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© dpa/Christian Charisius

Berliner achten stärker aufs Geld: Weniger Überschuldungen trotz wirtschaftlicher Talfahrt

Die neuen Zahlen der Auskunftei Creditreform weisen für 2023 einen weiteren Rückgang bei den überschuldeten Verbrauchern auf. Doch für dieses Jahr erwarten die Experten Beunruhigendes.

Die Berliner sind vorsichtiger geworden beim Geldausgeben. Trotz Inflation und schlechter Wirtschaftslage hat sich die Quote der überschuldeten Haushalte in Berlin im vergangenen Jahr weiter verringert, von 10,47 auf 10,04 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit 2004, dem Beginn der Schuldnerstatistik der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.

In absoluten Zahlen: 2023 waren 307.575 Berliner überschuldet, 12.338 weniger als 2022.

Als Ursachen vermuten die Experten von Creditreform einen psychologischen Effekt, der besonders in der Coronakrise deutlich wurde: Verbraucher halten sich in unsicheren Zeiten mit Anschaffungen zurück.

Schuldneratlas 2023: So verteilt sich der Anteil der Menschen mit Schulden.
Schuldneratlas 2023: So verteilt sich der Anteil der Menschen mit Schulden.

© Quelle: Schuldneratlas 2023 (Creditreform), Stand: 26. Februar 2024 | Tsp/Bartel

Leicht gestiegen ist die Schuldnerquote nur bei jungen Erwachsenen (unter 30 Jahren). Das führen die Experten auf das häufige Angebot der verzögerten Zahlungstermine beim Onlineshopping zurück. „Das ist ein junger Trend, den es vorher nicht gab“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

307.575
Berliner über 18 Jahre waren 2023 überschuldet

Als überschuldet gilt, wer mit seinen Einnahmen seinen Zahlungsverpflichtungen über einen längeren Zeitraum nicht mehr nachkommen kann. Ausgewertet werden unter anderem Privatinsolvenzen, Inkassofälle und amtliche Schuldnerverzeichnisse.

Berlin im Ländervergleich unter den letzten Drei

Bundesweit liegt Berlin damit wieder auf dem drittletzten Platz vor Sachsen-Anhalt und Schlusslicht Bremen. Durchschnittlich waren in Deutschland im vergangenen Jahr 8,15 Prozent der Haushalte überschuldet, ebenfalls ein leichter Rückgang. Wobei die Zahlen etwas geschönt sind, weil sich wegen eines Gerichtsurteils die Statistik verändert hat.

Rund 250.000 Erwachsene gelten nicht mehr als überschuldet, weil sie länger als sechs Monate lang „restschuldbefreit“ sind. Vor dem Urteil wurden diese Verbraucher erst nach drei Jahren aus der Statistik der Privatinsolvenzen gestrichen. Für Berlin ergäben sich daraus aber keine relevanten Effekte, sagt Jochen Wolfram, Geschäftsführender Gesellschafter der Creditreform Berlin Brandenburg.

In der Schuldnerberatungsstellen verändert sich die Klientel. Auch gut verdienende Facharbeiter sind dabei.

Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

Creditreform geht davon aus, dass die Überschuldungen in diesem Jahr wieder ansteigen werden. „Die Zahlen deuten auf eine Trendwende hin“, sagt Wolfram. Das ergebe sich aus aktuellen Warnsignalen aus der Wirtschaft, steigenden Verbraucherinsolvenzen und den häufigeren Anfragen bei den Schuldnerberatungsstellen. „Auch die Konsumliste der Bürger wächst wieder.“

In der Schuldnerberatungsstellen „verändert sich auch die Klientel“, sagt Hantzsch. „Auch gut verdienende Facharbeiter sind dabei.“ Rund 13.600 Menschen kamen im vergangenen Jahr wegen Überschuldung in die 22 anerkannten Schuldnerberatungsstellen in Berlin. Knapp 1800 davon waren unter dreißig Jahren alt, wie der Senat auf eine Grünen-Anfrage antwortete.

„Corona-Bumerang“ schlägt zurück

Aus Sicht von Creditreform schlägt der „Corona-Bumerang“ zurück. Weil in der Pandemie Insolvenzen durch staatliche Geldleistungen verhindert und zugleich viele private Ausgaben verschoben wurden, konnten Inflation und wirtschaftliche Talfahrt bis jetzt weitgehend kompensiert werden. Diese Phase gehe aber zu Ende.

Inzwischen seien die Insolvenzen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen um bis zu dreißig Prozent angestiegen. Dadurch seien auch zunehmend Arbeitsplätze gefährdet. Die Zeitarbeitsfirmen hätten weniger Aufträge, was ebenfalls ein Indikator für eine negative Entwicklung am Arbeitsmarkt sei.

Weniger Überschuldete in Brandenburg als in Berlin

In Brandenburg ist die Zahl der überschuldeten Menschen mit 7,7 Prozent deutlich geringer als in Berlin, das führen die Experten auf das „Stadt-Land-Gefälle“ zurück. Auf dem Land sei die soziale Kontrolle ausgeprägter und das Ausgabeverhalten konservativer.

Brandenburg liegt damit hinter Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen auf Platz vier der Länder-Statistik. Die geringste Verschuldungsrate hat der Landkreis Potsdam-Mittelmark (5,6 Prozent), die höchste Brandenburg an der Havel (13,1 Prozent).

In Berlin fällt Spandau als Schlusslicht der Bezirke auf (13 Prozent), dort sind 19,6 Prozent der 40- bis 49-Jährigen überschuldet. In Steglitz-Zehlendorf sind dagegen nur 6,4 Prozent der Einwohner überschuldet.

Im Postleitzahlenbereich 14129, dazu gehören Schlachtensee und Nikolassee, kommen nur 3,8 Prozent der Bewohner mit ihrem Geld nicht mehr aus. In Marzahn-Hellersdorf, nach Spandau der Bezirk mit den schlechtesten Ergebnissen, sind im Postleitzahlenbereich 12689 fast zwanzig Prozent der Bewohner überschuldet.

Positiv fallen die Senioren in Treptow-Köpenick auf: Nur 2,4 Prozent gelten als überschuldet. (mit dpa)

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