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Verkehr: Fortbewegung in den Städten der Zukunft

Im Jahr 2050 leben zwei Drittel der Menschen in Städten. Das macht die Fortbewegung kompliziert. Wie sich der Verkehr entwickeln könnte.

Hollywood kennt die Zukunft schon lange. Funkelnde Kapseln, die zwischen Hochhäusern wirbeln, raumschiffgleiche Fahrzeuge, die in die Luft gehen. So sieht der Stadtverkehr von morgen aus, glaubt man der Traumfabrik. Tatsächlich ist ihr die Realität inzwischen dicht auf den Fersen. US-Studenten können seit 2009 Autos in Flugzeuge verwandeln – der Traum jedes Stauopfers. Auch das persönliche Space-Shuttle ist im Kommen, die vollautomatische Alternative zum überfüllten Bus mit übellaunigem Fahrer. Der Londoner Flughafen Heathrow testet seit Juli ein solches System. In Masdar City, der CO2-freien Musterstadt in der Wüste, soll ab 2016 vornehmlich so verkehrt werden.

Ist das die Zukunft? In Deutschland? In Berlin? Werden auf der Leipziger Straße 2030 keine Autos mehr fahren? Verkehrsforscher halten sich mit derlei provokanten Prognosen bedeckt und verweisen lieber auf mögliche Trends und wahrscheinliche Szenarien. Tatsächlich ist es eher unwahrscheinlich, dass sich unsere Mittel der Fortbewegung in der näheren Zukunft von Grund auf ändern.

Das lässt auch ein Blick auf die vergangenen 30 Jahre vermuten, in denen die Nutzung von Auto, Fahrrad und Bus relativ konstant blieb. Doch heute drängt der Klimawandel zu einschneidenden Veränderungen. Bis 2020 will Deutschland den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zurückfahren. Die derzeitigen Emissionen stammen zu etwa 20 Prozent aus dem Verkehr. Gleichzeitig wachsen die Städte und der Bedarf an Mobilität. Forscher schätzen, dass im Jahr 2050 zwei Drittel der Menschen in Metropolen leben werden.

Wozu die Veränderungen führen und welche Fahrzeuge künftig Vorfahrt haben, ist umstritten und hängt auch davon ab, wen man fragt. Geht es nach dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), spielen Autos 2030 so gut wie gar keine Rolle mehr. „Dann bewegen wir uns zu Fuß, mit dem Rad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, glaubt Jens Hilgenberg, BUND- Verkehrsexperte. Die Autos ganz aus den Innenstädten zu verbannen, hält er für ein realistisches Szenario. Dafür müsse es nur möglichst unattraktiv sein, sich hinters Steuer zu setzen. Etwa durch eine Mautgebühr, wie es sie in der Londoner City bereits gibt, oder durch gezielte Vorfahrtsregeln für Bahnen und Räder. Die Umweltschützer setzen auf den verkehrspolitischen Dominoeffekt: „Wenn es unattraktiv ist, fahren weniger Autos, und bei weniger Lärm und Abgasen geht man lieber zu Fuß“, erklärt Hilgenberg. Und sollte doch eine technische Gehhilfe vonnöten sein, etwa für ältere Menschen, schwebt ihm ein öffentlicher Roller vor. Ein zu leihendes Mofa mit Motor – betrieben mit erneuerbaren Energien.

Das Institut für Mobilitätsforschung, das von BMW finanziert wird, hat andere Visionen. „Eine Lösung ohne das Auto wird es auch 2030 nicht geben“, erklärt Irene Feige, „schon weil sich Menschen nicht nur an den Hauptachsen einer Stadt ansiedeln und weil sie ungebrochen Wert auf individuelle Mobilität legen werden.“

Tatsächlich fällt es Wissenschaftlern schwer, zwei gegenläufige Trends abzuwägen. Langfristig steigende Kraftstoffpreise machen Autofahren eigentlich zum exklusiven Vergnügen. Doch zugleich werden die Fahrzeuge effizienter. Allein der teure Sprit wird nicht zwangsläufig zu weniger Autoverkehr führen, erklärt Barbara Lenz, die das Institut für Verkehrsforschung in Berlin-Adlershof leitet. Dafür bedürfe es anderer Maßnahmen: „Eine massive Förderung des öffentlichen Verkehrs könnte vor allem in mittelgroßen Städten eine Bewegung weg vom Auto bewirken“, sagt Lenz.

Doch bei der Frage nach der Mobilität von morgen geht es nach Meinung der Forscher nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine möglichst intelligente Verknüpfung, gerade in Ballungsräumen. „Die Zeiten, in denen Verkehrsmittel aneinander vorbei optimiert werden, müssen endlich vorbei sein. Wir brauchen Fortbewegungsmittel, die ineinandergreifen, an jeder Ecke verfügbar sind und die Umwelt schonen“, sagt der Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie. Barbara Lenz geht davon aus, dass die Verkehrsträger der Zukunft deutlich besser vernetzt und die Informationen darüber via Mobilfunk jedem zugänglich sind. Das Handy wird so zu einem digitalen Lotsen, der durch den Dschungel aus Fahrplänen, Tarifen und Schienenersatzverkehr hilft. An der Umsetzung arbeitet die Telekommunikationsbranche gemeinsam mit Verkehrsforschern mit Nachdruck. Applikationen für das iPhone gibt es bereits.„Das wird künftig so leicht sein, dass auch ältere Leute sich nicht an Fahrkartenautomaten ärgern werden“, sagt Lenz voraus. Das ist auch notwendig, denn 2030 wird mehr als ein Drittel der Bevölkerung 60 Jahre oder älter sein.

Doch das Verkehrssystem von morgen muss noch mit anderen Variablen rechnen, etwa der flexibleren Arbeitswelt. „Die Wege der Menschen werden immer weniger routiniert sein“, erklärt Irene Feige. Das entzerrt zwar den Berufsverkehr, aber es macht die individuelle Mobilität komplizierter. Beim täglichen Weg ins Büro kennt man die Abfahrtszeiten. Aber wer von einem Termin zum anderen hetzt, viel von zu Hause und an wechselnden Projekten arbeitet, der braucht einen technischen Wegweiser. Im Auto kann das fast ohne menschliche Hilfe geschehen. Datenströme zwischen Autos und Ampeln können bald einen Stau oder Schlaglöcher vorhersagen und so helfen, Treibstoff und Nerven zu sparen. „Dafür reichen künftig historische Daten zum regionalen Verkehr und einige aktuelle Informationen“, sagt Lenz.

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