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Reimund Neugebauer amtiert seit 2012 als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.

© promo

Fraunhofer-Präsident reagiert: Reimund Neugebauer kündigt Rückzug an

Er war im Imagefilm eines Unternehmens aufgetreten, an dem er Anteile besaß. Das ist aber nur der jüngste Vorwurf an Neugebauer in einer langen Reihe.

Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer hat seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt. In einer an alle gut 30.000 Mitarbeiter der Forschungsorganisation versandten Mitteilung schrieb Neugebauer am Morgen (Freitag), er beabsichtige, seine Tätigkeit als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft am 30. September 2023 zu beenden.

Damit gibt der 69-Jährige seinen Posten einen Jahr vor Ablauf seines Vertrages auf. Die Wahl seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin soll bei der nächsten turnusmäßigen Senatssitzung im Mai 2023 über die Bühne gehen.

Gestern hatte sich der Fraunhofer-Senat zu seiner Herbstsitzung getroffen. Neugebauers Amtsverzicht vorausgegangen waren neue Vorwürfe, über die zuerst der Tagesspiegel berichtet hatte. Demzufolge war Neugebauer in dem Imagefilm eines Unternehmens aufgetreten, dessen Anteilseigner er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war. Was in dem Film jedoch keine Erwähnung fand – sehr wohl aber wurde Neugebauer darin als Fraunhofer-Präsident identifiziert. Er selbst hatte den Sachverhalt auf Anfrage im Kern eingeräumt, jedoch betont, bis heute nichts von der Veröffentlichung des Videos im Februar 2021 gewusst zu haben. Bis vor wenigen Tagen war auf der Online-Plattform YouTube abrufbar.

Zu seiner Rolle in dem Imagefilm äußerte sich Neugebauer in seiner Mail heute nicht. Ebenso wenig zu den Ergebnissen einer Prüfung von Spesen- und Repräsentationsausgaben bei Fraunhofer, die das BMBF in den vergangenen Monaten vorgenommen hatte. Das Ministerium hatte mir auf Anfrage mitgeteilt, es habe erneut „Mängel“ bei Fraunhofer festgestellt, und zwar unter anderem bei der Umsetzung von Regeln, die das BMBF der Forschungsgesellschaft nach einem kritischen Bundesrechnungshof-Bericht vor einigen Jahren auferlegt hatte. So sei es „zu Besserstellungen von Reisenden gekommen“. Den Bericht selbst und weitere Details hat das Ministerium bislang nicht öffentlich gemacht.

Bei seiner Prüfung 2016 hatte der Bundesrechnungshof zahlreiche Verstöße beim Umgang mit Haushaltsmitteln dokumentiert, auffallend oft im Zusammenhang mit Neugebauer und immer wieder auch mit seiner Frau. Darunter die Buchung von First-Class-Flügen mit nicht zulässigen Begründungen und die Überschreitung der erlaubten Hotelkosten teilweise um das Dreifache.

Die Liste der neueren Vorwürfe gegen Neugebauer war ebenfalls lang. So berichtete unter anderem die Wirtschaftswoche vergangenes Jahr unter der Überschrift „Professor Autokrat“, Neugebauer und seine Vertrauten gebärdeten sich laut Insidern wie „Hobby-Despoten“ und hielten Fraunhofer mit einem „Klima der Angst“ im Griff. Fraunhofer und Neugebauer bestritten die Vorwürfe.

Derweil hatte auch der Bundesrechnungshof eine neue Prüfung veranlasst und will das Ergebnis voraussichtlich Anfang kommenden Jahres veröffentlichen.

Eine Ära nicht-strategischer, mikropolitisch gesteuerter Forschungsexpansion endet endlich.

Thomas Sattelberger, ehemaliger Staatssekretär im Bundesforschungsministerium

Brachte Neugebauers Imagefilm-Auftritt das Fass nun endgültig zum Überlaufen? Fest steht: Der BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse, Neugebauers Wunschkandidat als neuer Senatsvorsitzender, verzichtete gestern endgültig und bleibt stellvertretender Chef des Aufsichtsgremiums. Neue Vorsitzende wird Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA).

In seiner Mail ist Neugebauer voll des Selbstlobs. Seit seinem Amtsantritt 2012 sei die Forschungsgesellschaft von 64 auf 76 Institute gewachsen und von rund 20.000 auf über 30.000 Mitarbeiter. Neue Forschungsfelder wie Energietechnologien, Quantentechnologien, translationale Medizin, Künstliche Intelligenz und Smart Farming seien erfolgreich auf Bundes- und Landesebene akquiriert und etabliert worden.

Seinen vorzeitigen Rückzug begründet Neugebauer damit, dass vorgenommene Governance-Reformen, personelle Neubesetzungen und die Einführung der SAP-Software seiner Einschätzung in einem Jahr „sehr weit fortgeschritten bzw. abgeschlossen“ sein würden, weshalb er ein Jahr früher gehen könne als bei der Verlängerung seines Vertrags vorgesehen.

Das BMBF äußerte sich bislang nicht zu Neugebauers Darstellung eines freiwilligen Rückzugs. Dafür schrieb der ehemalige BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger, der die Prüfung bei Fraunhofer angestoßen hatte, auf Twitter: „Eine Ära nicht-strategischer, mikropolitisch gesteuerter Forschungsexpansion mit mittelmäßigen Transfer-Erfolg&unter Skandalen endet endlich.“

Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog des Autors.

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