte Büning dem Tagesspiegel. Politiker müssten auch mit Buhrufen und persönlicher Kritik umgehen. „Doch wenn Menschen, die sich für Demokratie und unsere Gesellschaft einsetzen, gezielt bedrängt, eingeschüchtert und angegriffen werden, ist das absolut inakzeptabel.“

Büning forderte alle demokratischen Parteien und Sicherheitsbehörden auf, sich dem engegenzustellen. „Solche Angriffe richten sich nicht nur gegen eine Partei, sondern schaden dem gesellschaftlichen Zusammenleben und dem demokratischen Diskurs.“ 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte die gewaltsame Blockade des Dienstwagens von Göring-Eckardt scharf. „Solche Einschüchterungsversuche haben nichts mehr mit demokratischem Protest zu tun“, schrieb Faeser am Donnerstag im Online-Netzwerk X. „Wir sollten nie vergessen, wo politische Aggression hinführen kann. Der zunehmenden Verrohung müssen sich alle Demokraten entgegenstellen“, forderte Faeser

Das ist kein Kavaliersdelikt.

Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion

Die SPD zeigte sich nach der Störaktion besorgt. „Es gehört leider mittlerweile zum Alltag, dass Politikerinnen und Politiker in unserem Land bedrängt, bedroht und beschimpft werden. Auf der Straße und im Netz“, sagte Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, dem „Spiegel“. Sie erklärte ihre „volle Solidarität mit Katrin Göring-Eckardt und allen anderen Opfern“.

Mast verurteilte den Vorfall. „Menschen, die sich für unser Gemeinwesen einsetzen, haben Anerkennung und Respekt verdient“, sagte die Sozialdemokratin. „Wer sie in der Ausübung ihrer Ämter hindert oder schlimmer noch so massiv körperlich angeht, wie wir es in den letzten Tagen erneut erlebt haben, muss mit aller Härte des Rechtsstaates rechnen. Das ist kein Kavaliersdelikt.“

Union solidarisiert sich mit Göring-Eckardt

Auch die Union forderte ein entschiedeneres Handeln der Behörden und solidarisierte sich mit Göring-Eckardt. „Um das Fundament unserer Demokratie zu schützen, muss sich der Rechtsstaat auch an dieser Stelle wehrhaft zeigen“, forderte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU). Das Demonstrationsrecht in Deutschland sei ein hohes Gut, „aber die Bundestagsvizepräsidentin zu bedrohen und einzuschüchtern, ist absolut inakzeptabel.“

Innerhalb eines Tages waren am Wochenende Berichten zufolge an vier Orten in Sachsen Grüne attackiert worden, die Wahlplakate klebten.

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen finden in diesem Jahr Landtagswahlen statt. Am 9. Juni sind die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zudem zur Europa-Wahl aufgerufen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false