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Am Andreas-Gymnasium in der Koppenstraße in Berlin hatten Schüler vor einiger Zeit ein Plakat aufgehängt, um sich gegen die AfD zu positionieren.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Kritischer Umgang mit AfD im Unterricht: Lehrervertreter reagieren mit Bedenken auf Appell der GEW

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ruft Lehrkräfte in Deutschland auf, im Unterricht die Auseinandersetzung mit der AfD zu suchen. Lehrervertreter äußern Bedenken.

Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW hat die Lehrkräfte in Deutschland dazu aufgerufen, sich im Unterricht kritisch mit der Partei Alternative für Deutschland auseinanderzusetzen. „Die AfD ist eine Partei mit verfassungsfeindlichen Tendenzen. Das dürfen und sollen Lehrerinnen und Lehrer im Klassenraum so sagen“, sagte Maike Finnern den „Stuttgarter Nachrichten“. Demnach hätten Lehrkräfte „mehr als andere die Pflicht, ihre Stimme gegen Rechtsextremismus und verfassungsfeindliche Umtriebe zu erheben“, sagte die Gewerkschaftsvertreterin.

Aus der Lehrerschaft kamen unterschiedliche Reaktionen auf die Forderung aus der Bildungsgewerkschaft. Möglicherweise auch wegen negativer Erfahrungen. Im Oktober 2018 hatte die AfD ein Onlineportal eröffnet, auf dem Schüler und Eltern melden sollten, wenn sich Lehrkräfte im Unterricht nicht neutral verhalten. Die Aufregung war groß, viele warnten vor einer „Denunziationsplattform“.

Stefan Düll, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands, ist der Meinung, Lehrkräfte sollen auf Demokratiefeinde hinweisen.
Stefan Düll, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands, ist der Meinung, Lehrkräfte sollen auf Demokratiefeinde hinweisen.

© Deutscher Lehrerverband (DPhV)

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, sagte dem Tagesspiegel, es brauche keine explizite Anweisung oder Empfehlung an die Lehrer. „Entsprechend ihrem Eid auf das Grundgesetz und die jeweilige Länderverfassung versteht es sich von selbst, auf die Bedrohung der Freiheit und der Grundrechte durch Demokratiefeinde aller Couleur hinzuweisen“, so Düll weiter. Im Geschichts- und Politikunterricht stünde die wehrhafte Demokratie ohnehin auf dem Lehrplan.

Lehrervertreter wollen der Partei keinen Anlass für Einnahme der Opferrolle geben

Florian Bublys, Fachbereichsleiter für Politik und Geschichte an einer Berliner Schule, findet die GEW-Forderung schwierig: „Die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei festzustellen ist nicht Aufgabe der Lehrkräfte, sondern des Bundesverfassungsgerichts.“ Der Lehrer warnte davor, der rechtspopulistischen Partei eine Steilvorlage zu liefern, um sich in die Opferrolle zu begeben.

Lehrer und Lehrerinnen benötigten immer einen inhaltlichen Kontext, um solche Dinge in den Schulstunden zu thematisieren. „In diesen Zusammenhang können wir Verfassungsfeinde von links und rechts erwähnen. Dabei ist es legitim, Aussagen von Politikern wie Björn Höcke als Belege anzuführen“, sagte Bublys.

Das Berliner Schulgesetz räumt der Auseinandersetzung mit Gefahren für die Demokratie oberste Priorität ein.

Florian Bublys, Fachbereichsleiter für Politik und Geschichte an einer Berliner Schule.

Als Grundlage für den Umgang mit politische Bildung gilt vielerorts in Deutschland der sogenannte Beutelsbacher Konsens von 1976, in dem Regeln für die pädagogische Praxis formuliert wurden. Die Fachleute formulierten damals drei Kernelemente für den Unterricht. Schüler sollten nicht indoktriniert werden, im Unterricht sollen kontroverse Positionen aus Wissenschaft und Politik betrachtet werden und damit die Schüler dazu befähigt werden, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren.

Bildungspolitikerin Ria Schröder (FDP) will Schüler für Extremismus sensibilisieren.
Bildungspolitikerin Ria Schröder (FDP) will Schüler für Extremismus sensibilisieren.

© Imago Images/Hanno Bode

Bildungspolitiker stimmen der Gewerkschaftsvertreterin zu

Aus demokratischen Parteien erhält die GEW-Vorsitzende Finnern überwiegend Zuspruch. „Politische Bildung und Demokratiebildung an Schulen ist notwendiger denn je und darf nicht wertneutral vorgehen. Extremismus ist klar zu benennen, selbstverständlich auch Rechtsextremismus und Rechtspopulismus der AfD“, sagte Karin Prien (CDU) dem Tagesspiegel. Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein hatte sich im März per Brief an die Schulleiter in ihrem Bundesland gewandt. Darin forderte sie dazu auf, rund um den 75. Jahrestags der Verkündung des Grundgesetzes im Mai besondere Aktionen zur Demokratiebildung durchzuführen.

Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion mahnte, Lehrkräfte müssten parteipolitisch neutral sein. „Bildung ist die erste Verteidigungslinie der Demokratie. Deshalb ist es wichtig, Schülerinnen und Schüler mit den Positionen aller Parteien zu konfrontieren und sie für Populismus und Extremismus zu sensibilisieren“, sagte Ria Schröder.

Es ist wichtig, Schülerinnen und Schüler für Populismus und Extremismus zu sensibilisieren.

Ria Schröder, FDP-Bildungspolitikerin

Die Grünen-Politikerin Anja Reinalter, sagte, sie freue sich über jede Lehrkraft, die in ihrer Freizeit für die Demokratie und für die Stärkung unserer Grundrechte und unseres Rechtsstaats demonstriert. „Lehrkräfte sind verpflichtet, sich verfassungskonform zu verhalten“, sagte Reinalter. „Dazu gehört, dass Parteien wie die AfD, die in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird, im Unterricht thematisiert und kritisch diskutiert werden.“

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, sagte dem Tagesspiegel: „Schüler und Schülerinnen sollen durchaus dazu befähigt werden, sich selbst ein Urteil zu bilden, welche Forderungen und Parteien aus welchen Gründen den Grundsätzen unserer Verfassung entsprechen und welche nicht.“

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Der Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Bundestag zeigte kein Verständnis für den Vorstoß der Bildungsgewerkschaft. Die Verfassung schütze alle Parteien in besonderen Maße, also auch die AfD. „Die GEW versucht, Lehrer als fünfte Kolonne im Wahlkampf gegen die AfD zu mobilisieren“, schrieb Götz Frömming auf dem Kurznachrichtendienst X.

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