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© dpa

Strommarkt: Finanzinvestoren greifen nach Vattenfalls Netz

Auf dem deutschen Energiemarkt wird womöglich heute eine Zeitenwende eingeläutet: Erstmals übernehmen Finanzinvestoren einen Teil des überregionalen Stromnetzes und erstmals verabschiedet sich ein Versorger aus diesem Kerngeschäft.

Düsseldorf - Der Aufsichtsrat der in Berlin ansässigen Vattenfall Europe AG will sich heute mit dem Verkauf seiner Höchstspannungsleitungen an ein Konsortium aus Goldman Sachs, Allianz und Deutscher Bank entscheiden. Schon in wenigen Wochen dürfte Eon ebenfalls den Verkauf seines Netzes abschließen. Nur die Essener RWE und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) wollen ihre Netze behalten.

„Die Entscheidung ist gefallen“, hieß es in Unternehmenskreisen. Das Konsortium, mit dem Vattenfall in den vergangenen Monaten exklusiv verhandelt hatte, werde Vattenfalls Übertragungsnetz in Ostdeutschland und Hamburg übernehmen. Ein Sprecher wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren. Er bestätigte lediglich, dass der Verkauf noch in diesem Jahr abgeschlossen sein soll.

Mit 9700 Kilometern hat Vattenfall das drittgrößte Höchstspannungsnetz in Deutschland; das sind Stromautobahnen, die den Strom überregional transportierten, bevor sie von den regionalen und lokalen Netze weiter verteilt werden. Rund 18 Millionen Bürger werden über die Leitungen von Vattenfall versorgt. 2008 setzte die Tochter Vattenfall Europe Transmission GmbH 3,6 Milliarden Euro um – inklusive hoher Erlöse aus der per Gesetz verfügten Einspeisung erneuerbarer Energie, die weiter gereicht werden. Das Unternehmen selbst konnte Entgelte für den Transport von rund 584 Millionen Euro kassieren.

Der Kaufpreis des Hochspannungsnetzes wird in Branchenkreisen auf rund 500 Millionen Euro taxiert. Zu Beginn des Verkaufsprozesses vor einem Jahr war über eine Summe von einer Milliarde Euro spekuliert worden. Durch die Finanzkrise wurde der Prozess dann aber belastet. Auch die Verhandlungen mit den jetzigen Käufern waren schwierig.

Lange Zeit galt der Verkauf des Stromnetzes als Tabuthema in der Branche. Während es im Ausland, beispielsweise in Großbritannien, schon lange reine Netzbetreiber gibt, wollten die deutschen Stromkonzerne die komplette Kette von der Stromproduktion über den Transport bis zum Vertrieb kontrollieren. Zuletzt drängte vor allem die EU-Kommission auf eine Entflechtung, um Konkurrenten einen fairen Zugang zum Netz zu gewährleisten. Eon verpflichtete sich im Rahmen eines Kartellverfahrens zum Verkauf des Netzes. Vattenfall entschied sich freiwillig dafür.

Für beide Unternehmen ist der Netzbetrieb schließlich besonders schwierig. Ihre Gebiete liegen an der Nord- beziehungsweise Ostsee. Sie müssten wegen des geplanten Ausbaus der Windkraft in den kommenden Jahren hohe Summen in den Ausbau des Netzes und den Anschluss der Parks investieren.

Für die Finanzinvestoren ist das Kalkül ein anderes. Sie investieren in ein Geschäft, das ihnen wegen der Regulierung durch die Bundesnetzagentur zwar keine übertrieben hohen, aber langfristig kalkulierbare Renditen im höheren einstelligen Bereich verspricht. Knackpunkt in den Verkaufsverhandlungen war nach Informationen aus den Unternehmenskreisen zuletzt auch, wie die Netze künftig reguliert werden und wie die Investitionen in den Ausbau honoriert werden.

Das Konsortium aus Allianz, Deutscher Bank und Goldman Sachs hatte sich auch für Eons Netz interessiert, das mit 10 700 Kilometern geringfügig kleiner ist als das der Nummer eins, RWE. Angedacht war damit eine kleine Netz AG. Inzwischen gilt aber der niederländische Netzbetreiber Tennet in Branchenkreisen als Favorit von Eon.

Inwiefern der Verkauf an die Finanzinvestoren die Pläne der neuen Bundesregierung, eine deutsche Netz AG zu gründen, durchkreuzt, bleibt abzuwarten. Gerade die Finanzinvestoren könnten ein Interesse haben, den Betrieb mit anderen zu teilen, hieß es in Branchenkreisen. Den Plänen stehen vielmehr RWE und EnBW entgegen, die die Kontrolle über ihre Netze behalten wollen. HB

Jürgen Flauger

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