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Dem Umweltausschuss des EU-Parlaments zufolge soll das Bio-Label „Ohne Gentechnik“ auch nach der Neuregelung gentechnisch veränderter Pflanzen Gentechnik-Freiheit garantieren können.

© dpa/Sina Schuldt

Weniger strenge Regeln für Gentechnik?: EU-Umweltausschuss stimmt dafür

Pflanzen, die nur geringfügig gentechnisch verändert wurden, sollen künftig weniger reguliert werden. Diesem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission hat der Umweltausschuss des Parlaments jetzt zugestimmt – mit Änderungen.

Der Umweltausschuss (ENVI) des Europäischen Parlaments hat am Mittwoch einer Lockerung des Gentechnikrechts zugestimmt. Wenn mit „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT) gezüchtete Pflanzen auch durch herkömmliche Methoden hätten entstehen können, sollen sie künftig von strengen EU-Vorgaben ausgenommen werden. Dafür stimmten 47 Abgeordnete, 31 dagegen.

Damit folgten die Parlamentarier im Wesentlichen dem Kommissionsvorschlag vom Sommer 2023. Pflanzen, bei denen das Ergebnis der gentechnischen Bearbeitung von einer konventionellen Züchtung – etwa durch Kreuzung oder Bestrahlung – nicht zu unterscheiden ist, werden als NGT-1-Pflanzen von der bisherigen Regulierung befreit.

Voraussetzung ist, dass nicht mehr als 20 Erbgutbausteine (Basenpaare) verändert wurden. Aus solchen Pflanzen hergestellte Produkte sollen dem Vorschlag zufolge nicht mehr gekennzeichnet werden müssen. Lediglich das Saatgut soll einen entsprechenden Hinweis enthalten. Außerdem wird ein Eintrag in eine Datenbank erforderlich.  

Abgestimmt wurden allerdings auch einige Anträge zur Änderung des Gesetzesvorschlags der EU-Kommission. Demnach befürwortet eine große Mehrheit der Ausschuss-Abgeordneten ein komplettes Patentierungsverbot für alle NGT-Pflanzen. Sie fordern bis Juni 2025 einen Bericht von der EU-Kommission darüber, wie sich Patente auf die Arbeit von Züchtern und Landwirten auswirken würden. Außerdem soll die Kommission dann einen Gesetzesvorschlag machen, um die EU-Vorschriften zu geistigen Eigentumsrechten an NGT-Pflanzen zu aktualisieren.

Weiter keine Gentechnik im Ökolandbau

Außerdem ist eine Mehrheit der Ausschussabgeordneten dagegen, NGT-1-Pflanzen auch in der ökologischen/biologischen Landwirtschaft zu erlauben. Sollte diese Regelung Gesetz werden, würde auch künftig ein Einsatz von Gentechnik in der Pflanzenzucht für den Biolandbau ausgeschlossen bleiben.

Damit Ökolandwirte nicht haftbar dafür gemacht werden können, wenn (etwa über Samenflug) NGT-Pflanzenmaterial in ihre Produkte gerät, sprachen sich die Ausschussabgeordneten für einen ergänzenden Absatz aus: „Die zufällige beziehungsweise technisch nicht vermeidbare Anwesenheit von NGT-Pflanzen der Kategorie 1 […] in Bioprodukten […] stellt keine Nichteinhaltung der Verordnung über Bioprodukte dar“.

Weiter sprach sich der Ausschuss dafür aus, die EU-Kommission möge sieben Jahre nach Inkrafttreten der NGT-Verordnung einen Bericht darüber vorlegen, wie Konsumenten und Produzenten zu Bioprodukten stehen.

Noch keine Zustimmung im Ministerrat

Ob und mit welchen Änderungen der Neuregelungsvorschlag der EU-Kommission umgesetzt wird, darüber muss allerdings erst im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt werden, voraussichtlich in der Sitzungswoche vom 5. bis 8. Februar. Anschließend müssen Verhandler des Parlaments noch im Trilog einen Kompromiss mit den EU-Staaten aushandeln.

Diese haben bisher keine gemeinsame Position zum Vorschlag der Kommission gefunden. Einige Mitgliedstaaten würden beispielsweise gern eine Opt-out-Klausel in die Verordnung einbauen: Damit könnte jedes EU-Land selbst entscheiden, ob es die EU-Gesetzgebung umsetzt oder nicht. Die Kommission hatte dies in ihrem Vorschlag ausdrücklich ausgeschlossen. Bei einer ersten Abstimmung unter den europäischen Landwirtschaftsministerinnen und -ministern stimmten sieben Mitgliedstaaten gegen den Vorschlag der Kommission. Deutschland enthielt sich. 

Kontroverses Abstimmungsergebnis

Nach der Abstimmung sagte Berichterstatterin Jessica Polfjärd (EVP): „Dieser Vorschlag ist entscheidend, um die Lebensmittelsicherheit in Europa nachhaltig zu stärken. Wir haben endlich die Chance, Regeln umzusetzen, die Innovationen berücksichtigen. Ich freue mich darauf, die Verhandlungen im Parlament und mit dem Rat so bald wie möglich abzuschließen.“

Die Abgeordnete Marlene Mortler (CSU/EVP) stellte klar: „Bei den neuen Züchtungsmethoden werden keine Fremdgene eingebracht, sondern kleine Mutationen im Genom erzeugt. Dies geschieht auch in der herkömmlichen, also traditionellen Züchtung.“ Ziel sei es, „mit Bedacht die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen Klimaveränderungen und Schädlinge zu stärken“. Neue Züchtungsmethoden seien „präziser, schneller und effizienter“ und sollten genutzt werden, „um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden“.

Umweltverbände sehen das ganz anders. So erklärte Pia Voelker vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Es ist erschreckend, dass der EU-Umweltausschuss den Vorschlägen zu einer weitgehenden Gentechnik-Deregulierung der EU-Kommission gefolgt ist.“

Auch die umweltpolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, Delara Burkhardt, sprach von „völlig inakzeptablen“ Vorschlägen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten „selbst entscheiden können, ob sie im Supermarkt zu diesen Lebensmitteln greifen wollen“, erklärte Burkhardt. Das sei durch den geplanten Wegfall der Kennzeichnungspflicht nicht mehr möglich.

Einen Vorschlag zur Güte machte das Öko-Institut am Mittwoch. Es geht davon aus, dass sich manche NGT-Produkte nicht durch analytische Verfahren als solche eindeutig identifizieren lassen – eben weil sie, wie von der Kommission vorausgesetzt, konventionell erzeugten Pflanzen gleichen.

Systeme der Rückverfolgbarkeit, wie sie bereits bei Konfliktmineralien gelten, könnten demnach auch bei gentechnisch veränderten Produkten angewandt werden. Die Inhaltsstoffe eines Produkts müssten über die gesamte Lieferkette bis hin zur landwirtschaftlichen Produktion oder sogar zur Herkunft des Saatguts zurückverfolgt werden können. (mit dpa/AFP)

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