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Reizüberflutung auf dem Rummel: Wohin zuerst schauen, wenn es überall bunt blinkt und zappelt?

© imago/imagebroker/Michael Weber

Sehen und Übersehen: Was unsere Blicke wirklich bannt

Unsere visuelle Wahrnehmung selektiv: Warum wir auf Webseiten nicht die ganze Zeit nur auf die zappelnde Werbung starren, erklärt eine neue Studie.

Welche Werbebanner auf einer Website sehen wir tatsächlich, auch wenn sie noch so aufdringlich bunt blinken? Das Phänomen heißt „Bannerblindheit“: Wir lernen, was für uns unwichtig ist und blenden es wie Werbung unbewusst aus.

Wir sehen mit dem Gehirn und nicht nur mit den Augen. Das hat gute Gründe, denn auch beim Lenken eines Autos wäre es fatal, wenn wir keine selektive Wahrnehmung hätten und ständig vom Geschehen weit entfernt von der Straße abgelenkt würden.

Was aber zieht unsere Blicke an? Forscher vom Berliner Exzellenzcluster „Science of Intelligence“ bieten nun in einer Studie im Fachblatt „Plos Computational Biology“ neue Antworten auf diese Frage. Oder besser: Wie sich dieses Verhalten am besten im Computer nachbilden lässt.

Dafür entwickelten sie verschiedene Simulationen und verglichen sie mit Daten aus Eye-Tracking-Experimenten. Demnach werden unsere Augenbewegungen von jenen Dingen geführt, die abhängig von der Situation die größte Bedeutung besitzen. In ihren Simulationen klassifizierten die Forscher Menschen, Tiere oder Fahrzeuge als solche interessanten „Objekte“, während Häuser, Bäume oder Möbel zum „Hintergrund“ gehörten.

Bisherige Untersuchungen kranken daran, dass oft nur statische Bilder und geometrische Formen nutzen, erklärt Studienleiter Nicolas Roth. „Die Welt um uns herum ist viel komplexer als ein typischer Stimulus in einem psychologischen Experiment“, sagt der Forscher von der Technischen Universität Berlin. Durch die neuen Computersimulationen hoffen er und seine Kollegen besser zu verstehen, welche Rechenprozesse bei der Wahrnehmung im Gehirn ablaufen. Es ginge um die „grundlegenden Prinzipien, wie wir ein Verständnis der visuellen Welt erlangen“.

Kontext ist Trumpf

Bislang basieren Computermodelle auf der Idee einer „raumbezogenen Aufmerksamkeit“: Sie gehen davon aus, dass das Gehirn das gesamte Gesichtsfeld verarbeitet. Für alles, was wir sehen, gäbe es eine Entsprechung vor unserem geistigen Auge, aus der das Bewusstsein das nächste Ziel für die Augenbewegung auswählt. Je auffälliger die Farbe, Form oder Bewegung, desto stärker wäre die Anziehungskraft für unsere Blicke.

Dass es so einfach nicht ist, zeigen sowohl Experimente als auch Roths Computersimulationen. Sie legen nahe, dass stattdessen ein mehrstufiger Prozess abläuft: Die Szene würde zuerst in einzelne Objekte aufgeteilt und erst dann entschieden, wohin der Blick wandern soll. Als Nächstes wollen die Beteiligten im Forschungscluster ihre Erkenntnisse auf Roboter übertragen, die sich in natürlichen Umgebungen zurechtfinden müssen.

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