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Ein Mann betritt ein Wahllokal in Schmargendorf.

© dpa/Paul Zinken

Lokale Politik: Verursacht das Wahlchaos in Berlin einen Schaden für die Demokratie?

Forschende der Freien Universität haben Berlinerinnen und Berliner zur Wiederholungswahl für das Abgeordnetenhaus im Februar 2023 befragt.

Von Dennis Yücel

Stundenlanges Warten, geschlossene Wahllokale, fehlende Stimmzettel. Die Wahlen zum Bundestag sowie zum Abgeordnetenhaus von Berlin und den Bezirksverordnetenversammlungen im September 2021 liefen in einigen Wahlbezirken so chaotisch ab, dass sie wiederholt werden mussten. „Einen vergleichbaren Vorgang hat es in der Geschichte der Bundesrepublik nicht gegeben“, sagt Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität.

Einen Namen hat er sich als Wahlforscher gemacht. Im Rahmen des Exzellenzclusters SCRIPTS hat er mit Heiko Giebler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Exzellenzclusters, und Anette Fasang, Professorin am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität, für eine quantitative Studie rund 8000 Berlinerinnen und Berliner zu ihren Erfahrungen mit der Wiederholungswahl im Februar 2023 befragt.

Interessanterweise, sagt Thorsten Faas, hätten viele Menschen zwar über teils sehr lange Warteschlangen berichtet, doch als komplettes Chaos habe die Wahlen kaum jemand erlebt. „Vor allem haben wir gesehen, dass viele die Wiederholungswahl von 2023 als gelungen erfahren haben“, sagt Thorsten Faas. „Bei den meisten Menschen hat dies das Vertrauen in den demokratischen Prozess wieder stabilisiert.“

Trotzdem: Man sehe durchaus, dass ein solcher Vorgang nicht an allen Menschen spurlos vorbeigeht. „Für rechtspopulistische Parteien wie die AfD ist es Teil des Programms, Wahlen infrage zu stellen und Misstrauen zu säen“, sagt der Politologe. „Menschen, die der AfD zuneigen, tendierten in unserer Umfrage dazu, die Ereignisse negativer zu bewerten.“ Entscheidend waren also oft die Voreinstellungen, die Menschen gegenüber Wahlen und der Demokratie hatten. Menschen, die bereits von einem Misstrauen in die demokratischen Institutionen geprägt waren, sahen sich darin bestätigt.

Zum anderen zeichnete sich in der Studie die Tendenz ab, dass Menschen die Wiederholungswahlen teilweise nach den Wahlergebnissen bewerteten – ob die von ihnen gewählte Partei also besser oder schlechter abschnitt als beim ersten Durchlauf. „Das ist eine ungesunde Entwicklung“, sagt Thorsten Faas. „Wir kommen in eine Gewinner-Verlierer-Logik hinein, die gerade in unseren polarisierten Zeiten gefährlich sein kann.“

Die Wiederholungswahl in Berlin lieferte viel Stoff für Karikaturisten.
Die Wiederholungswahl in Berlin lieferte viel Stoff für Karikaturisten.

© picture alliance / dieKLEINERT/Martin Erl

Ein besonderes Augenmerk legt Thorsten Faas in seiner Forschung auch auf die junge Wählerschaft. „Die Forschung zeigt, dass die ersten Wahlen für die spätere politische Beteiligung extrem wichtig sind“, sagt der Wissenschaftler. „Da entscheidet sich, ob Wählen eine Gewohnheit wird oder Menschen sich von der Politik abwenden.“ Wie auch in höheren Altersgruppen habe die Wiederholungswahl hier keinen größeren negativen Effekt gezeigt.

Stattdessen beobachtet Thorsten Faas, dass junge Menschen durch einen Flickenteppich beim Wahlalter verunsichert werden. „Es ist für junge Menschen schwer nachvollziehbar, warum es unterschiedliche Altersgrenzen für Kommunal- und Bundestagswahlen gibt und warum sich diese Altersgrenzen auch noch von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.“ Für ihn als Forscher sei die Wiederholungswahl ein spannender und erkenntnisreicher Fall gewesen. „Als Bürger und Wähler“, sagt Thorsten Faas, „hätte ich auf derartige Wahlfehler aber getrost verzichten können.“

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