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Vor dem Flug ins All waren die Sprunggelenke der ISS-Astronauten noch in Ordnung.

© imago/ITAR-TASS/Alexei Filippov

Achillesferse des Muskeltrainings auf der ISS: Berliner Charité warnt vor strauchelnden Astronauten

Zum ersten Mal konnten Astronauten auf der ISS den Zustand ihrer Muskeln mit einem kleinen, tragbaren Gerät überwachen – und deckten so ein Problem des Trainingsprogramms auf.

In der Schwerelosigkeit fällt jede Bewegung leicht. Deswegen verkümmert ohne Muskeltraining der Bewegungsapparat der Astronauten, die auf der Internationalen Raumstation (ISS) jeden Tag zwei Stunden lang strampeln und schwitzen müssen. Wie eine neue Studie unter der Leitung der Charité nun zeigt, ist das derzeitige Übungsprogramm jedoch nicht ohne Fehl und Tadel.

Denn zwar ist es effektiv darin, den Verfall der meisten Muskelgruppen aufzuhalten, schreiben die Forscherinnen und Forscher im Fachblatt „Scientific Reports“. Die Achillessehne würde jedoch an Steifheit verlieren und Beinmuskeln wie der Tibialis-anterior-Muskel, der beim Laufen den Fuß anwinkelt, zeigten Anzeichen von Abbau. Das hätte das internationale Forschungsteam durch kontinuierliche Messungen an zwölf Besatzungsmitgliedern der ISS herausgefunden.

Auch auf diesem Trainingsfahrrad müssen die ISS-Astronauten strampeln, um nicht Muskelmasse zu verlieren.
Auch auf diesem Trainingsfahrrad müssen die ISS-Astronauten strampeln, um nicht Muskelmasse zu verlieren.

© esa

„Diese Unterschenkelmuskeln spielen eine wichtige Rolle beim Gang und bei der Stabilisierung des Sprunggelenks“, wird Dieter Blottner, Charité-Professor und einer der Studienleiter, in einer Mitteilung zitiert. Während Missionen zum Mond oder Mars könnte einer Schwächung dieser Strukturen zum Problem werden, oder auch bei der Rückkehr auf die Erde ein Verletzungsrisiko darstellen: „Übungen, die auf diese Muskeln abzielen, sollten künftig in das Trainingsprogramm der Astronauten aufgenommen werden.“

Ein kleines, tragbares Gerät

Blottner leitet das Myotones-Projekt, das biophysikalische Eigenschaften der Muskeln der ISS-Besatzung dokumentiert hat. Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt hätte man den Muskelzustand über den gesamten Missionszyklus analysiert, schreibt sein Team in der Publikation. Vor, während und nach der vier- bis elfmonatigen Mission bestimmte es den Muskeltonus – also die Ruhespannung – sowie die Steifigkeit und Elastizität der ruhenden Muskulatur.

20
Prozent Schwund an Muskelmasse monatlich müssten Astronauten ohne Training befürchten.

Dazu diente ein Messgerät von der Größe eines dicken Handys, das die Versuchspersonen im All mit einem Messfühler auf ihre Haut aufsetzten. Der Myoton Pro genannte Apparat kann durch die Haut hindurch biophysikalische Daten der darunterliegenden Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Faszien aufzeichnen.

Nutzen für die Menschen auf der Erde

Nicht nur in der „Mikrogravitation“ der Raumstation, sondern auch im Schwerefeld der Erde ist Muskelgesundheit ein wichtiger Indikator – etwa in der Gesundheitsversorgung, beim Sport oder auch in der Altenpflege.

Die „Festigkeit“ der Muskeln zu prüfen, helfe auch beim Bewältigen von neurologischen Störungen wie Parkinson oder nach einem Schlaganfall, schreiben die Autoren. Patientinnen und Patienten könnten künftig vielleicht mit einem ähnlichen Gerät auch zu Hause die Wirkung von Medikamenten überprüfen, ähnlich wie der Blutzucker-Selbsttest bei Diabetes.

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