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Großer Auftritt. Samuel Finzi moderierte 2020 die Eröffnungsgala der Berlinale. Foto: Tobias Schwarz/AFP

© AFP/TOBIAS SCHWARZ

Kinder, Könige, Komiker: Samuel Finzis Familiengeschichten

Von der Bühne zum Buch: Der aus Bulgarien stammende Berliner Schauspieler Samuel Finzi erzählt von seiner Kindheit und Jugend im Kommunismus.

Das Buch des Propheten Samuel der hebräischen Bibel enthält die Geschichte der Könige im alten Israel, von Saul und David. „Samuels Buch“ - die Wortspielerei ist unvermeidlich - erzählt von einer anderen Frühzeit. Der Schauspieler Samuel Finzi geht in diesem autobiografischen Roman zurück in seine Kinder- und Jugendjahre, in das Bulgarien der Siebziger und Achtziger.

Um Autoritäten dreht es sich auch hier. Todor Schiwkow herrschte in dem osteuropäischen Land als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei und Staatschef von 1954 bis 1989 wie ein absoluter Monarch. Schiwkow kam aus einer armen Bauernfamilie. Samuel Finzi, 1966 in Plowdiw geboren und in Sofia aufgewachsen, stammt aus anderen Kreisen. Sein Vater Itzhak Finzi ist ein berühmter Schauspieler, ein Theaterkönig in Bulgarien, seine Mutter Gina Tabakova eine hoch geehrte Konzertpianistin.

Vater und Sohn sind Freunde

Sancho, wie ihn Freunde und Kollegen heute noch nennen, macht damals selbstverständlich Bekanntschaft mit dem Kulturbetrieb und seinen Menschen, die den Jungen gleichermaßen irritieren wie anregen. Durch das Buch seiner bulgarischen Adoleszenz ziehen sich berührende Episoden einer ungewöhnlichen Freundschaft: Vater Finzi und sein Sohn sind einander sehr nah. Samuel hilft dem Papa beim Textlernen. Papa öffnet ihm die westliche Kultur.

Eines Tages, nach einer Shakespeare-Probe, sitzt ein Mann mit einer tiefen, warmen Stimme bei Finzi in der Küche. „Aus einer Wolke von Rauch blickt mich ein dunkles Auge an. Mit einer Handbewegung befreit er das andere Auge von einer Haarmähne: Ich bin Mitko. Und du?“

Triumph im Theater

Es war der Regisseur Dimiter Gotscheff. Mit ihm hat Samuel Finzi später grandiose Aufführungen erlebt, allen voran „Die Perser“ am Deutschen Theater Berlin, mit Margit Bendokat, Almut Zilcher und Wolfram Koch. Finzi und Koch waren eine Zeitlang das Traumpaar der Bühne. Der Monsterfilm „Seneca“ mit John Malkovich hat die beiden kürzlich wieder zusammengebracht. Sie spielen die Höflinge des irren Philosophen.

Samuel Finzi kommt 1989 nach Berlin. Da endet sein Buch. Er ist heute einer der versiertesten Schauspieler hierzulande, von Aischylos zu Til Schweigers Komödien, vom „Tatort“ zum „Tel-Aviv-Krimi“. Er spielt in Fernsehfilmen den Gerichtsmediziner so lässig menschlich wie den Trainer von Boris Becker. Wenn Finzi dabei ist, schaltet man nicht ab.

Finzi überrascht immer wieder mit Geschichten, die sein Talent für komische Dramen zeigen, wie der Schulausflug zu den antiken Stätten in Griechenland, wo die Schüler aus Bulgarien Touristen ein antikes Stück vortragen, in weiße Bettlaken gewickelt.

Zur Schauspielschule findet Samuel eher zufällig. Er will Regie studieren, doch das Fach fällt aus, als er sich bewirbt. Und ein Studienplatz ist die einzige Möglichkeit, den horrenden Wehrdienst zu verkürzen. Finzi macht Faxen. Als er in eine Strafkolonie versetzt werden soll, führt er den Ärzten eine „manische Depression mit Suizidgefahr“ überzeugend vor.

Samuel Finzi mit John Malkovich in „Seneca“. Foto: Verleih

© Filmgalerie 451

Deutsch lernt er dann in der Wendezeit. Seine Sprachbegabung ist enorm. Im Buch erzählt er aus der Familie heraus europäische Geschichte. 1992 kommt der spanische König Juan Carlos nach Sofia, um sich bei den Nachkommen der sephardischen Juden zu entschuldigen, die durch das Edikt von 1492 vertrieben worden waren. Bei der Audienz fragt Juan Carlos Itzhak Finzi, woher sein Name stamme. Und der große Schauspieler tönt laut in die Runde, den König bloßstellend, der habe noch nie etwas von den „Gärten der Finzi-Contini“ gehört, dem berühmten Roman des Italieners Giorgio Bassani.

„Samuels Buch“ handelt von Familie, Freundschaft und dem Drang nach Freiheit. Und von der Kraft der Kunst. Es ist eine Kunst des intelligenten Improvisierens im Alltag wie auf der großen Bühne, mit Demut so gut wie mit Witz.

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