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Räumung des Protestcamps an der FU.

© Christoph Papenhausen

Update

Palästina-Protest in Berlin: Polizei räumt Zeltcamp an der FU – Uni stellt Lehrbetrieb teilweise ein

An der Freien Universität haben Pro-Palästina-Aktivisten einen Innenhof besetzt. Die Polizei hat das Zeltcamp geräumt. Dabei kam es zu Angriffen auf Polizeibeamte und dem Einsatz von Reizgas.

Nachdem in der Spitze etwa 150 propalästinensische Demonstranten am Dienstagvormittag einen Innenhof an der Freien Universität (FU) Berlin besetzt haben, hat die Berliner Polizei das nicht angemeldete Protestcamp am Nachmittag geräumt. Die Beamten führten die Demonstranten nach und nach ab, teils auch unter der Anwendung von Gewalt.

Immer wieder kam es dabei im „Theaterhof“ an der Rostlaube hinter der Mensa der FU in Dahlem zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizeikräften. Nach Angaben eines Polizeisprechers von vor Ort setzten die Einsatzkräfte auch Reizgas ein. „Der Druck auf die Kollegen wurde zu groß“, begründete der Sprecher die Maßnahme. Teilweise seien die Polizeibeamten im Nahbereich der Universität attackiert worden.

Polizeikräfte führten nach und nach Demonstrierende ab und wandten dabei teilweise auch Zwang an.

© Christoph Papenhausen

Ein Polizist sei bei dem Einsatz verletzt worden, sagte der Sprecher weiter. Zur Anzahl der Festnahmen, Strafanzeigen und Verletzten konnte die Polizei auch am Abend noch keine genaueren Angaben machen.

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Während der Räumung hatten einige Studierende und Demonstranten gegen die Scheiben des an den Hof grenzenden Gangs gehämmert. Sie hielten Blätter mit der Aufschrift „You are not alone“, „We are more“ und „Deutschland, du hast nichts gelernt“ an die Scheibe.

„We are more“ und „You are not alone“ („Wir sind mehr“ und „Ihr seid nicht allein“) steht auf Blättern, die Unterstützer des Protests an die Scheiben des an den Hof grenzenden Gangs hielten.

© Christoph Papenhausen

Einige Studierende aus einem angrenzenden Gebäude durchbrachen zudem eine Tür, die die Polizei zuvor verschlossen hatte, und versuchten, sich dem Protest anzuschließen. Einsatzkräfte mussten die Menschen zurückdrängen. Vier Personen wurden daraufhin abgeführt. Die Tür wurde wieder verschlossen.

„Die Personen, die in das Universitätsgelände gelangt sind, wurden jetzt angesprochen und des Gebäudes verwiesen. Das Areal rund um die Universität ist jetzt frei“, sagte der Polizeisprecher weiter. Einige Demonstranten zogen am Nachmittag noch zum Vorplatz des U-Bahnhofs Dahlem und wurden dabei von der Polizei begleitet. Inzwischen sei aber auch dieser Protest beendet, sagte eine Polizeisprecherin.

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Ein Polizeisprecher erklärte, wie mit den abgeführten Demonstranten weiter umgegangen werde: „Wir stellen ihre Identität fest und leiten dann Verfahren wegen Hausfriedensbruch, Verdacht auf Volksverhetzung und Verstoß gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz ein. Die Demonstration war nicht angezeigt“.

FU stellt Lehrbetrieb teilweise ein

Die FU stellte den Lehrbetrieb am Dienstag teilweise ein. „Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet. Eine Besetzung ist auf dem Gelände der FU Berlin nicht akzeptabel. Wir stehen für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung – aber nicht auf diese Weise“, erklärte Universitätspräsident Günter Ziegler in einer Mitteilung. 

Nach Angaben der Hochschule hatten Aktivisten des Protestcamps im Verlauf des Vormittags auch versucht, in Räume und Hörsäle der Universität einzudringen, um diese zu besetzen. Die Sicherheit der anderen Studierenden, die nichts mit den Protesten zu tun hatten, sei dadurch nicht mehr gewährleistet gewesen, erklärte eine Sprecherin der FU auf Nachfrage.

Daher habe man sich für die Schließung und die Einstellung des Lehrbetriebs in den Gebäuden Rost-, Silber- und Holzlaube entschieden. Die Bibliotheken in diesen Gebäuden und die Mensa wurden geschlossen. Einzelne Teile des Komplexes abzusperren, sei wegen der zahlreichen Verbindungen der Gebäude untereinander nicht möglich gewesen, sagte die Sprecherin.

Das Protestcamp an der FU vor der Räumung.

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Zudem sei von den Demonstranten Feueralarm ausgelöst worden, der lange Zeit lief. Der normale Lehrbetrieb sei dadurch ohnehin nicht mehr möglich gewesen. In den vielen anderen Gebäuden der FU laufe der Betrieb aber weiter. 

