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Das menschliche Gehirn (Illustration).

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Tagesspiegel Plus

„Kein Turm aus Bauklötzen“: Warum wir unsere Vorstellung vom Gehirn überdenken sollten

Ideen aus der Kolonialzeit prägen unseren Umgang mit psychisch Kranken bis heute, sagt Andreas Heinz, Leiter der Charité-Psychiatrie. Und das habe gravierende Folgen.

Herr Heinz, in Ihrem Buch „Das kolonialisierte Gehirn“ beschreiben Sie, dass viele unserer Annahmen über das Gehirn falsch sind und sich dennoch hartnäckig halten. Können Sie das erklären?
Unser Verständnis vom Gehirn und dessen Funktion ist ganz wesentlich geprägt durch die Vorstellung, es gebe Hierarchien im Hirn. Verkürzt gesagt: Wir gehen davon aus, es gebe höhere, rationale Zentren und niedere, da säßen Triebe, Begierden, irrationale Überzeugungen, also alles, was gefährlich ist. Das ist eine sehr simple Sicht, die heute noch oft genug in der Forschung steckt und ihren Ursprung in sozialen und kolonialen Hierarchien hat.

Wenn Sie die Begierden und Lust im niederen Zentrum ansprechen, erinnert das an Sigmund Freuds Theorie des „Es“.
Freud ist ein Vertreter dieser Überzeugung, wobei man ihm zugutehalten muss, dass es bei ihm immerhin drei Instanzen gab: Es, Ich und Über-Ich. Viele Konstruktionen haben nur zwei Elemente: den frontalen Cortex, der für das Rationale steht, und den ganzen Rest des Gehirns.

Ärzte und Wissenschaftler dachten früher, das Gehirn entwickele sich wie ein Legoturm: Während man heranwächst, kämen, wie in der Evolution, neuere Hirnregionen nach und nach funktionsfertig dazu, und bei Erkrankungen baut es sich ebenso von oben nach unten wieder ab. Bei uns Menschen hätten wir diesen wunderbaren großen Frontalcortex und der mache uns besonders denkfähig.

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