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Wirtschaft: Arbeitsmarkt: Der Kombilohn bringt keine Trendwende

Die Bundesregierung hat keine Chance, vor den Bundestagswahlen im Herbst die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu beeinflussen. Zu diesem Schluss kommen der Wirtschaftsweise Bert Rürup und der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gustav Horn.

Die Bundesregierung hat keine Chance, vor den Bundestagswahlen im Herbst die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu beeinflussen. Zu diesem Schluss kommen der Wirtschaftsweise Bert Rürup und der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gustav Horn. Beide Ökonomen sagten dieser Zeitung, dass es der Regierung nicht gelingen werde, eine Trendwende herbei zu führen.

Mit der bundesweiten Einführung des so genannten Mainzer Modells will die Bundesregierung der dramatischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gegensteuern. In dem Modell werden Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfänger animiert, eine schlecht bezahlte Arbeit aufzunehmen, indem der Staat den Job bezuschusst. Arbeitsmarktexperten sehen darin einen von vielen Schritten zu einem staatlich unterstützten Niedriglohnbereich, der langfristig bestimmten Gruppen von Arbeitslosen helfen kann. Sie warnen jedoch vor der Hoffnung auf schnelle Erfolge.

"Kurzfristig kann man faktisch nichts machen, die geplante Ausweitung des Mainzer Modells ist nur Aktionismus", sagt Rürup, der die Bundesregierung in sozialpolitischen Fragen berät. Dennoch meint der Ökonom, dass das Ziel, die Beschäftigungsschwelle für Geringqualifizierte zu senken, richtig sei. Bisher haben Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger in Deutschland nur wenig Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, weil die staatliche Unterstützung in aller Regel höher ausfällt als das, was ein schlecht Qualifizierter selbst verdienen kann. Das versucht das Mainzer Modell auszugleichen, in dem es bis zu drei Jahre lang staatliche Zuschüsse gibt.

Auch DIW-Ökonom Horn glaubt nicht, dass durch die Ausweitung des Niedriglohnmodells bis zum September auf dem Arbeitsmarkt wirklich etwas passiert. "Man kann nicht wirklich viel tun, auch wenn die Pläne der Bundesregierung für Niedrigqualifizierte gut sind", sagt er.

Einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den kommenden Monaten wird die Tarifrunde haben, die in wenigen Tagen beginnt. Rürup rät den Tarifpartnern, den moderaten Kurs der letzten Jahre fortzusetzen. DIW-Konjunkturexperte Horn hält einen Lohnabschluss von bis zu drei Prozent für gerade noch vertretbar. Die IG Metall will mit einer Forderung von 6,5 Prozent in die Lohnrunde ziehen. Damit nicht noch mehr Arbeitsplätze in Gefahr geraten, rät Rürup den Arbeitgebern und Gewerkschaften, die Lohnfindung stärker an den betrieblichen Gegebenheiten zu orientieren.

Dennoch dürfe sich die Bundesregierung mit den aktuellen Plänen nicht beschränken, meint Horn. Um die Konjunktur zu stützen, müsse die Regierung jetzt sicherstellen, dass die Städte und Gemeinden ihre Investitionstätigkeit nicht stoppen. Die Bundesregierung habe noch einen Spielraum von sechs bis sieben Milliarden Euro bei der Neuverschuldung, bevor sie die Maastricht-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreiche. Diesen Spielraum müsse sie nutzen. Die Kommunen sind durch Änderungen im Steuerrecht von der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung besonders betroffen. Um nicht in großem Stil Beschäftigte entlassen zu müssen, haben viele Städte schon angekündigt, dass sie geplante Bauprojekte nicht durchführen wollen.

Bert Rürup hält eine solche Finanzspritze zur Zeit zwar für nicht nötig, aber allemal "für sinnvoller als ein Vorziehen der Steuerreform", wie das zum Beispiel das Münchner ifo-Institut für Wirtschaftsforschung vorschlägt. "Dafür gibt es bisher aber keine Notwendigkeit. Wir befinden uns noch in einer relativ milden Rezession", meint Rürup. Sollte sich die Wirtschaft in den nächsten Monaten aber wider Erwarten dramatisch verschlechtern, sei die Bundesregierung gut beraten, die Kommunen zu unterstützen, "zumal die immerhin sechzig Prozent der öffentlichen Investitionen tätigen".

Nur dann sei es auch sinnvoll, über eine "Überinvestitionszulage nach dem Vorbild des Jahres 1982 nachzudenken", sagt der Wirtschaftsweise. Damit würden nur diejenigen belohnt, die tatsächlich zusätzliche Konjunkturimpulse setzen. Eine Investitionszulage ist ein Zuschuss für Unternehmen, die etwas kaufen oder bestellen. Sie wird in der Regel nur in konjunkturell miserablen Zeiten gewährt: Wenn sonst niemand investiert, gibt der Staat finanzielle Anreize, trotzdem zu bestellen und zu kaufen.

uwe

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