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Nummer zwei ist unterwegs, und die Wohnung wird zu klein? Familienplanung ist immer auch eine Frage der Finanzen.

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Kein Elterngeld mehr für Gutverdiener: „Das trifft ins Herz des Aufstiegsversprechens“

Kein Elterngeld mehr für Menschen mit hohem Einkommen, und zwar schon ab Januar: So kommt es womöglich nicht, wie sich am Montag im Petitionsausschuss des Bundestags abzeichnete.

Eine „Frechheit“ seien die Pläne von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), sagt Sara Marino (Name geändert*). Mit rundem Schwangerschaftsbauch steht sie vor dem Sitzungssaal im Bundestag, in dem gleich das Thema Elterngeld debattiert wird. Die Ministerin will es für Paare streichen, die ein gemeinsames Jahreseinkommen von rund 180.000 Euro brutto haben, und zwar für alle Geburten ab Januar 2024.

Doch dass das nicht so einfach durchgehen wird, zeichnet sich am Montag im Petitionsausschuss ab. Als Rednerin geladen ist Verena Pausder, eine Unternehmerin, die sich für digitale Bildung engagiert. Sie hat eine erfolgreiche Petition gegen die Pläne gestartet und durfte daher ihre Argumente nun persönlich den Abgeordneten nahebringen.

Das geht ab 3200 Euro Miete erst los.

Sara Marino, werdende Mutter, über die Wohnungssuche in Berlin.

Die Streichung treffe „ins Herz des Aufstiegsversprechens“ für junge Männer und Frauen, argumentiert Pausder. So sieht das auch Marino. Sie ist Italienerin, kam einst wegen eines Jobs nach Berlin und blieb wegen der Liebe.

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Die FDP hat Alternativvorschläge

„Wir wohnen in der Großstadt und nicht auf dem Land, hier ist alles teuer“, sagt sie. Das zweite Kind ist auf dem Weg, die Familie sucht gerade eine Vier-Zimmer-Wohnung, „das geht ab 3200 Euro Miete erst los“. Marino ist Managerin in einer IT-Firma, ebenso wie ihr Partner. Viele Betroffene seien um die 30 Jahre alt, würden erst seit kurzem gutes Geld verdienen und hätte keine großen Ersparnisse, sagt sie.

Dabei wird die Änderung sie nicht einmal betreffen, ihr Kind soll im November geboren werden. Aber Marino ist so empört, dass sie trotzdem ins Parlament gekommen ist. Eine ihrer Freundinnen sei ebenfalls schwanger, berichtet sie, der Entbindungstermin sei der 28. Dezember. „Diese Freundin überlegt jetzt, die Geburt einleiten zu lassen, wenn das Kind sich nicht pünktlich auf den Weg macht. Das ist doch verrückt.“

Verena Pausder, Initiatorin der Petition.
Verena Pausder, Initiatorin der Petition.

© Patricia Lukas

In der Sitzung zeichnet sich ab: Bei der Streichung schon ab Januar wird es womöglich nicht bleiben. Schließlich waren viele Frauen, die das betreffen würde, längst schwanger, als die Idee im Sommer publik wurde. Die FDP hat von Anfang an klargemacht, dass sie diese Kürzung nicht mitträgt. Am Montag betont auch der parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium Sven Lehmann (Grüne) mehrfach, dem Parlament stehe es frei, im Rahmen des Haushaltsverfahrens eine andere Entscheidung zu treffen.

Die Liberalen wollen aber grundsätzlich eine andere Lösung. Dafür plädiert am Montag Gyde Jensen, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion. Sie hält es für möglich, innerhalb des Elterngeld-Budgets schlauer zu sparen. Zum einen schlägt sie vor, nicht mehr zu gestatten, dass beide Eltern gleichzeitig Elterngeld beziehen – außer in den ersten Lebensmonaten und bei Mehrlingen. Die zweimonatige gemeinsame Auszeit in Thailand kurz vor dem ersten Geburtstag des Kindes wäre dann kein Fall für die Elterngeldkasse mehr.

Außerdem gibt es beim Elterngeld bestimmte Bonusregeln, etwa wenn es sehr junge Geschwisterkinder gibt. Auch da will Jensen lieber kürzen als bei den Gutverdienenden.

In der Sitzung kommt außerdem die Idee zur Sprache, die Zahl der sogenannten Vätermonate zu erhöhen. Bisher muss jedes Elternteil mindestens zwei Monate Elterngeld beziehen, wenn ein Paar insgesamt die vollen 14 Monate in Anspruch nehmen will. Würde diese Zahl auf drei oder mehr erhöht, würde ebenfalls gespart.

Das aber hielte Staatssekretär Lehmann für problematisch. Es wäre ein zu großer staatlicher Eingriff in die Wahlfreiheit von Familien, sagt er.

Und so bleibt die Frage: Woher soll der vom Familienministerium geforderte Sparbeitrag kommen? Pausder dreht genau diese Frage um. Bei acht Milliarden Euro Diesel-Subvention pro Jahr, drei Milliarden Euro für Dienstwagen und zehn Milliarden Euro für die Ansiedelung einer einzelnen Chip-Fabrik könne es nicht sein, dass ausgerechnet bei Familien 300 Millionen Euro gespart werden müssten – und zwar „in der sensibelsten Lebensphase“.

Auch gebe es für das erste Lebensjahr eines Kindes keinen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, betont Pausder. Manche werdende Eltern würden derzeit bei ihren Vorgesetzten vorsprechen, um die jeweils letzte Gehaltserhöhung rückgängig zu machen. Ohnehin sei die Streichung gleichstellungspolitisch fatal.

Auch Staatssekretär Lehmann sagt, er wolle die Streichung nicht schönreden. Doch immerhin: Für 96 Prozent der Paare würde sich nichts ändern. Die Alternative wäre laut Lehmann gewesen, beim Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende oder beim Kinderzuschlag für Geringverdienende zu sparen. Beides wäre, so Lehmann, nicht vertretbar gewesen. Im Übrigen sei verfassungsrechtlich klar, dass die Parameter des Elterngeldes auch so kurzfristig geändert werden könnten. Das allerdings sieht Pausder anders.

Womöglich wird diese Frage am Ende vom Verfassungsgericht selbst beantwortet. Klar ist derzeit nur, dass für tausende werdende Eltern, die sich Gedanken übers Familienbudget machen, gar nichts klar ist.

*Der Name wurde auf Wunsch der betreffenden Frau nachträglich in ein Pseudonym umgewandelt.

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