Die Gruppe, die sich nach eigenen Angaben aus Studierenden verschiedener Berliner Hochschulen und anderen Personen zusammensetzt, hatte laut Mitteilung der Uni weitere Studierende und Professoren zur Teilnahme aufgefordert. Die Gruppe habe Forderungen aufgestellt, aber jeden Dialog oder Verhandlungen abgelehnt. Es sei zu Sachbeschädigungen gekommen, hieß es in der Mitteilung. Die Universität habe Strafanzeigen erstattet.

„Viva, Viva Palestina“-Rufe

Auf selbstgemalten Plakaten der propalästinensischen Demonstrierenden stand unter anderem: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand Pflicht“, „Strike is resistance“, „Fight colonial power“ und „Decolonise feminism – free Palestine student coalition“. Dazu hatten Aktivisten eine Liste mit den Namen einiger getöteter Palästinenser am Gebäude der Uni aufgehängt. Auch Fahnen mit den palästinensischen Farben waren zu sehen.

„Fight Colonial Power“ steht auf einem Banner, das Demonstrierende im „Theaterhof“ gespannt haben.

© Christoph Papenhausen

Demonstrierende riefen einem Tagesspiegel-Reporter „German-Nazi-Media“ und „Shame on you“ zu. Die deutsche Presse lüge, sagte eine Demonstrantin mit Kamera dem Tagesspiegel. Ein Statement wollte kein Teilnehmer des Protestcamps abgeben.

Blick in den „Theaterhof“ der FU in Dahlem.

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Eine Demonstrantin mit Megaphon rief unter anderem „Viva, Viva Palestina“. Die übrigen Demonstranten klatschten im Takt und antworteten im Chor. Auch „Fuck you FU“-, „Fuck you Germany“- und „Free, free Palastine“-Rufe waren zu hören. Umstehende Studierende stimmten teilweise in die Sprechchöre ein. Nach Angaben der Polizei sollen auch verbotene Parolen gerufen worden sein. Das werde von der Behörde dokumentiert, die Personen ermittelt und Verfahren angeleitet.

Ich finde die Proteste gut, bin heute aber nicht in der Stimmung, mich zu beteiligen.

Judith, 22-jährige Philosophiestudentin der FU Berlin

Judith, 22-jährige Philosophiestudentin, die sich etwas abseits der Demonstration auf ihr nächstes Seminar vorbereitete, sagte dem Tagesspiegel am Vormittag: „Ich finde die Proteste gut, bin heute aber nicht in der Stimmung, mich zu beteiligen.“

Die Demonstrierenden forderten Solidarität mit Gaza. „Wir besetzen die Freie Universität Berlin“, hieß es in einer Ansprache. Dies geschehe in Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Kritisiert wurde das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. Dies erfordere sofortige Reaktionen und internationale Solidarität, hieß es zur Begründung des Protests.

Auf Instagram postete die Gruppe „Student Coalition Berlin“ Bilder des Camps, die rund ein Dutzend Zelte zeigen. Die Gruppe rief in dem Post Universitäten und Forschungsinstitute, Studierende, Fakultätsangehörige und akademische Partner dazu auf, sich dem „solidarischen Protest“ anzuschließen. Man erwarte, dass Universitäten, „die sich der Politik dieses rassistischen Staates angeschlossen haben“, versuchen werden, die Forderungen herunterzuspielen. Doch man werde nicht „nachgeben und keine Verhandlungen über Halblösungen und performative Aktionen akzeptieren.“

Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert FU-Leitung

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte die Leitung der Hochschule. Die Besetzung zeige „eindeutig den fanatischen Charakter der daran beteiligten Gruppierungen“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag in einer Mitteilung. „Der Israel-Hass und der antizionistische sowie antisemitische Hintergrund der Aktion ist offensichtlich und gehört zur DNA dieser Leute“, so Schuster.

„Dass die Universitätsleitung erneut in einem Statement kein Wort über diesen ideologischen Unterbau verwendet, ist für mich mehr als irritierend. Ross und Reiter müssen klar benannt werden.“ Er habe eine klare Positionierung erwartet. „Leider scheinen die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate in der FU-Leitung keine ausreichende Entwicklung hervorgerufen zu haben.“ 

Berlins Regierender Wegner verurteilt propalästinensisches Protestcamp

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kritisierte das Protestcamp am Dienstag scharf. „Ich möchte in Berlin keine Situation, wie es sie an den Universitäten in Amerika gibt“, sagte Wegner nach einer Sitzung des Senats mit der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).  

