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Eine Seite aus „Benni Bärenstark“.

© Verlag Splitter/toonfish / Verlag Splitter/toonfish

Comic-Klassiker „Benni Bärenstark“ : Superheld mit Schniefnase

Vor gut 60 Jahren erfand „Schlümpfe“-Schöpfer Peyo den kindlichen Kraftprotz. Jetzt lassen sich die Abenteuer von Benni Bärenstark in einer Gesamtausgabe neu entdecken.

Er kann einen Elefanten ohne Mühe herumtragen, eine Lokomotive in voller Fahrt abbremsen und einen Golfball bis ins All schießen. Dabei sieht er nicht aus wie Superman, sondern wie ein unscheinbarer kleiner Junge. Seine Markenzeichen sind eine rote Jacke, kurze Hosen, ein blauer Schal und eine übergroße Baskenmütze auf dem blonden Schopf.

Vor gut 60 Jahren erlebte Benni Bärenstark seine ersten Comic-Abenteuer, jetzt lassen die sich dank einer Neuauflage wiederentdecken („Benni Bärenstark“ Gesamtausgabe, bislang 2 Bände, Übersetzung Max Murmel, Wiebke Besson, Gabriele Montaldi-Seelhorst, toonfish, 224 bzw. 216 Seiten, 39,95 €). 

Mit seiner Baskenmütze könnte man ihn für einen Franzosen halten. Allerdings dürfte es es sich bei dem Jungen aus der fiktiven, beschaulichen Kleinstadt Freudenberg um einen Belgier handeln. Zumindest ist sein Erfinder Peyo (alias Pierre Culliford, 1928-92) ein belgischer Zeichner, der die „Schlümpfe“ schuf und die Idee zur Comicfigur Benni Bärenstark 1960 entwickelte.

 Freundlich, hilfsbereit, übermenschlich: Benni Bärenstark in Aktion.
 Freundlich, hilfsbereit, übermenschlich: Benni Bärenstark in Aktion.

© Verlag Splitter/toonfish / Splitter/toonfish

Grundlegende zeichnerische Entwürfe zur Figur steuerte André Franquin („Gaston“, „Marsupilami“, „Spirou und Fantasio“) bei, die Peyo nur leicht abwandelte.

Ausgangsbasis für jede Geschichte ist eine Alltagsszene in Freudenberg, bevor der etwa zehnjährige Schüler Benni – der offenbar eine Waise ist, da keine Eltern die Handlung stören - in ein Abenteuer hineingezogen wird.

Verhängnisvoller Schnupfen

Superhelden boomten in den USA seit den späten 1930er Jahren und konnten sich auch in Europa bei jugendlichen Lesern durchsetzen. Peyo hatte keinen Faible für das Genre und wollte, dass sein kleiner Held zwar enorme Kräfte hat, ansonsten aber „ein ganz normaler Junge“ sein sollte.

Benni ist freundlich, hilfsbereit und stellt seine Kraft ganz uneigennützig in den Dienst gegen Ungerechtigkeiten und Verbrechen. Zudem stattete er ihn mit einer Schwäche aus: Bennis Kräfte schwinden, sobald er sich erkältet.

Peyo sagte in einem Interview: „Als ich Benni entwarf, habe ich schnell daran gedacht, ihm eine Achillesferse zu verleihen. Von da an sorgt sich der Leser immer, dass Benni sich einen Schnupfen einfangen könnte.“ Solch einen Punkt gibt es in jedem Plot, was verhindert, das Benni den Konflikt – etwa mit Ganoven oder korrupten Unternehmern – allzu schnell löst.

Gut gealtert

Ursprünglich für die Zeitung „Le Soir“ konzipiert, fand der Verleger Charles Dupuis die Idee von Benni Bärenstark so gut, dass er ihn überreden konnte, die Serie im Magazin „Spirou“ zu veröffentlichen. 1962 erschienen die ersten drei Abenteuer in Alben, insgesamt sollten es 14 Alben werden, die nun im Bielefelder toonfish-Verlag in einer fünfbändigen Gesamtausgabe mit umfangreichem Bonusmaterial neu aufgelegt werden.

Eine weitere Seite aus „Benni Bärenstark“.
Eine weitere Seite aus „Benni Bärenstark“.

© Verlag Splitter/toonfish / Splitter/toonfish

Die Wiederentdeckung lohnt: Die Abenteuer des kleinen Benni sind erstaunlich gut gealtert. Die Geschichten wirken zeitlos und zeichnen sich durch originelle, schrullige Figuren und pointierten Humor aus. Nahezu jedes Abenteuer überzeugt zudem durch eine spannende, oft rasant erzählte und abwechslungsreich konstruierte Geschichte.

Peyo entwickelte einen eigenen klaren Zeichenstil, der im Vergleich zu André Franquins dynamischem Strich etwas aufgeräumter aussieht. „Benni Bärenstark“ ist auch ein gutes Beispiel für die gelungene Arbeitsteilung im Verlagshaus Dupuis, bei der sich die Künstler gegenseitig unterstützten.

Das Titelbild des zweiten Sammelbandes.
Das Titelbild des zweiten Sammelbandes.

© Verlag Splitter/toonfish / Splitter/toonfish

Schon in den ersten beiden Benni-Abenteuern ließ sich Peyo von Will (Willy Maltaite) assistieren, der für Hintergründe zuständig war. Da Peyo mit dem Zeichnen mehrerer Serien gleichzeitig bald überfordert war, übernahm bald sein Schüler François Walthéry („Natascha“) ganz die Zeichenarbeit, der den Stil seines Meisters bald perfekt traf. Marc Wasterlain kam ab dem sechsten Album dazu. Peyo überarbeitete hauptsächlich den Ausdruck seiner Hauptfiguren und gab ihnen den letzten Schliff.

Bei den meisten Plots arbeitete Peyo mit versierten Autoren wie Yvan Delporte oder Gos (Daniel Goossens) zusammen, sodass die Geschichten häufig zu Gag-Feuerwerken eskalierten. „Abenteuer mit Onkel Hubert“ etwa ist eine aberwitzige Parodie auf die damals, 1968, beliebten Agentenfilme.

In der anrührenden Geschichte „Circus Bodoni“ wird Benni zur Zirkusattraktion, da der mitfühlende Junge einer Artistenfamilie aus der finanziellen Bredouille helfen möchte. Eine besonders facettenreiche Figur ist Peyo mit „Frau Albertine“ gelungen. Benni lernt die freundliche alte Dame eines Tages in Freudenberg kennen. Kurz darauf wird sie bei Überfällen beobachtet und fällt durch ihre rüde Ganovensprache auf. Irgendwann kommt Benni dahinter, dass da etwas nicht stimmen kann.

Traurig bloß, dass die Erwachsenen seinen Erklärungen der Ereignisse nie zuhören und sich nicht vorstellen können, dass er das Problem aus der Welt geschafft hat. Die Erwachsenen selbst erweisen sich stets als unfähig, ihre eigenen Probleme zu lösen. Peyo erwies sich mit „Benni Bärenstark“ als begnadeter Erzähler turbulenter Comics für Kinder, die durch ihren Anspielungsreichtum auch Erwachsenen Spaß bereiten.

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