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Weniger ist mehr. Seit dem Dioxin-Skandal sinkt der Absatz von Schweinefleisch.

© dpa

Dioxin-Skandal: Frittenfett im Tierfutter

Was bislang reine Spekulation war, ist jetzt offiziell bestätigt: Das Dioxin im Futtermittel geht wohl auf Altfette wie Frittieröl zurück. Der Fleischpreis bricht ein.

Von Carla Neuhaus

„Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit stammt das Dioxin aus Vorstoffen, die zur Biodieselproduktion dienen“, sagte Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) am Freitag auf der Grünen Woche in Berlin. Bei der Aufbereitung von Altfetten hätten sich die bereits im Fett enthaltenen Dioxine konzentriert, sagte Remmel. Er bezieht sich auf neue Ergebnisse des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts in Münster. Das ist eines der amtlichen Labore, die Futter auf Dioxine testet. Das Umweltbundesamt hält die Quelle allerdings noch nicht für endgültig geklärt.

Aufbereitet wurden die Fette von der Fettrecyclingfirma Vital im nordrheinwestfälischen Borken. Nach Angaben des NRW-Verbraucherministeriums habe das Unternehmen die Fette korrekt als Industriefett gekennzeichnet und sie als solche an den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch geliefert. Wie und warum dort das Industriefett im Tierfutterfett landete, ist bislang noch unklar. Der insolvente Futtermittelhersteller sorgt weiter für schlechte Nachrichten. Zeitungsberichten zufolge soll Geschäftsführer Siegfried Sievert jahrelang für die Stasi gearbeitet haben.

Auch die Vertreter der Futtermittelindustrie, der Deutsche Verband Tiernahrung, distanzierten sich am Freitag deutlich von dem Unternehmen. Andere Tierfutterhersteller hatten die Futterfette weiterverarbeitet, die sie von Harles und Jentzsch geliefert bekamen. „Kein Unternehmen aus unserem Verband hat diese Futterfette mit Absicht verarbeitet“, sagte Verbandspräsident Helmut Wulf. Als Konsequenz aus dem Skandal wollen die Futtermittelhersteller ihr eigenes Kontrollsystem verbessern. „Ein Entwurf für einen erweiterten Prüfplan ist in Arbeit“, sagte Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des Verbandes. Zusätzlich solle auf EU-Ebene eine Datenbank geschaffen werden, in die regelmäßig die Ergebnisse aller Kontrollen eingingen. Dadurch könnte zukünftig bei einem Problemfall schneller die Quelle ermittelt werden.

Die öffentliche Debatte über die Sicherheit von Lebensmitteln bleibt ein zentrales Thema auf der Internationalen Grünen Woche. Die Messe war am Freitag mit einem offiziellen Rundgang von Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für die Öffentlichkeit geöffnet worden. Bis zum 30. Januar erwarten die Veranstalter rund 400 000 Besucher. Aigner sagte, die Messe sei eine Chance für die Land- und Ernährungswirtschaft, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Die Erzeuger könnten hier ihre „hervorragenden Produkte“ einem breiten Publikum präsentieren. Die Ministerin bekräftigte, die Politik werde im Dioxin-Skandal „hart durchgreifen“. Es werde alles daran gesetzt, „dass so etwas nicht noch einmal passieren kann“.

Auch Wowereit warnte zum Messeauftakt davor, jetzt wegen einiger „krimineller Umtriebe“ die gesamte Lebensmittelbranche zu verdächtigen. „Die überwiegende Zahl unserer bäuerlichen Betriebe arbeitet korrekt und verbraucherbewusst“, sagte er. Um das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen, fordert Wowereit, die verschärften Regelungen für die Lebensmittelsicherheit schnell umzusetzen. „Der Dioxin-Skandal hat gezeigt, dass es Kontroll- und Regelungslücken gab“, sagte Wowereit.

An diesem Samstag wollen Bauern, Tierschützer und Lebensmittelunternehmen aus ganz Deutschland mit einer Trecker-Sternfahrt zur Grünen Woche eine Abkehr von der industriellen Landwirtschaft fordern. „Der Dioxin-Skandal ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Demo-Organisator Jochen Fritz am Freitag. Die Veranstalter erwarten rund 5000 Teilnehmer. Trotz des Dioxin-Skandals will die Mehrheit der Deutschen keine Konzentration auf die Bio-Landwirtschaft. Das zeigt eine am Freitag veröffentlichte Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender N24. Nur 21 Prozent der rund 1000 Befragten forderten eine möglichst weitreichende Umstellung auf Öko-Landwirtschaft. 76 Prozent wollen dagegen, dass die konventionelle Landwirtschaft mehr gefördert wird, um möglichst günstige Lebensmittelpreise zu haben.

Dennoch ziehen auch diese Konsumenten Konsequenzen aus dem Futtermittelskandal. Sie kaufen weniger Eier, Schweine- oder Geflügelfleisch. Das trifft die Bauern hart. Durch die geringere Nachfrage sind seit Beginn des Dioxinskandals die Preise für Schweinefleisch eingebrochen. Nach Informationen des Deutschen Bauernverbands sind die Preise seit der Sperrung der ersten Höfe Anfang Januar um 40 Prozent gesunken. Der europäische Tierfutter-Verband Fefac rief die EU deshalb auf, den Markt für Schweinefleisch-Produkte zu unterstützen. Russland schließt ein komplettes Importverbot für Schweinefleisch aus Deutschland nicht aus.

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