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Seltenes Glück. Rani Khedira bejubelt sein 1:0.

© AFP/Odd Andersen

Jetzt schießt er auch noch Tore: Unions Rani Khedira bringt Hansi Flick langsam in Erklärungsnot

Der Mittelfeldchef erzielt gegen Eintracht Frankfurt sein erstes Tor für den 1. FC Union und das wird teuer. Auf seine erste Nationalmannschaftsnominierung wartet er weiter.

Es ist ein paar Wochen her, als Kevin Behrens oberkörperfrei und bester Laune Richtung Kabine lief. Der 1. FC Union hatte gerade ein Heimspiel gewonnen und Rani Khedira war mal wieder auserkoren worden, den Köpenicker Wahnsinn vor den Mikrofonen zu erklären. Der Mittelfeldspieler sprach von Organisation, Mentalität – und wurde von Behrens schroff unterbrochen. „Rani für Deutschland!“, brüllte der Stürmer durch die Katakomben des Stadions An der Alten Försterei.

Am Sonntag hat sich Union mit Khedira als Kapitän und Torschütze durch ein 2:0 gegen Eintracht Frankfurt in die Länderspielpause verabschiedet, für den 29 Jahre alten Schwaben bedeutet das aber weiter Erholung. Behrens’ lautstarke Forderung hat Hansi Flick bisher nicht erhört.

Khediras Vertrag läuft im Sommer aus

„Rani war bei der WM nah dran und ein Kandidat, bei dem wir lange überlegt haben“, hat der Bundestrainer dem Kicker kürzlich in einem Interview gesagt. Für die ersten Länderspiele nach der verkorksten Weltmeisterschaft hat er sich erneut gegen Unions Mittelfeldchef entschieden. Gegen Peru und Belgien sind zwar fünf Neulinge nominiert, aber weder Khedira noch Robin Knoche, der vor dem Turnier in Katar ebenfalls im vorläufigen WM-Kader stand.

Die Jungs fordern einen Foodtruck – und den werden sie auch irgendwann bekommen.

Rani Khedira nach seinem Premierentreffer.

In Köpenick kann das kaum jemand verstehen, schließlich ist Khedira beim Tabellendritten der Fußball-Bundesliga ein absoluter Schlüsselspieler. „Er ist für das Gleichgewicht zuständig, ist aggressiv und ein Leader“, sagte Urs Fischer. Für Unions Trainer ist Khedira ein verlängerter Arm auf dem Spielfeld. Am Sonntag rief er ihn mehrfach an die Seitenlinie, um taktische Änderungen durchzugeben. Zudem ist er für die Ordnung und die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen enorm wichtig. „Er versucht immer wieder, seine Mitspieler zu coachen“, sagte Fischer.

Im Sommer läuft Khediras Vertrag bei Union aus, Interessenten dürfte es angesichts seiner Entwicklung in den vergangenen fast zwei Jahren einige geben. Aus einem Rollenspieler, den sie beim FC Augsburg ohne großen Widerstand haben ziehen lassen, ist in Berlin ein Leistungsträger auf hohem Bundesliga- und Europapokalniveau geworden. Khedira bezeichnete Union bereits mehrfach als „ersten Ansprechpartner“. Sollte sich die Mannschaft erneut für das internationale Geschäft und vielleicht sogar für die Champions League qualifizieren, dürfte das den Reiz einer Vertragsverlängerung sicherlich noch erhöhen.

Ein Sechser mit diesen Fähigkeiten, seiner Robustheit sowie seinem Gefühl für Timing und Raum könnte auch der Nationalmannschaft guttun, doch Fischer ist nicht der Typ, der die Entscheidungen von Kollegen öffentlich kommentiert. „Mir geht es auch jede Woche so“, sagte der Schweizer. „Man kann als Trainer nicht jeden glücklich machen und das muss man dann auch akzeptieren.“

Khedira selbst hatte am Sonntag ganz andere Dinge im Kopf als die Nationalmannschaft. Gegen Frankfurt erzielte er im 81. Spiel sein erstes Tor für Union – und das 1:0 kurz nach der Halbzeit war ein eminent wichtiges. „Speziell in der ersten Hälfte haben wir kein gutes Spiel gemacht und zu viele Chancen zugelassen“, sagte Khedira. „Da hatten wir eine gute Portion Matchglück.“

Das galt auch für seinen Premierentreffer vor den Augen seines Bruders Sami, der das Spiel auf der Tribüne verfolgte. Nach einer Ecke von Niko Gießelmann flipperte der Ball von Robin Knoche vor die Füße von Khedira. Beim Mittagessen hatten ihn die Kollegen noch wegen seiner fehlenden Torgefahr aufgezogen, doch aus der Drehung ließ sich der Mittelfeldspieler die Chance nicht entgehen.

Khedira rannte erst nach links, dann nach rechts. Die Klarheit, die seine Aktionen im Zentrum des Spiels auszeichnen, fehlte ihm beim Torjubel aufgrund mangelnder Praxis eindeutig. „Eigentlich wollte ich erstmal zur Bank, weil mich Sven Michel beim Mittagessen am meisten aufgezogen hat“, sagte Khedira. „Dann wurde ich in die andere Richtung gezogen und irgendwann lag ich auf dem Boden. Aber es fühlt sich auf jeden Fall gut an.“

Sami Khedira schaut immer mal wieder bei seinem jüngeren Bruder in Köpenick vorbei.

© Imago/Matthias Koch

Auch sein Trainer war nicht nur wegen der Bedeutung des Treffers glücklich. „Er hat immer wieder mal Chancen gehabt, es freut mich für ihn, dass es jetzt endlich geklappt hat“, sagte Fischer, deutete aber auch Folgen für Khedira an. „Das kostet aber auch.“

Besondere Leistungen wie ein erstes Tor ziehen in Sportmannschaften generell Forderungen der Kollegen nach sich. Im Amateurbereich wird oft eine Kiste Bier fällig, bei den Basketballern von Alba Berlin eine Runde Donuts, doch der Profifußball bewegt sich auch hier in anderen Dimensionen. „Die Jungs fordern einen Foodtruck – und den werden sie auch irgendwann bekommen“, sagte Khedira.

Die Länderspielpause kommt ihm daher vielleicht doch ganz gelegen. Nicht nur zur Erholung, sondern auch für die nötige Planung.

Was es beim 1. FC Union demnächst zu essen geben wird, hat sich Rani Khedira noch nicht überlegt, doch wer das Spiel auf dem Fußballplatz so gekonnt organisiert, wird vermutlich auch nicht an dieser Herausforderung scheitern.

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