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Ein Wasserkraftwerk in Schweden

© imago images/Westend61

Der Sog der Erneuerbaren: Industriestandorte entstehen zunehmend dort, wo es genug grüne Energie gibt

„Renewable Pull“: So nennen Fachleute das Phänomen, dass sich energieintensive Indusrien zunehmend dort ansiedeln, wo viel erneuerbare Energie vorhanden ist. Eine Studie hat untersucht, für welche Länder und Regionen das neue Chancen bietet.

Investoren stecken 1,5 Milliarden Euro in ein neues, mit grünem Wasserstoff betriebenes Stahlwerk im nordschwedischen Städtchen Boden – Beispiel für einen globalen Trend in den Anfängen: Neue, energieintensive Industrieanlagen werden zunehmend dort geplant, wo es reichlich Erneuerbare gibt. Strom erzeugt Schweden zu rund 60 Prozent aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wasserkraft.

Eine solche Sogwirkung grüner Energie auf die Industrie nennt das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie „Renewables Pull“. Die Wuppertaler haben gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln mögliche Auswirkungen dieses „Pulls“ auf die internationale Arbeitsteilung untersucht und die Chancen für Regionen mit hohem Erneuerbaren-Potenzial vor allem im globalen Süden sowie die Risiken für Industrieländer wie Deutschland in den Blick genommen.

Die Studie dieser beiden Institute, Ende 2023 veröffentlicht in der Zeitschrift „Energy Research & Social Science“, nennt drei Haupttreiber für eine solche Transformation: steigende Kosten fossiler Energie im Zuge von CO₂-Bepreisung, günstiger werdende grüne Energie, steigende Nachfrage nach klimafreundlich produzierter Ware wie etwa „grünem“ Stahl. „Es gibt viele weitere Standortfaktoren, aber der Faktor erneuerbare Energie wird immer wichtiger“, sagte Mitautor Sascha Samadi, Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien beim Wuppertal-Institut.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat das Potenzial des „Renewable Pull“ für die Produktion von Stahl, Harnstoff (Urea) und Ethen untersucht. Teilergebnis: Bei einem Strompreisunterschied von 40 Euro pro Megawattstunde würde die Verlagerung an den energiepreisgünstigeren Standort zu Produktionskostensenkungen um 19 Prozent (Stahl), 33 Prozent (Harnstoff) und 38 Prozent (Ethen) führen.

Regionen auf dem afrikanischen Kontinent etwa könnte das Gelegenheit bieten, sich einen neuen Platz in der Weltwirtschaft zu erkämpfen – was vielen Entscheidern und Entscheiderinnen dort bewusst ist: „Es gibt ein neues afrikanisches Selbstbewusstsein.

Der Tenor lautet: Ihr wollt etwas von uns? Dafür müsst Ihr etwas geben“, sagte Gesine Ames, Afrika- und Nahost-Referentin bei Misereor, in einer Veranstaltung des Wuppertal-Instituts. Wichtig sei bei Industrieansiedlungen dort, „das Muster des Extraktivismus (Entnehmen und Vermarkten natürlicher Ressourcen bis hin zu Raubbau, d.R. )“ zu durchbrechen und eine „Win-win-Situation“ zu erreichen. „Die erneuerbaren Energien sind dafür prädestiniert“, so Ames.

So gibt es Pläne in Mauretanien, mit Beteiligung des Stahlkonzerns Arcelor Mittal grünen Wasserstoff herzustellen. Damit soll Erz aus den großen Tagebau-Minen des westafrikanischen Landes per Direktreduktion zu dem Vorprodukt Eisenschwamm für den Weltmarkt verarbeitet werden. Auch in anderen Teilen der Welt tut sich etwas: In Oman plant der indisch-omanische Konzern Jindal Shadeed ein grünes Stahlwerk für drei Milliarden US-Dollar. Pläne zur Herstellung grünen Ammoniaks auf Wasserstoffbasis gibt es für Standorte in Saudi-Arabien, Chile und Norwegen.

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