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Die Iranierin Leyla Biouk mit ihrer Tochter Nila im Dokumentarfilm „Nilas Traum im Garten Eden“. Regie: Niloufar Taghizadeh

© Little Dream Pictures

Kolumne „Mehrwert“, Folge 24: Ein Kind, das nicht „halal“ ist

Mit den Militärschlägen gegen Israel gerät die Entrechtung der Frauen im Iran in Vergessenheit. Zwei aktuelle Dokus thematisieren das Phänomen der „Zeitehe“, religiös kaschierter Prostitution, bei der die Frauen männlicher Willkür machtlos ausgesetzt sind.   

Eine Kolumne von Christiane Peitz

Die Filme wurden heimlich gedreht. „Die Beteiligten haben mehr riskiert als ihre Freiheit“, heißt es im Vorspann des einen; der andere bittet um Verständnis für die wegen der riskanten Entstehungsbedingungen teils schlechte Bild- und Tonqualität.

Es geht um schiitische Zeitehen im Iran. Angesichts der Militärschläge des Landes gegen Israel und der Gefahr nach außen ist die Entrechtung der Frauen aktuell kaum noch ein Thema hierzulande. Die Gewalt des Regimes gegen die eigene Bevölkerung gerät in Vergessenheit.

Kürzlich berichtete das ZDF-„heute Journal“ immerhin von zwei Dokumentarfilmen zur Zeitehe, dem bigotten Phänomen der religiös legitimierten, als „hamam“ kaschierten Prostitution. Iranische Männer können für wenige Stunden eine „Ehe“ mit einer Frau eingehen, um gegen eine „Mitgift“ Sex mit ihnen zu kaufen, vermittelt von als Zuhälter tätigen Geistlichen. Der Willkür der Freier und der Zuhälter sind die Frauen machtlos ausgeliefert.  

Für seine Doku „Holy Prostitution“ (der Titel spielt auf den Spielfilm „Holy Spider“ über eine Mordserie an iranischen Frauen an) gab sich der im Wiener Exil lebende Filmemacher Mehdi Kazemi als Kunde aus, um Zeitehe-Frauen interviewen zu können. Einige wenige stimmten der Veröffentlichung der Interviews zu, anonymisiert, mit verpixelten Bildern und verfremdeten Stimmen. Aus dem im Winter 2020/21 gedrehten Material hat Kazemi nun seinen Dokumentarfilm fertiggestellt, der auch die extreme Arm-Reich-Schere im Iran thematisiert.

Zwei der Frauen schildern ihre existenzielle Not, sie sind geschieden, unversichert, müssen ohne Chance auf staatliche Hilfe mit viel zu geringem Einkommen hohe Mieten zahlen und ihre Kinder durchbringen. Der Geistliche, den Kazemi offiziell befragt, erklärt, mit Zeitehe-Vertrag seien die Frauen „halal“. Es gebe kein moralisches oder soziales Problem.     

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Kinder aus solchen Zeitehen existieren offiziell erst recht nicht. Die deutsch-iranische Filmemacherin Niloufar Taghizadeh begleitet in „Nilas Traum im Garten Eden“ eine Mutter, die für das Recht ihrer Tochter, auf die Schule zu gehen, kämpft. Erst leugnet ihr Zeitehemann die Vaterschaft, dann verweigert er Unterschriften, bedroht Mutter und Kind. Die Folge: eine jahrelange, vergebliche Behörden-Odyssee zwischen Gericht und Schulämtern, ein Papierkrieg um Geburtsurkunde, Sorgerechtsschreiben und fehlende Stempel. Und mittendrin ein munteres, gewitztes kleines Mädchen, das nicht zur Schule darf, weil es nicht „halal“ ist.  

Mehdi Kazemi, der wegen eines späteren Drehs im Winter 2021 im iranischen Kurdistan von den Revolutionsgarden in Einzelhaft gefoltert und zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, konnte 2022 wieder nach Wien fliehen. Hoffentlich ist sein Film bald öfter in Deutschland zu sehen, nach bisher wenigen Vorführungen. „Nilas Traum …“ wird in Berlin im Moviemento gezeigt (OmU: 16. April, 17 Uhr. Am 26. April um 18 Uhr in Anwesenheit der Regisseurin).

Christiane Peitz schreibt in dieser Kolumne über Menschenrechte, Zensur und Diskriminierung.    

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