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Wirtschaft: Finnland verspricht sich Sicherheit

Helsinki will von Anfang an bei derWährungsunion dabei sein.VON JÖRGEN DETLEFSEN, STOCKHOLMEs wird ernst auf dem Weg zurEuropäischen Währungsunion.

Helsinki will von Anfang an bei derWährungsunion dabei sein.VON JÖRGEN DETLEFSEN, STOCKHOLM

Es wird ernst auf dem Weg zurEuropäischen Währungsunion.Aber wie überzeugt sind unsere Nachbarn vonder Idee Europa? Unsere Korrespondenten zeichnen ein Stimmungsbild.Alseinziges der skandinavischen EU-Mitglieder setzt Finnland voll auf dieMitwirkung in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) vonAnfang an.Trotz Abneigung gegen die Währungsintegration hält eineWählermehrheit den Beitritt für unausweichlich.Dabei steht dasSicherheitsbedürfnis der Finnen im Vordergrund.41 Prozent der Finnen sindzwar gegen die Mitwirkung an der EWU und nur 38 Prozent dafür, und 60Prozent wollen das "nationale Symbol" der Finnmark nicht gegen den Eurovertauschen.Eine Mehrheit meint jedoch nach typisch realistischer Art derFinnen, letzten Endes werde Finnland, von dessen Ausfuhren etwa die Hälftein die EU geht, sich nicht der Währungsunion entziehen können.Nach wievor sind die Finnen - derzeit zu 58 Prozent - für die 1995 verwirklichteEU-Mitgliedschaft, nicht zuletzt aus sicherheitspolitischen Gründen.Endlich gehört ihr Land zwar Westeuropa an, geblieben ist ihm aber dieNachbarschaft zum unwägbaren Nachbarn Rußland.So setzt Helsinki umsomehr auf die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedern.Verteidigungsministerin Anneli Taina maß kürzlich sogar der EWUSicherheitsrelevanz zu; denn Bedrohungen eines Landes in einem gemeinsamenWährungsgebiet mit verflochtener Wirtschaft seien wegen der Betroffenheitaller Mitglieder unwahrscheinlich.Staatspräsident Martti Ahtisaari hatdiese Auffassung ausdrücklich bestätigt.Die Hochstilisierung der EWU zumSicherheitsinstrument ist das zugkräftigste Argument der Politiker beimWerben um die Zustimmung zu dem umstrittenen Projekt.Die Wähler sollenallerdings nicht in einem Referendum gefragt werden, der Reichstag inHelsinki wird die Entscheidung im kommenden Herbst fällen.Dersozialdemokratische Ministerpräsident Paavo Lipponen rechnet dort miteiner ausreichenden Mehrheit in seiner von rechts- bis linksaußenreichenden "Regenbogenkoalition". Der oft herrisch auftretende Chefforderte jedoch die Widerständler im Volk und auch im Regierungslagerheraus, als er im vergangenen Oktober die Anbindung der Finnmark an das EWSdurchsetzte.Die Quittung war das schlechteste Nachkriegsergebnis seinerPartei bei der eine Woche später stattfindenden Wahl der finnischenEuropaparlamentarier.Die Finnmark war indes hochqualifiziert für das EWS,sie hat ihren gesamten Wertverlust während der schweren Krise Anfang der90er Jahre mehr als wettgemacht.Finnland erfüllt auch dieKonvergenzkriterien: Das Defizit des öffentlichen Sektors beträgt indiesem Jahr - zwar "geschönt" mit Hilfe von Rentenfondsrücklagen - 1,5Prozent des BIP (EWU-Grenze 3 Prozent); die öffentliche Verschuldungüberschreitet nur geringfügig die vorgeschriebenen 60 Prozent, dieerwartete Inflation von 1,5 Prozent liegt unter dem EU-Schnitt, derlangfristige Zinssatz mit 6 Prozent ebenfalls. Die wichtige Forstindustriebefürchtet jedoch wegen der Dollar-Weltmarktpreise für ihre ProdukteWettbewerbsnachteile aus einem zu hohen Wert der Finnmark und des kommendenEuros, besonders falls die schwedischen Konkurrenten nicht eintreten.DieseBedenken bezeichnet ein Gutachten der Regierung jedoch als übertrieben,und der Ministerpräsident meint, Schweden pokere nur mit dem Hinauszögernseiner Entscheidung für die EWU.Die grundsätzlich positiv eingestelltenGewerkschaften verweisen darauf, daß die katastrophale Arbeitslosigkeittrotz hoher Zuwachsraten für Investitionen, Export und Gewinne wiedersteige, sie liegt jetzt bei 19 Prozent.Sein Versprechen, die Quote bis zurJahrtausendwende - auch mit staatlicher Beschäftigungsförderung - zuhalbieren, hat Lipponnen bereits widerrufen. Auch Wirtschaftssachverständige erheben Vorhalte, Finnland könne in der EWUnicht mehr auf seine oft auftretenden "azyklischen Störungen" nach eigenerEntscheidung reagieren.Darauf antwortet der Ministerpräsident jedoch, nurdurch die intensivierte Integration lasse sich das überdurchschnittlicheWachstum - für dieses Jahr sind 3,5 Prozent vorhergesagt -aufrechterhalten.Alleingänge wie Abwertungen könne Finnland sich aufkeinen Fall mehr leisten; andererseits werde die EWU zur Stabilisierungbeitragen.Allerdings fordert Lipponen das Recht für Finnland - wie fürandere Mitglieder - bei besonderen Belastungen mit nationalen Maßnahmen,die zeitweilig zur Überschreitung der EWU-Grenzen führten,gegenzusteuern.Dennoch schrieb die Zeitung "Hufvudstadsbladet" im Einklangmit weitverbreiteter Kritik, das starre Festhalten nicht zuletztDeutschlands an den Konvergenzkriterien stimuliere nicht - wieprognostiziert - die Beschäftigung.Der einstige "politische Zwerg" imSüden trete heute alles andere als zurückhaltend auf.Zu befürchten sei,daß sich der Trend zur nationalen Selbstbehauptung überall verstärke.EUROPA IM BLICK hat man auch am Senatsplatz in Helsinki.

JÖRGEN DETLEFSEN[STOCKHOLM]

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