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Eine junge Biologin beim Pipettieren.

© imago/Olaf Döring / imago stock&people

Stimmung unter Berliner Postdocs: Etwas Hoffnung und ein Plan B

Trotz mangelnder Dauerstellen zieht es Promovierte aus Deutschland und der ganzen Welt nach Berlin, um weiter zu forschen. Was schätzen, was kritisieren sie? Ein Stimmungsbild.

Sie sei froh, dem italienischen Wissenschaftssystem „entkommen“ zu sein, erzählt Giulia Glorani, die auf einer Postdoc-Stelle am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) forscht, in der Humboldt Graduate School. In dem stattlichen Gebäude unweit der Charité hat das MDC einen Karriere- und Vernetzungstag für Postdocs organisiert, auf dem Glorani ein Poster präsentiert. Fast alle der rund 170 Teilnehmenden kommen aus den Natur- und Lebenswissenschaften.

„In Italien ist die Stellenlage, zumindest in meinem Bereich, ziemlich schlecht“, sagt Glorani. 2018 kam sie kurz nach einer Biologie-Promotion, für die sie in Verona und London forschte, nach Deutschland – seitdem sei sie hoffnungsvoller, was ihre Karriereaussichten betrifft.

Pessimistischer blickt der Biologie-Postdoc Philipp Popp auf das deutsche System. Popp hat seit 2020 eine befristete Stelle in der Bakterienphysiologie der Humboldt-Universität. Wie es danach für ihn weitergeht, weiß er noch nicht. Ihn stört aber nicht nur der Mangel an Dauerstellen in seinem Bereich. „Die Uni hat als Arbeitgeber erschreckend wenig für den Mittelbau zu bieten“, findet er. Im Vergleich mit der freien Wirtschaft, die von Karriereförderung bis hin zu ermäßigten Fitnessclub-Abos einfach viel mehr im Angebot habe, stünden die Unis schlecht da.

Und in die Wirtschaft gehen? In Unternehmen wie dem Pharmakonzern Bayer, der auf der Postdoc-Tag mit einem Stand um den Nachwuchs wirbt, gäbe es für sein Profil kaum attraktive Forschungsstellen, meint Popp. „Bei Jobangeboten von Bayer und anderen Firmen geht es oft um Qualitätsmanagement, das hat also mehr mit Bürokratie als mit Forschung zu tun.“

Forschen wollen alle, doch nicht unter jeder Bedingung

Dass es angesichts der Stellenlage in der Wissenschaft „viel Frustration“ unter den Nachwuchsforschenden gibt, sagt auch Claudia Crocini, die den Postdoc-Tag am MDC ehrenamtlich mit anderen Kolleg:innen organisiert hat. Sie hatte selbst bereits einen Job in der freien Wirtschaft angenommen, weil es mit einer Forschungsstelle nach der Promotion zunächst nicht klappte, erzählt sie. „Dann kam doch noch die Zusage, eine Gruppenleitung am MDC zu übernehmen, ich habe mich in letzter Minute umentschieden“, so Crocini.

Mit viel Elan setzt sie sich heute dafür ein, andere bei der Karriereplanung zu unterstützen. In ihrer Leitungsfunktion mache sie jetzt auch diese Erfahrung: „Angesichts der prekären Bedingungen ist es paradoxerweise gar nicht so leicht, gute Postdocs für seine Arbeitsgruppe zu gewinnen.“

Paradoxerweise ist es gar nicht so leicht, gute Postdocs für seine Arbeitsgruppe zu finden.

Claudia Crocini, Marie Skłodowska Curie-Fellow am Berliner Max Delbrück Centrum

So sucht auch der Quantenphysiker Sinan Gündogdu „einen Weg raus aus der Wissenschaft“, wie er sagt. An dem Event in der Humboldt Graduate School nimmt teil, um sich mit anderen Postdocs auszutauschen. Zwar hätten er und seine Frau, ebenfalls Physikerin und aus der Türkei, viel Glück gehabt, erzählt er. Beide konnten eine Postdoc-Stelle an der HU ergattern.

Doch die Beschäftigungsverhältnisse an den deutschen Unis findet auch Gündogdu nicht attraktiv. „Alle Postdocs, die ich hier kenne, haben Stellen, die sogar nur auf zwei Jahre befristet sind“, sagt Gündogdu. Mit einem Kollegen hat er nun aus der Forschung heraus ein Start-Up für photonischen, also auf Lichtteilchen basierten, 3D-Druck gegründet. „Wir haben einige Bewerbungen um Fördergelder für die Ausgründung am Laufen“, sagt er mit Zuversicht.

Dass in der Berliner Hochschulpolitik aktuell daran gearbeitet wird, mehr langfristige Perspektiven für junge Forschende zu schaffen, macht manchen hier Hoffnung, hört man auf Nachfrage. Vielen – vor allem denen aus dem Ausland – sind die Details des geplanten Stellenumbaus ab dem Doktorgrad allerdings nicht bekannt. Andere, die wie der Biologe Popp die Debatten um die Novelle verfolgt haben, sind skeptisch, ob „die voraussichtlich eher vereinzelten Entfristungen“ die derzeit sehr kompetitive Lage entschärfen können.

Ab Oktober 2023 tritt die Novelle des Hochschulgesetzes in Kraft, die die Unis darauf verpflichtet, Postdoc-Forschenden auf Haushaltsstellen unbefristete Verträge anzubieten. An der Humboldt-Universität, der Technischen Universität und Freien Universität wurden schon Modelle zur Umsetzung erarbeitet, aus denen aktuell eine gemeinsame finale Fassung erstellt werden muss. Das hatte Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) von den Unileitungen verlangt – und ihnen eine Frist bis Ende Januar gesetzt.

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