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Wirtschaft: Hoffen auf die Herrenjahre

Das Berliner Handwerk bildet immer weniger Lehrlinge aus. Drei Azubis blicken trotzdem zuversichtlich auf 2003

Berlin. 5066 junge Berliner haben im vergangenen Jahr eine Lehre als Handwerker begonnen, das waren 7,6 Prozent weniger als noch im Jahr 2001. Die Berufsaussichten im Handwerk sind derzeit trübe. Auf die Lehrjahre als Kfz-Mechaniker oder Friseurin werden deshalb nicht immer Herrenjahre folgen. Die Azubis selbst blicken mit einer Mischung aus Fatalismus und Hoffnung in die Zukunft. Ihr Hauptwunsch für 2003: Ein fester Arbeitsvertrag.

„2002 war ein gutes Jahr für mich“, sagt Yves Schultek (21), Maschinenbaumechaniker am Hahn-Meitner-Institut. Nach der Gesellenprüfung im Januar hat Yves einen Anschlussvertrag bei seinem Ausbilder bekommen. Er hofft jetzt auf eine Festanstellung: „Ich will unbedingt bei Hahn-Meitner bleiben.“ Er arbeite derzeit an einem Fahrrad-Prototypen zur Stromerzeugung, erzählt der Berufseinsteiger. Wer auf dem umgebauten Heimfahrrad in die Pedale tritt, bringt einen Fernseher zum Flimmern oder einen Ventilator zum Drehen. Yves geht mit Optimismus ins neue Jahr: „Der Beruf ist abwechslungsreich, ich habe meine erste eigene Wohnung.“ Initialzündung sei gewesen, dass er beim Leistungswettbewerb der Gesellen in seinem Fach Landessieger in Berlin wurde und den dritten Platz beim Bundeswettbewerb erreichte. „Die Prüfungsangst ist jetzt definitiv weg.“ Als Preisträger darf er auch die Meisterprüfung nach einer verkürzten Praxiszeit im Beruf angehen. Nur die Bundeswehr könnte ihm noch dazwischenfunken: „Die wollen mich demnächst ziehen.“

„Norwegen wird heiß gehandelt“

Boris Jordan (24) will eigentlich nicht auswandern. Im Februar geht die dreieinhalb Jahre lange Ausbildung des Zahntechnikers zu Ende: „Momentan sieht es so aus, als ob ich mich dann arbeitslos melden müsste.“ Sein Ausbilder, das zahntechnische Labor Erwin Behrend, könne ihn nicht übernehmen, weil die Auftragslage zu schlecht ist. „Der Chef hat schon drei Leute entlassen. Die Einsparungen im Gesundheitswesen treffen uns Zahntechniker voll.“ In seiner Berufsschulklasse sei die Stimmung entsprechend schlecht, berichtet Jordan. „Zwei Drittel meiner Mitschüler überlegen, ob sie nicht etwas anderes machen wollen. Ein Lehrer hat uns sogar empfohlen, ins Ausland zu gehen. Norwegen zum Beispiel wird gerade heiß gehandelt.“ Er habe schon daran gedacht, an die Zahntechniker-Ausbildung eine Kochlehre anzuschließen: „Kochen ist mein Hobby. Ich möchte aber am liebsten Zahntechniker bleiben. Das filigrane Arbeiten macht mir Spaß.“ Schon als Jugendlicher habe er die Armbanduhr seiner Mutter zerlegt und wieder zusammen gesetzt. Für das Jahr 2003 wünscht sich Jordan einen festen Arbeitsvertrag, in einem anderen Labor, mit angemessener Bezahlung: „Ich möchte mich nicht unter Wert verkaufen.“ Er hoffe auch, dass sich in der Politik einiges verändere: „Die Politiker sollen erst einmal bei sich selbst sparen.“

„Ziemlich herumgeschubst“ werde sie manchmal, erzählt Beatrice Freiholz (20), Azubi als Malerin und Lackiererin. Der Umgangston unter den Arbeitskollegen sei robust, gerade gegenüber jungen Frauen. „Da muss man eben zurückkeilen, aber immer so, dass die anderen auch darüber lachen können“, sagt Beatrice Freiholz. Als Tochter des Chefs – ihr Vater bildet Beatrice aus – habe sie es nicht leicht. „Mein Papa ist streng, aber er freut sich auch, wenn die Noten gut sind.“

„Da muss man zurückkeilen“

Viele ihrer Azubi-Kollegen machten sich keine Gedanken über die Zukunft, auch wenn das Ende der Ausbildung näher rücke: „Da sind viele Traumtänzer dabei. Andere tun so, als ob sie ihre Zukunft gar nicht interessiert.“ Beatrice weiß, dass sie nach der Gesellenprüfung im Februar 2003 übernommen wird und in den Betrieb ihres Vaters einsteigen kann. „Ewig will ich aber nicht Malerin bleiben.“ Am liebsten würde sie als Restaurateurin arbeiten: „Alte Sachen aufzumotzen, das macht mir Spaß.“ Beatrices Fazit: „2002 war anstrengend, aber okay. 2003 wird besser.“

Jan Friedmann

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