Man dürfe nicht wegschauen, wenn es darum gehe, dass antisemitische Parolen und Judenhass an den Hochschulen verbreitet werden. „Wir werden alles dafür tun, dass jüdische Studierende keine Angst haben, wenn sie ihre Hochschulen betreten.“ Ein konsequentes Eingreifen gegen das Protestcamp sei deswegen „völlig richtig“. „Das wird es mit mir auch jederzeit wieder geben“, sagte Wegner. „Antisemitismus ist keine politische Meinung und das werden wir an den Hochschulen auch nicht zulassen.“

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) lobte ein konsequentes Eingreifen der Polizei.

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Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sagte, sie wolle Besetzungen wie an der FU und der Humboldt-Universität (HU) nicht dulden. „Grundsätzlich ist es legitim, gegen Krieg zu demonstrieren, aber nicht in Form solcher Protestaktionen wie vor drei Tagen an der HU und heute an der FU, die auf Konfrontation und nicht auf Dialog ausgerichtet sind“, teilte sie der dpa mit.

Czyborra betonte: „Die Berliner Universitäten sind sicher. Die Hochschulen positionieren sich klar gegen Antisemitismus und gehen auch dagegen vor.“ Sie bedankte sich bei der Leitung der FU für das schnelle und entschlossene Handeln. Eine Entscheidung über weitere Maßnahmen wie Hausverbote oder Strafanzeigen lägen bei der Universität. Sie befinde sich in intensivem Austausch mit der Hochschulleitung. 

Es geht hier nicht um wissenschaftliche Debatten oder Kontroversen, sondern um antiisraelischen und antisemitischen Hass.

Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin

Auch Berlins Antisemitismusbeauftragter, Samuel Salzborn, kritisierte am Dienstag die Protestaktionen: „Die Aktionen vergangene Woche an der HU und heute an der FU zeigen: israelfeindliche Aktivist*innen versuchen, die antisemitische Eskalation, wie wir sie seit Wochen an amerikanischen Universitäten erleben, in Deutschland zu plagiieren und jüdische Studierende massiv einzuschüchtern“, sagte er dem Tagesspiegel am Dienstag. Es gehe dabei nicht um wissenschaftliche Debatten oder Kontroversen, sondern um antiisraelischen und antisemitischen Hass.

„Das hat sehr deutlich die Aktion an der HU letzte Woche gezeigt: das Angebot der HU-Präsidentin Julia von Blumenthal, im Rahmen üblicher wissenschaftlicher Gremien zu diskutieren, haben die Aktivist*innen ausgeschlagen, sie wollen nicht wissenschaftliche Diskussion, sondern israelfeindliche Eskalation“, sagte Salzborn.

Adrian Grasse, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, lobte die schnelle Reaktion der Universität. „Mir macht Sorge, dass nicht nur die Zahl der Vorfälle an unseren Hochschulen zunimmt, sondern auch die Zahl derer, die sich an derartigen Aktionen beteiligen“, sagte er am Dienstag. Es sei nicht hinnehmbar, wie an Berliner Unis Hass und Hetze gegen Israel verbreitet werde.

Dieses Protestcamp macht deutlich, dass wir über politische Bildung in unserem Land reden müssen.

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin

Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, teilte mit: „Das Protestcamp war offenkundig nicht auf Dialog ausgerichtet. Das ist neben der Vermeidung strafbarer antisemitischer Parolen ein wichtiger Grund, um es zu beenden.“ Der Einsatz der Polizei sei zudem eine Grundlage dafür, dass erfolgreich Strafanzeigen aufgenommen und verfolgt werden könnten.

Es sei eine Schande, wenn an Universitäten als Orte der zukünftigen wissenschaftlichen Elite, Israelhass propagiert und rechtsstaatliche Institutionen diffamiert würden, ergänzte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin. „Dieses Protestcamp macht deutlich, dass wir über politische Bildung in unserem Land reden müssen. Wer Israel das Existenzrecht abspricht, hat unseren demokratischen Konsens nicht verstanden“, sagte er.

Am Freitag hatte es ein propalästinensisches Sit-in vor der Humboldt-Universität gegeben, das ebenfalls geräumt wurde. Rund 150 Menschen waren laut Polizei zu einer nicht angemeldeten Kundgebung zusammengekommen. Die Protestierenden forderten einen Hörsaal als Kundgebungsort, dem die Universitätsleitung nicht stattgab. In der Folge leitete die Polizei 37 Ermittlungsverfahren ein wegen möglicher Fälle von Volksverhetzung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

In den USA gibt es seit mehr als zwei Wochen an zahlreichen Universitäten Proteste gegen den israelischen Militäreinsatz gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen und für Solidarität mit den dort lebenden Palästinensern. Kritiker werfen insbesondere dem radikalen Teil der Protestbewegung Antisemitismus und die Verharmlosung der Terrororganisation Hamas vor. (mit dpa)

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