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Sport: Rennstuhl statt Rollstuhl

Behindertensportler wollen von der Leichtathletik-Förderung profitieren

Von Jutta Meier

Berlin. Der Weg in den Sportverein ist normalerweise ganz einfach: Man sucht sich einen Verein in seiner Umgebung, geht dorthin und trainiert mit einer Gruppe, die bereits eingespielt ist, neue Leute aber meist gern aufnimmt. Für Behinderte ist das alles viel komplizierter. Und wenn am Sonntag wieder die Rollstuhlfahrer beim Berlin-Marathon am Start sind, dann liegt hinter den meisten ein langer, beschwerlicher Weg.

„Ein Behinderter kann heute zwar fast jede Sportart betreiben, die ihn interessiert“, sagt Ulf Mehrens, der Vorsitzende des Deutschen Rollstuhlsportverbandes. Er muss dabei aber mit weiten Wegen zum Trainingsort rechnen, da nicht jeder Verein die gewünschte Sportart anbietet. Ein Behinderter kann zudem meist nicht so einfach irgendwo einsteigen, sondern muss zunächst individuell betreut werden. Hierfür fehlt allerdings das Personal. „Wie in anderen Vereinen sind auch bei uns die meisten Betreuer ehrenamtliche Mitarbeiter. Aber es sind definitiv nicht genug“, sagt Mehrens.

Für Behinderte, die ihren Sport leistungsorientiert betreiben wollen, wird es teilweise noch schwieriger. „Hier fehlen die hauptamtlichen Trainer“, sagt Reiner Pilz, seit 1991 der Veranwortliche für das Rollstuhlrennen beim Berlin Marathon. „Derzeit gibt es für die Leichtathletik-Nationalmannschaft gerade einmal einen Wurftrainer und eine Trainerin für den Fahrbereich.“

Das mag ein Grund dafür sein, warum von den 121 Rollstuhlfahrern, die am Sonntag beim 29. Berlin-Marathon an den Start gehen werden, insgesamt 85 Prozent aus dem Ausland kommen. „In Ländern wie der Schweiz, Australien oder Kanada ist der Behindertensport wesentlich besser integriert und wird viel stärker gefördert“, sagt Pilz. „Der Behindertensport sollte in Deutschland nicht mehr als Sammelbegriff verstanden werden, sondern die einzelnen Sportarten müssen den Fachverbänden untergeordnet werden“, sagt er. Dann würde dem Rennstuhlsport, so bezeichnen sich die Rollstuhlathleten, ein Teil der finanziellen Förderung zugute kommen, der dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) durch das Innenministerium und über Sponsorengelder zur Verfügung steht. Ob den Sportlern dann tatsächlich mehr Geld zukommen würde, hält der Sprecher des Landessportbundes Berlin, Dietmar Bothe, für fraglich. „Ich weiß nicht, ob es tatsächlich einen Unterschied macht, ob die Förderung vom DLV oder vom Deutschen Behinderten-Sportverband kommt“, sagt er.

Durch die Mitgliedschaft in Vereinen Nicht-Behinderter stünden laut Pilz beispielsweise genügend qualifizierte Trainer zur Verfügung. Das sieht Dieter Keuther, der Generalsekretär des Deutschen Behinderten-Sportverbands, anders. „In den Fachverbänden wären unsere Sportler doch das fünfte Rad am Wagen“, sagt er. „Eine Eingliederung wäre nur vertretbar, wenn die Vereine die gleiche Betreuung garantieren könnten, die die Athleten bei uns bekommen.“

Der SC Charlottenburg kann das. Hier sind die Rennstuhlsportler in die Leichtathletikabteilung integriert, und zwei Trainer mit Reha-Lizenzen kümmern sich um sieben Athleten. Bisher muss man sich jedoch durch Spendenaktionen selbst finanzieren. „Um unsere Trainer refinanzieren zu können, müssen wir erst Mitglied im DBS werden“, sagt Hartwig Marx, der Vorstandsvorsitzende für den Rennstuhlsport im SCC. „Und dafür müssen wir noch einige bürokratische Hürden überwinden.“

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