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Eine erwachsene Magicicada (unten) ist aus der Haut (oben) gefahren.

© imago images/VWPics/Edwin Remsberg

Die „Zikapokalypse“: Doppelter Massenschlupf amerikanischer Zikaden steht bevor

Zuletzt ereignete es sich im Jahr 1803, als Thomas Jefferson dritter Präsident der USA war. Im Jahr 2024 wird das seltene Naturschauspiel erneut erwartet.

Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Sie gehören wohl zu den ungewöhnlichsten Insekten – was man in dieser artenreichen Tiergruppe, die so ziemlich alle möglichen Formen, Farben und Lebensweisen hervorgebracht hat, erstmal schaffen muss.

Periodische Zikaden der Gattung Magicicada sind auffällig gefärbt und die Männchen lautstarke Sänger. Die Tiere haben einen für Insekten besonders langen Lebenszyklus und sie treten nur, man ahnt es, periodisch in Erscheinung, aber dann in Massen.

Im Frühling, wenn die Temperaturen im Osten der USA über 18 Grad Celsius steigen, krabbeln die Tiere aus dem Erdboden. Sie streifen ihre letzte jugendliche Haut ab und widmen sich dem, was erst erwachsene Zikaden können: die nächste Generation zeugen.

Wie bei vielen Insekten werden Vater und Mutter ihre Kinder nicht kennenlernen, denn die Erwachsenen leben nur etwa vier Wochen. Aber die Jugendlichen, Nymphen genannt, verbringen 13 oder sogar 17 Jahre unter der Erde, bis sie schlüpfen und ihrerseits das Fortpflanzungsgeschäft angehen – wieder in ganz großem Stil.

Die Männchen singen so laut, wie Rasenmäher Rasen mähen. Im Getümmel der Abertausenden von gleichzeitig geschlüpften Tieren will die Partnerin erstmal sängerisch gewonnen werden.

Das Besondere ist jedoch, dass die Tiere so pünktlich sexuell aktiv werden. Kein Vogel kann so viele von ihnen aufpicken, keine Maus so viele fangen. Sämtliche Fressfeinde der Zikaden – zuletzt auch Menschen in spezialisierte Restaurants in den USA – sind mit ihrem seltenen, aber dann fulminanten Auftreten überfordert.

Die jungen Erwachsenen müssen erstmal ihre Flügel entfalten.
Die jungen Erwachsenen müssen erstmal ihre Flügel entfalten.

© IMAGO/Pond5 Images/Lawcain

13 und 17 sind Primzahlen – kein Räuber konnte seinen Lebenszyklus daran anpassen. Es ist nicht einmal wissenschaftlich geklärt, wie die sieben Arten von alle 13 oder alle 17 Jahre schlüpfenden Zikaden das selbst geschafft haben. Oder worin das Signal „Alle rauf, fortpflanzen!“ an die unterirdisch lebenden Nymphen eigentlich besteht.

Im Jahr 2024 wird das Signal gleich an zwei Bruten gehen. Die 13-jährige Brut XIX, die größte aller Zikadenbruten, und die 17-jährige Brut XIII. Wer nun eine biblische Plage befürchtet, bisweilen wird, wie hier, der Begriff der „Zikapokalypse“ bemüht, kann beruhigt werden.

Die Verbreitungsgebiete der beiden Arten überschneiden sich kaum, nur in einigen Teilen des US-Bundesstaats Illinois werden Zikaden beider Arten singen. Und dann ist erstmal Ruhe: Der nächste gleichzeitige Schlupf dieser Zikaden steht in 13 mal 17 Jahren an. Im Jahr 2245.

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